Ingelheim – Von 2010 bis 2013 fanden Archäologen der Stadt Ingelheim aufsehenerregende Überreste von frühchristlichen Vorgängerbauten unter der St. Remigiuskirche von Nieder-Ingelheim. Dazu zählen Gräber, Fundamente und ein gemauertes Taufbecken, die teils in das 7. Jahrhundert zurückreichen.
Wegen der großen Bedeutung der Funde entstand bei den beteiligten Institutionen der Wunsch, die Bodendenkmäler in Originallage zu erhalten und für Besucher zu erschließen. Denn sie dokumentieren die ungeahnt lange Tradition der Kirchengemeinde St. Remigius, die bis in die Zeit der Merowinger zurückreicht (ca. 500 – 750 n. Chr.) und sie zeigen an, aus welchen historischen Wurzeln um 800 n. Chr. die Kaiserpfalz Karls des Großen hervorgegangen ist.
Die Pfarrgemeinde St. Remigius und die Stadt Ingelheim vereinbarten sich in einem Vertrag über die Nutzungsrechte und die Kostenverteilung. Unterdessen entwickelte die Forschungsstelle in enger Abstimmung mit dem Diözesanbauamt und der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland Pfalz ein Konzept für die Konservierung und Präsentation der Funde.
Nach aufwändigen Vorbereitungen in den letzten beiden Jahren wie zum Beispiel Langzeitklimamessungen konnte die Konservierung der Funde im Mai abgeschlossen werden. Im Juni wurde einer der beiden Steinsarkophage wieder in den Turm eingebaut, die zwischenzeitlich bei einem Steinrestaurator gereinigt und geklebt worden waren. Die Baustelle wird nun an die Architektin Edda Kurz übergeben, die von der Pfarrgemeinde und Diözese mit dem Einbau von Treppen, Erschließungsbauwerken und einer Lichtanlage beauftragt wurde.
Nach der Fertigstellung dürfte sich den Besuchern ein einzigartiges Erlebnis darbieten. Zwischen den Fundamenten des Kirchturms liegt freigegraben das frühchristliche Taufbecken (Piscina). Seine runde Form und die Eingrabung in den Boden zeugen von einem alten Taufritus, bei dem erwachsene Täuflinge in dem Becken stehend mit geweihtem Wasser übergossen wurden. Dass ein Zeugnis dieser alten Zelebration, die zwischen 800 bis 1000 n. Chr. zu Gunsten der Kindstaufe an viel kleineren Taufsteinen abgelöst worden ist, noch heute besichtigt werden kann ist eine Seltenheit, die Ingelheim deutschlandweit nur mit Boppard, Köln und Worms teilen muss.
Beim Aufstieg über die Treppen wird sich dem Blick des Besuchers ebenfalls offenbaren, dass diese Taufpiscina in jüngerer Zeit von einer aufwändigen Grablege mit Steinsarkophagen teilweise zerstört worden ist. Taufen waren hier ab diesem Zeitpunkt, den die Archäologen ins 11. Jh. datieren, nicht mehr möglich. Wer hier bestattet wurde ist Gegenstand laufender Forschungen. Über 50 Materialproben wurden und werden mit verschiedenen Messmethoden in archäologischen Labors ausgewertet, um das Geheimnis zu lüften.
Die Pfarrgemeinde St. Remigius und die Stadt Ingelheim rechnen mit der baulichen Fertigstellung im Herbst 2018. Besucher müssen sich noch ein klein wenig länger gedulden, da ab Sommer erst noch der Kirchhof von St. Remigius neu gestaltet und umgebaut wird. Die Gesamtfertigstellung aller Außenanlagen ist für Ende des kommenden Winters vorgesehen. Ab dann werden Besuchergruppen von speziell geschulten Gästeführern in die Geheimnisse der langen Geschichte von St. Remigius als nicht nur der ältesten Pfarrkirche Ingelheims, sondern einem der ältesten christlichen Zentren am Rhein eingeführt werden können.