Landau – Wenn diese Wände sprechen könnten! In der Taufkapelle der Landauer Stiftskirche warten vier mittelalterliche Wandmalereien darauf, „wachgeküsst“ zu werden. Die Malereien stammen ursprünglich wohl aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, wurden im Laufe der Zeit jedoch mehrfach überarbeitet und teils verfremdet. Diplom-Restauratorin Uta-Barbara Riecke ist zuversichtlich, den originalen Zustand weitgehend wiederherstellen zu können. Die Expertin wurde von der Stiftskirchengemeinde mit der Erstellung eines Konservierungs- und Restaurierungskonzepts sowie mit der Notsicherung absturzgefährdeter Putzbereiche beauftragt. Ihre Ergebnisse stellte sie jetzt bei einem Vor-Ort-Termin gemeinsam mit Dekan Volker Janke, Dr. Gerald Mathes vom Kirchbauverein und Stadtdenkmalpfleger Jörg Seitz auch OB Thomas Hirsch vor.
Die wichtigste – und erfreuliche – Erkenntnis: Ein Großteil der mittelalterlichen Malereien ist trotz Übermalung und Abdeckung durch eine Schutzschicht erhalten geblieben. An ausgewählten Stellen hat die Restauratorin bereits den grauen Schleier aus Kunstharz abgetragen und die leuchtend bunten Originalfarben freigelegt. Die Wandmalereien, die sich in vier Bogenfeldern an der West- und Nordwand der Taufkapelle befinden, zeigen das Verlöbnis der Heiligen Katharina mit dem Jesuskind, die Auferstehung Christi, die heilige Dreifaltigkeit und Christus als „Schmerzensmann“. Sie waren bei der Restaurierung der Taufkapelle im Jahr 1897 wiederentdeckt worden.
Interessanter Aspekt: Dank handkolorierter Kartons, die nach der Freilegung in den Jahren 1897 und 1898 angefertigt wurden und im Stadtarchiv aufbewahrt werden, konnte Riecke zweifelsfrei nachweisen, dass beispielsweise beim Verlöbnis der Heiligen Katharina mit dem Jesuskind im Nachhinein „getrickst“ wurde. Zeigte die Malerei ursprünglich die Enthauptung der Heiligen, wich diese Darstellung in der späteren Übermalung von 1962 der des Erzengels Michael im Kampf mit einem Drachen. Konkret wurde aus dem Henker mit Schwert der Erzengel, aus Katharina selbst ein Drache – was schon deutlich macht, dass das Ursprungsbild komplett verfälscht wurde.
OB Hirsch zeigte sich beeindruckt von den bedeutenden kirchengeschichtlichen Funden in der Stiftskirche und den Ergebnissen der restauratorischen Untersuchung. „Die Spuren, die das Mittelalter in unserer Stadt hinterlassen hat, sind bis heute sichtbar: Vom Haus zum Maulbeerbaum, dessen endgültige Rettung wir in diesem Jahr erreichen konnten, über die faszinierenden Wandmalereien, die jetzt in der Stiftskirche wiederhergestellt werden sollen, bis hin zu unseren Wurzeln als Stadt, die bis ins Mittelalter zurückreichen, als Emich IV. von Leiningen Landau gründete und Rudolf von Habsburg wenig später die Stadtrechte verlieh.“ Gerade vor dem Hintergrund des anstehenden 750. Stadtgeburtstags im Jahr 2024 sei es überaus spannend, in die Geschichte Landaus einzutauchen, so Hirsch, der der Stiftskirchengemeinde seine Unterstützung bei der geplanten Restaurierung zusagte.
„Die Landauer Stiftskirche ist eine der schönsten und bedeutendsten Kirchen der Pfalz und legt Zeugnis von der hohen Baukunst des Mittelalters ab“, ergänzte Dekan Janke. „Gemeinsam wollen Stiftskirchengemeinde und Kirchbauverein die Taufkapelle als besonderes historisches Kleinod erhalten und die wertvollen mittelalterlichen Wandmalereien wiederherstellen.“ Wer Stiftskirchengemeinde und Kirchbauverein unterstützen möchte, findet unter www.stiftskirche-landau.de bzw. www.kirchbauverein-stiftskirche.de verschiedene Möglichkeiten.
Die Ursprünge der Landauer Stiftskirche reichen bis ins Jahr 1279 zurück, als der Bischof zu Speyer den Bau einer zum Konvent der Augustiner-Chorherren gehörenden Stifts- und Pfarrkirche genehmigte. Um 1300 erfolgte ein Neubau, da sich die erste Kirche bereits nach wenigen Jahren als zu klein erwies. 1333 wurde diese Stiftskirche eingeweiht. Es wird angenommen, dass die heutige Taufkapelle Kapitel- oder Konventsaal des früheren Klosters war. Die Wandmalereien werden in die Zeit kurz vor der Mitte des 14. Jahrhunderts datiert. Stifter war vermutlich ein Mitglied der Adelsfamilie Herbord, deren Wappen auf drei von vier Bogenfeldern zu sehen ist. Die Wandmalereien wurden 1897 bis 1989, 1962 sowie in den Jahren 1976 und 1981 bis 1982 jeweils restauriert – teils aus heutiger Sicht nicht zeit- und fachgerecht.