Mainz – Ein Hochleistungs-3-D-Drucker der neusten Generation versetzt Herzchirurgen der Universitätsmedizin Mainz in die Lage, jetzt auch flexible und verformbare Aortenmodelle zu drucken. Vorteil: Komplizierte Eingriffe an der Hauptschlagader lassen sich damit besser im Vorfeld durchspielen. In der Konsequenz erhöht das die Sicherheit der Eingriffe.
Die intensive Planung eines Aorteneingriffs ist mitunter entscheidend, um Komplikationen weitgehend auszuschließen. Zu Komplikationen kann es beispielsweise bei einer Verletzung der Aorta kommen, wodurch binnen kürzester Zeit sehr viel Blut verloren gehen kann. Wenn sich Kalkablagerungen an der Innenseite der Aorta durch Berührung des Blutgefäßes ablösen, kann schlimmstenfalls ein Schlaganfall entstehen.
Bereits seit rund fünf Jahren nutzen Herzchirurgen der Universitätsmedizin Mainz dreidimensionale Aortenmodelle aus dem 3-D-Drucker für die OP-Planung. Diese Modelle bieten dem Chirurgen die Möglichkeit, den Operationssitus (also die Lage der Organe und Strukturen im Operationsbereich) vorab gleichsam zu drehen, zu wenden und von allen Seiten zu betrachten. Dadurch ist er in der Lage, den Eingriff bis ins kleinste Detail vorab zu simulieren. Die HTG verwendet dreidimensionale Aortenmodelle zur Planung der Behandlung von Patienten mit chronisch gerissenen Hauptschlagadern, doppelten Aortenbögen oder angeborenen Aortenfehlern.
Doch im Vergleich zu den herkömmlichen Modellen haben die flexiblen Prototypen aus dem 3-D-Drucker der neusten Generation einen entscheidenden Vorteil, weiß der Direktor der Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (HTG) der Universitätsmedizin Mainz Univ.-Prof. Dr. Christian Friedrich Vahl: „An ihnen können wir jetzt erstmals auch vielfältige strömungsdynamische und weitere operationstechnische Fragen simulieren, da wir durch die Komposition des Druckmateriales die Elastizität der gedruckten Aortenmodelle modulieren können.“ Für den Operateur spielt das eine wichtige Rolle, da eine Aorta anatomische Besonderheiten (z.B. eine besondere Zerreißbarkeit bei angeborenen Bindegewebserkrankungen) aufweisen kann, auf die er sich dann ganz konkret vorbereiten kann.
„Der Chirurg kann das 3-D-Modell im wahrsten Sinne des Wortes begreifen und aus Blickwinkeln analysieren, die unter intraoperativen Bedingungen gar nicht möglich wären. Das ermöglicht ihm ein umfassenderes Verständnis des Operationssitus und erhöht die Sicherheit eines solchen Eingriffs immens“,
unterstreicht Professor Vahl. Darüber hinaus lassen sich beispielsweise Gefäßmissbildungen visualisieren. So können die Herzchirurgen mittels 3-D-Printing auch patientenindividuelle Modelle von Gefäßpathologien, wie Aneurysmen der Aorta, anfertigen.
Für die Herstellung der flexiblen und verformbaren Aorten auf Basis einer speziellen Polymer-Kunststofftechnik braucht es umfangreiche Bilddaten. Diese liefern Untersuchungen mittels Computertomographie, 3-D-Echographie oder Magnetresonanztomographie.
„Die Daten muss der Chirurg mittels Computerprogrammen bearbeiten, damit der Drucker sie für den Druckprozess lesen kann“,
berichtet Dr. Ahmed Ghazy von der HTG, der unter anderem für die Aufbereitung der Daten für den neuen 3-D-Drucker und die präoperative Planung zuständig ist.
„Die Verwendung dreidimensionaler Aortenmodelle wirkt sich aber nicht nur positiv auf die Eingriffssicherheit aus, sie geht auch mit verringerten Operationszeiten einher“,
so Professor Dorweiler, Sprecher des Forschungsschwerpunktes BIomatics, unter dessen Dach diese Forschungsaktivitäten stattfinden. „Denn einerseits sind keine intraoperativen Messungen mehr notwendig, da sämtliche Zahlenwerte bereits vor dem Eingriff ermittelt wurden. Andererseits lassen sich auf Basis der Aortenmodelle Prothesen anfertigen, die sich dann unmittelbar bei einer OP nutzen lassen. Eine Versorgung des Bauchaortenaneurysma kann am patientenidentischen Modell simuliert werden, so daß für jeden Patienten schon vor der Operation die richtige Gefäßstütze ausgewählt werden kann“, so Dr. Ghazy.
Die Forschungsaktivitäten der HTG profitieren ebenfalls von dem neuen 3-D-Drucker: In einer aktuellen Forschungsreihe wird eine Herz-Lungen-Maschine mit unterschiedlichen Aortenmodellen verbunden, so daß die Durchblutungsverhältnisse erstmals im patientenidentischen Modell untersucht werden können.