Kirchheim an der Weinstraße – Ungewöhnlich startet der Kirchheimer Konzertwinter in die neue Saison. Mit einem Orgelkonzert der improvisatorischen Art widmet sich die Konzertreihe dem 200. Unionsjubiläum der Pfälzischen Landeskirche.
Als sich 1818 Lutheraner und Reformierte darauf verständigten, sich zu einer einheitlichen Kirche zusammenzuschließen, waren viele Unterschiede zu überbrücken, nicht zuletzt auch im Bereich der Sakralmusik. Darauf nimmt der Theologe und Kirchengeschichtsgelehrte Bernhard Bonkhoff im Rahmen einer knappen historischen Liturgiefeier Bezug, wenn er die damaligen Gegebenheiten der im kirchlichen Gottesdienst gepflegten Vokal- und Instrumentalmusik erlebnisecht nachzeichnet, um sodann dem versierten Orgelimprovisator Rudolf Lutz aus St.Gallen entsprechende Aufträge zur musikalischen Ausführung zu erteilen.
Bonkhoff wird hinsichtlich der damals verwendeten Gesangbuchslieder auf der Grundlage des durch die Unionssynode von Kaiserslautern beschlossenen Gottesdienst-Ablaufes die Besucher eintauchen lassen in jene aus heutiger Sicht fremde Welt des Rationalismus, als die christliche Gemeinde nur noch ein Publikum gewesen ist. Keineswegs entwickelt sich daraus jedoch eine trockene Lehrstunde, denn die Konzertbesucher dürfen einerseits aktiv als musizierende Gemeinde mitwirken, wenn es um das Mitsingen von damals verwendeten Chorälen geht, anderseits wird der als humorvoller Moderator bekannte Schweizer Musiker mit seinen höchst kunstvollen Improvisationen und begleitenden Kommentaren für geistreiche Kurzweil sorgen.
Als Besonderheit wird im Programm eine weitere „Union“ in Form einer Wiedervereinigung initiiert. Bonkhoff, mit einer Kirchheimer Familie weitläufig verwandt, konnte eine originale Kirchheimer Bürgermeisterkette aus der Zeit, als die Pfalz noch Bayern unterstand, unter den historischen „Schätzen“ seines eigenen Archivs ausfindig machen. Diese soll auf persönlichen Wunsch Bonkhoffs im Rahmen des Eröffnungskonzertes dem Kirchheimer Ortsbürgermeister Robert Brunner quasi als Rückführung an den zugehörigen Ort feierlich zum Verbleib überreicht werden. Neueste Erkenntnisse, welchen Weg die Amtskette im Laufe der Jahre zurückgelegt hat, werden – soweit bekannt – dabei mitgeteilt.
Der gebürtige Homburger Dr. Bernhard Bonkhoff studierte Theologie und Geschichte in Bethel, Tübingen, Erlangen, Heidelberg und München. 1992 promovierte er an Uni Erlangen-Nürnberg über die Kirchengeschichte der Pfalz von 1861 bis 1918. Danach war er Lehrbeauftragter für Territorialkirchengeschichte an der Uni Mainz, später hatte er einen Lehrauftrag an der Luther-Akademie in Riga inne und gehörte dem Arbeitskreis für Liturgie sowie der Gesangbuchkommission der Ev. Kirche der Pfalz an. Nach seinem 2. Examen wirkte er 34 Jahre lang als Pfarrer in Groß- und Kleinbundenbach bei Zweibrücken und Mörsbach im Westerwald, bevor er 2014 in den Ruhestand ging.
Rudolf Lutz, Musiker singulärer Befähigungen, ist Pianist, Organist, Cembalist, Komponist, Dirigent und Improvisator. Nach langjähriger Tätigkeit als Improvisationsdozent an der Schola Cantorum Basiliensis und als Organist an der Stadtkirche St. Laurenzen in St. Gallen widmet er sich heute internationalen Konzertengagements und Meisterkursen in Europa, Amerika und Asien. Seine interdisziplinäre Erfahrung machte ihn zum prädestinierten musikalischen Leiter der Gesamtaufführung von Bachs Vokalwerk, des gigantischen Projekts der J.S. BachStiftung St. Gallen. Für sein Lebenswerk wurde Rudolf Lutz u.a. mit dem Kulturpreis des Kantons St. Gallen (2006) und mit dem STAB-Preis der Stiftung für abendländische Ethik und Kultur (2015) geehrt. Seit 2016 ist Rudolf Lutz Mitglied des Direktoriums der Neuen Bachgesellschaft e.V. Leipzig.
Das Konzert findet statt am Sonntag, 28. Oktober 2018 in der St.Andreas-Kirche in Kirchheim an der Weinstraße. Der Eintritt zu dem Konzert ist frei, am Ausgang wird um eine Spende gebeten.
Über die Konzertreihe:
Der Kirchheimer Konzertwinter wird vom Freundeskreis für Kirchenmusik in Kirchheim/Weinstraße e.V. in Zusammenarbeit mit der Protestantischen Kirchengemeinde veranstaltet. Alte Musik steht regelmäßig im Mittelpunkt der 1990 gegründeten Konzertreihe in der Protestantischen Kirche St. Andreas. Der Themenschwerpunkt in der Saison 2018/2019 lautet: „FACETTEN“. Künstlerischer Leiter ist der Bassbariton und Bachpreisträger Dominik Wörner.