Sinsheim – Es brummt und summt zwischen den farbenprächtigen Blüten ohne Unterlass. Hier zwischen Hornklee, Sonnenröschen und Akelei fühlen sich die Insekten sichtlich wohl: Einen Steinwurf von der Autobahn A6 entfernt gehört die Fläche bei Balzfeld zu einem neu angelegten Lebensraum für Insekten, Vögel, Reptilien und anderes Getier. Die Heimat aus zweiter Hand für Biene & Co. ist eine der so genannten CEF Maßnahmen, die jetzt im Rahmen des Autobahnausbaus zwischen Wiesloch und dem Weinsberger Kreuz angelegt wurden. CEF bedeutet „continued ecological functionality“ – also fortgeführte ökologische Funktionalität.
Der Schutz der Natur ist ein zentrales Thema bei der Planung und Realisierung des sechsspurigen Autobahnausbaus im Kraichgau. Ziel des Artenschutzes ist es, dem vom Menschen ausgelösten Artenrückgang wildlebender Tiere und wildwachsender Pflanzen entgegenzuwirken.
Doch nicht nur bei den farbenprächtigen Blüten auf der üppigen Wiese herrscht reges Treiben. Am Boden huscht flink eine Eidechse unter einen Stein. Daneben weisen Spuren auf einen anderen Bewohner hin: Hier fühlt sich die geschützte Haselmaus aus der Familie der Bilche wohl – den neuen Lebensraum hat der kleine nachtaktive Nager bereits für sich erobert.
Die weitläufige Wiese ist nur eine der zahlreichen Maßnahmen für den Naturschutz, den die ViA6West mit Nachdruck entlang der Ost-West-Achse umsetzt. Auch großen Wert legen alle Beteiligten auf so genannten Buntbrachen. David Kunderer, Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Stuttgart und verantwortlich für die Umweltthemen beim Projekt Ausbau A6: „Sie sind Lebensraum für viele Wildtiere. Die bunte Farbenpracht bietet Nektar für Schmetterlinge und Bienen. Von Vögeln und besonders der Feldlerche und dem Bluthänfling wird der Blühstreifen als Wohn- und Nistplatz genutzt“, erklärt er. Und ebenfalls weist der Naturfachmann auf eine andere Parallele zur Autobahn hin: Während der Ernte dient ein Blühstreifen vielen Tieren als Rückzugsgebiet. Von dort ausgehend können die angrenzenden Ackerflächen wieder besiedelt werden, ergänzt er weiter.
Aber es sind nicht nur die großen naturnahen Wiesen und Hecken, die ins Auge fallen. Flächen mit wenigen Quadratmetern sollen entlang der Autobahn ein Angebot für die Arten schaffen, wo bauliche bedingte Eingriffe in Lebensräume erfolgt sind. Und Totholz ist der ideale Rückzugsort für die geschützte Haselmaus; ihr Bestand ist in Europa gefährdet und der Hörnchen verwandte Nager steht auf der Roten Liste. „Zum Schutz der Haselmaus haben wir zwischen Sinsheim und Wiesloch/Rauenberg eine rund 13 Kilometer lange Benjeshecke angelegt“, verweist ViA6West-Geschäftsführer Alexander Herrmann auf die zahlreichen Begleitmaßnahmen. Zudem wurden 150 Nistkästen neben der Ausbaustrecke für die Haselmäuse angebracht – hier wird die Bestandsentwicklung über ein so genanntes Monitoring die nächsten Jahre durch Biologen beobachtet und dokumentiert.
Die größte Maßnahme zum Schutz der bedrohten Arten wird vom privaten Autobahnbetreiber demnächst in Offenau bei Heilbronn umgesetzt: Der Neckar darf südlich der Gemeinde aus seinem engen Flussbett und in Zukunft auch durch einen durchströmten Altarm mäandern; hier wird nämlich ein rund 40.000 Quadratmeter großes Refugium für die Tier- und Pflanzenwelt angelegt – das entspricht der Fläche von rund vier Fußballfeldern. Schwarzerle, Bruchweide, und Neckarschwarzpappeln werden hier am Uferbereich gepflanzt, die Böschungen hin zum Neckar werden entsprechend abgeflacht.
Ebenfalls zum umfangreichen Projekt für Umwelt und Natur gehören beispielsweise Kraichgau typische Streuobstwiesen oder Feldhecken, die extra im Rahmen des Autobahnausbaus in der Region geschaffen werden. Dort, wo beispielsweise zu kleine Parkplätze entlang der A6 geschlossen werden, darf die Natur die jetzt freien Flächen zurückerobern.
Viele der Maßnahmen wurden bereits übernommen, die im Vorfeld des Autobahnausbaus von den jeweils zuständigen Regierungspräsidien Karlsruhe und Stuttgart angelegt worden waren. Diese werden jetzt von der ViA6West gepflegt respektive umgesetzt. Um auf diese Flächen aufmerksam zu machen und Eingriffen durch Dritte vorzubeugen, wurden in den letzten Wochen rund 50 Hinweisschilder aufgestellt.