Mainz – Der Steuerzahlerbund hat sich gegenüber der Ampel-Koalition beharrlich dafür eingesetzt, dass die Schuldenbremse früher eingehalten wird. Mit dem Regierungsentwurf zum Doppelhaushalt 2019/2020 wird diese Zielsetzung erfüllt. Auch wenn die Steuerzahler-Organisation dies würdigt, werden große Optimierungsmöglichkeiten im Haushalt gesehen. Vorgestellt werden mehr als 50 Sparvorschläge mit einem Gesamtvolumen von fast 800 Millionen Euro in 2019/2020. Mit den Mitteln könnten forciert Schulden abgebaut, Steuern und Abgaben gesenkt sowie verstärkt Investitionen getätigt werden.
„Mit der vorzeitigen Einhaltung der Schuldenbremse und dem geplanten Verzicht auf neue Schulden seit der Finanzreform von 1969 hat die Ampel-Landesregierung einen wahrhaft historischen Haushaltsentwurf vorgelegt. Das würdigen wir auch ausdrücklich“, lobt Rainer Brüderle, Präsident des Bundes der Steuerzahler Rheinland-Pfalz. „Allerdings bedeutet das vorzeitige Einhalten der Schuldenbremse nicht, dass es am Regierungsentwurf nichts zu verbessern gebe – im Gegenteil. Tatsächlich verführen die sprudelnden Steuereinnahmen und niedrigen Zinsen vielfach zu höchst fragwürdigen Ausgaben. Gleichzeitig verweigert die Landesregierung den Bürgern und Unternehmen bislang jedwede Entlastung bei Steuern und Abgaben, selbst wenn diese in der Kompetenz des Landes liegen und finanzierbar sind.“
Im Zuge der noch laufenden Haushaltsberatungen hat der Steuerzahlerbund das Gespräch mit allen Fraktionen gesucht, um seine Sparvorschläge vorzustellen und für Entlastungen zu werben. Mit der CDU, FDP und AfD wurden bereits erste Gespräche geführt, mit SPD und Grünen folgen diese noch im November. Gleichfalls wurden die Ministerien um Erklärungen zu den Hintergründen verschiedener Haushaltsstellen gebeten.
Insgesamt kommt der Steuerzahlerbund für den Doppelhaushalt 2019/2020 auf über 50 Sparvorschläge mit einem Sparvolumen von fast 800 Millionen Euro. Davon entfallen rund 335 Millionen Euro auf das Jahr 2019 und über 463 Millionen Euro auf das Jahr 2020. Rein rechnerisch würde sich damit der bislang geplante Überschuss von etwa 300 Millionen Euro auf rund 1,1 Milliarden Euro erhöhen. „Mit dem großen Überschuss könnten Schulden forciert abgebaut oder auch sinnvolle Mehrausgaben finanziert werden, etwa für die Landesstraßen, Polizei und Schulen. Zudem sollten die Straßenausbaubeiträge und der Wassercent abgeschafft sowie die Grunderwerbsteuer gesenkt werden“, fordert der BdSt-Präsident.
Im Einzelnen zu verschiedenen Sparvorschlägen:
I. Landespersonal & Abgeordnete
Alleine für globale Personalmehrausgaben aus Tariferhöhungen, Anpassungen der Besoldung und die Versorgung von Pensionären (Haushaltsstelle 20 02 – 461 01) plant die Landesregierung mit einer Summe von 828 Millionen Euro in 2019/2020. Die von der Ampel-Koalition angekündigte Übertragung des kommenden Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst auf die Beamten unterstützt der Steuerzahlerbund. Allerdings ist die zusätzlich geplante Besoldungserhöhung um 2×2 Prozent zugunsten der Beamten und Pensionäre, welche in 2019/2020 weitere Mehrkosten von 200 Millionen Euro verursachen würde, völlig überzogen. Darauf sollte unbedingt verzichtet werden. Außerdem stehen für den Titel noch Haushaltsreste von rund 125 Millionen Euro zur Verfügung, die zuerst aufgebraucht werden sollten.
Bezüglich der umstrittenen Reform der Abgeordneten-Diäten bleibt der Steuerzahlerbund bei seiner Grundsatzkritik. Wenn die Parlamentsmehrheit unbeirrt am Stufenplan zur schrittweisen Anhebung der Diäten auf das Niveau der Besoldungsgruppe A 16 festhalten will, sollte zumindest auf die zusätzliche Erhöhung nach dem Verdienstindex in 2019/2020 verzichtet werden. Das obliegt der freien Entscheidung des Landtages und könnte über 360.000 Euro einsparen (Haushaltsstelle 01 01 – 411 72). Für die Zukunft empfiehlt der Steuerzahlerbund die Einrichtung einer überparteilichen Diäten-Kommission, z.B. mit Vertretern aus Gewerkschaften, Arbeitgeber-Verbänden, Kammern, Kirchen und anderen Verbänden. Auf Basis der Kommissions-Empfehlungen könnte der Landtag dann kommende Diäten-Erhöhungen beschließen. Das wäre ein Modell, das bei den Bürgern wieder Vertrauen schaffen könnte.
II. Arbeit, Soziales und Jugend
Rheinland-Pfalz befindet sich in einer guten konjunkturellen Lage mit Rekordbeschäftigung. Kürzlich hat die Landesregierung sogar eine Arbeitslosenquote von nur 4,1 Prozent bekannt gegeben. Deswegen ist es für den Steuerzahlerbund unverständlich, wieso die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (Haushaltsstelle 06 02 – 684 19) dennoch mit rund 8,6 Millionen Euro auf einem sehr hohem Niveau bleiben sollen. Stattdessen schlägt der BdSt eine Reduzierung auf jeweils 7,3 Millionen Euro vor, was den Ausgaben des Jahres 2017 entspricht. Abhängig von der weiteren Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt könnten die Ansätze weiter verringert oder nötigenfalls wieder erhöht werden.
Beim Thema Beitragsfreiheit von Kindergärten bleibt der Steuerzahlerbund bei seiner Kritik. Dies ist ein Luxus, der den rheinland-pfälzischen Landeshaushalt jährlich mit steigenden dreistelligen Millionenbeträgen belastet (Haushaltsstelle 09 03 – 633 07). Der BdSt setzt sich dafür ein, dass die Beitragsfreiheit mit Wirkung ab dem Jahr 2020 aufgegeben und sozial gestaffelte Kita-Gebühren im kommunalen Ermessen wieder eingeführt werden. Für das Land Rheinland-Pfalz würde das eine jährliche Ersparnis von mindestens 145 Millionen Euro bedeuten.
III. Öffentlichkeitsarbeit & Werbung
Die Landesregierung gibt pro Jahr zweistellige Millionenbeträge für die Öffentlichkeitsarbeit und Werbung aus – sei es in eigener Sache oder für andere Zwecke. Auffällig ist jedoch, dass verschiedene Etats in 2019/2020 teils erheblich gesteigert oder neu geschaffen werden sollen. Der Steuerzahlerbund sieht diese Entwicklung kritisch und führt sie auch auf die kommenden Kommunal- und Landtagswahlen zurück. Ein besonders eklatantes Beispiel dafür ist der Etat der Staatskanzlei für Presse und Information (Haushaltsstelle 02 01 – 531 01), der von 190.000 Euro in 2018 auf jeweils 680.000 Euro in 2019/2020 schier explodiert.
Grundsätzlich sollte die Öffentlichkeitsarbeit und Werbung des Landes in ihrer Wirkung und ihrem Nutzen hinterfragt werden. Negativ sieht der Steuerzahlerbund beispielsweise die verstärkten Social-Media-Aktivitäten des Landtages (Haushaltsstelle 01 01 – 533 13), das Vorhalten eines eigenen Landespolizeiorchester (mehrere Haushaltsstellen) sowie die Maßnahmen zur Stärkung des Bewusstseins für nachhaltigen und effizienten Energieeinsatz (Haushaltsstelle 14 17 – 686 72). Im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Werbung wendet sich der BdSt insbesondere gegen größere Kostensteigerungen und schlicht überflüssige Ausgaben. Die vorgeschlagenen Kürzungen summieren sich über alle Titel auf über 6 Millionen Euro.
IV. Placebo-Politik & Doppelstrukturen
Für die Landespolitik in Rheinland-Pfalz ist es eine Selbstverständlichkeit, in vielfältigen Bereichen tätig zu werden und öffentlichkeitswirksam auf ihr Engagement hinzuweisen. So gibt es aber auch viele Fälle, in denen die Ausgabenhöhe wohl nicht einmal theoretisch einen nennenswerten Beitrag zum angestrebten Ziel bieten kann. Das kritisiert der Steuerzahlerbund als Placebo-Politik. Beispiele hierfür sind die Werbung für das Land Rheinland-Pfalz mit je 24.500 Euro in 2019/2020 (Haushaltsstelle 02 01 – 536 01), die Zuschüsse für Maßnahmen und zur Förderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes mit je 47.000 Euro (Haushaltsstelle 07 02 – 684 01), Maßnahmen zur Förderung der interkulturellen Öffnung mit je 37.900 Euro (Haushaltsstelle 07 02 – 686 03), die Förderung der Demokratieerziehung und Menschenrechtsbildung in Kindertagesstätten mit je 65.000 Euro (Haushaltsstelle 09 03 – 684 35) und die Zuschüsse für laufende Zwecke zur Steigerung der Energieeffizienz an private Unternehmen mit je 50.000 Euro (Haushaltsstelle 14 17 – 683 72). In solchen Fällen ist es laut Steuerzahlerbund sinnvoller, die geringen Ansätze konsequenterweise gleich komplett zu streichen.
Wiederholt wurde das Land aber auch mit größerem finanziellen Einsatz in Bereichen aktiv, in denen es längst private oder andere staatliche Akteure gibt. In diesem Fall wurden teure Doppelstrukturen aufgebaut, die verzichtbar wären. Wichtige Beispiele dafür sind nach Ansicht des Steuerzahlerbundes die umstrittene Landesenergieagentur (Haushaltsstelle 14 17 – 682 72) und das Rheinland-Pfalz-Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen (Haushaltsstelle 14 16 – TGr. 73). Die Abwicklung der beiden Institutionen zum Jahr 2020 könnte jährlich über 4 Millionen Euro einsparen.
V. Neue Rücklagen
Als große Besonderheit des Haushaltsentwurfes 2019/2020 plant die Ampel-Koalition den Aufbau von zwei neuen großen Rücklagen – eine Haushaltssicherungsrücklage mit vorerst 200 Millionen Euro (Haushaltsstelle 20 02 – 919 01) und eine Rücklage für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur von 100 Millionen Euro (Haushaltsstelle 20 02 – 919 03). Beide Rücklagen lehnt der Steuerzahlerbund ab.
Hohe Rücklagen bei einer noch höheren Verschuldung widersprechen dem Haushaltsprinzip der Sparsamkeit, da auf diese Weise unnötige Zinslasten anfallen. Ein Mehrwert zur Sicherheit bringt die Haushaltssicherungsrücklage wiederum nicht. Selbst wenn aufgrund unvorhersehbarer Umstände eine spätere Nettokreditaufnahme nötig werden sollte, könnte z.B. ein Nachtragshaushalt beschlossen und trotzdem ein Zinsvorteil erzielt werden. Sollten zudem künftige Überschüsse der Haushaltssicherungsrücklage zugeführt werden, wäre diese wohl auch in der Lage, die Schuldenbremse faktisch auszuhebeln.
Die Rücklage Breitbandinfrastruktur ist nach Ansicht des BdSt sogar noch fragwürdiger. Etwas Vergleichbares gibt es z.B. für den Sanierungsstau bei den Landesstraßen von einer Milliarde Euro oder anvisierten Großprojekten wie der Hunsrückbahn nicht. Selbst die milliardenschweren Pensionsverpflichtungen des Landes sollen laut Landesregierung nach dem Ende des verfassungswidrigen Pensionsfonds aus dem laufenden Haushalt geleistet werden. Dazu kommt, dass alleine zur Förderung des Breitbandausbaus in den Kommunen noch Haushaltsreste von über 60 Millionen Euro zur Verfügung stehen – also selbst vorhandene Mittel bei weitem nicht vollständig verausgabt werden konnten. Deshalb sollte auf die Rücklage verzichtet werden und konkrete Projekte – wie üblich – über den Haushalt finanziert oder per Verpflichtungsermächtigung vorgemerkt werden.
Laut Steuerzahlerbund sollten hohe Überschüsse, die nicht für konkrete Vorhaben benötigt werden, zum forcierten Schuldenabbau und/oder für Entlastungen bei Steuern und Abgaben genutzt werden.
Im Einzelnen zu den geforderten Entlastungen bei Steuern und Abgaben:
Rheinland-Pfalz hat nicht viele Möglichkeiten, in politischer Eigenregie über Steuern und Abgaben zu bestimmen. Trotzdem könnte und sollte das Land über eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und des Wassercents sowie über eine Senkung der Grunderwerbsteuer effektiv zur notwendigen Entlastung der Bürger und Unternehmen beitragen.
I. Abschaffung der Straßenausbaubeiträge
Steuerzahlerbund und Haus & Grund haben im Sommer 2018 ihre gemeinsame Initiative zur Abschaffung der umstrittenen Straßenausbaubeiträge in Rheinland-Pfalz gestartet. Seitdem hat sich in der Landespolitik viel getan – mittlerweile haben sich auch CDU, FDP und AfD für eine Abschaffung ausgesprochen. Jetzt kommt es nur noch auf die politische Einsicht von SPD und Grünen an.
Um die Kommunen für ihre Einnahmeausfälle zu entschädigen, schlagen Steuerzahlerbund und Haus & Grund eine finanzielle Kompensation aus der Landeskasse in Höhe von 50 Millionen Euro pro Jahr vor. Angesichts der geplanten hohen Überschüsse in 2019/2020 ließe sich eine Abschaffung selbst ohne einen einzigen BdSt-Sparvorschlag problemlos finanzieren.
II. Senkung der Grunderwerbsteuer
Ende 2011 wurde in Rheinland-Pfalz die Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 3,5 Prozent auf 5 Prozent beschlossen. Mit dieser Maßnahme sollten laut der damaligen Landesregierung die jährlichen Steuereinnahmen um rund 100 Millionen Euro erhöht werden, um einen Beitrag zum Einhalten der Schuldenbremse in 2020 zu leisten.
Allerdings wird die Schuldenbremse nun bereits in 2019 eingehalten und die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer sind verglichen zu 2011 sogar um über 300 Millionen Euro angestiegen. Die Steuerzahler haben also ihr Soll zur Haushaltskonsolidierung bei weitem übererfüllt. Deshalb sollte die Grunderwerbsteuer wieder auf 3,5 Prozent gesenkt werden. Der vorläufige Einnahmenverzicht würde sich auf etwa 150 Millionen Euro pro Jahr belaufen, so dass die Mehreinnahmen gemessen am Jahr 2011 immer noch um rund 50 Prozent höher ausfallen als seinerzeit von der Landesregierung Beck erhofft. Zudem wäre die Steuersenkung ein wichtiger Beitrag des Landes gegen steigende Immobilienpreise. Die vorgeschlagene Entlastung ließe sich bereits mit dem Verzicht auf die vom BdSt kritisierten Rücklagen finanzieren.
III. Abschaffung des Wassercents
Das Wasserentnahmeentgelt für Grund- und Oberflächenwasserentnahmen – besser bekannt als Wassercent – wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2013 eingeführt. Der Wassercent soll im Sinne einer ökologischen Lenkungswirkung Anreize schaffen, Wasserressourcen schonend und effizient zu nutzen. Das Aufkommen ist zweckgebunden und dient zur Finanzierung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen.
Allerdings lagen die Einnahmen über die Jahre hinweg weitgehend stabil bei über 26 Millionen Euro. Auch für die Haushaltsjahre 2018 bis 2020 plant das Umweltministerium mit jeweils 26 Millionen Euro an Aufkommen. Insofern geht selbst das Umweltministerium in seinen Zahlen davon aus, dass die Lenkungswirkung des Wassercents faktisch gegen Null geht.
Zudem wird der Wassercent nicht wirklich zur Finanzierung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen benötigt. Bereits seit Jahren sammeln sich in diesen Bereichen große Haushaltsreste an. Das Umweltministerium selbst beziffert die Haushaltsreste bezogen auf die Verwendung des Wassercents mit Stand zum Jahr 2017 auf über 38 Millionen Euro. Doch auch im größeren Maßstab betrachtet kann das Ministerium die Ansätze für wasserwirtschaftliche Maßnahmen nicht voll ausschöpfen. Alleine die Haushaltsreste für den Bau von Retentionsräumen (Haushaltsstelle 14 02 – 711 76) und die Zuweisungen für Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung des Ressourcenschutzes für das Grundwasser und Oberflächengewässer (Haushaltsstelle 14 13 – 883 01) summieren sich auf über 60 Millionen Euro. Insofern würde eine Abschaffung des Wassercents in erster Linie die Haushaltsreste aus nicht erfolgten wasserwirtschaftlichen Maßnahmen reduzieren, ohne dass auch nur eine einzige Maßnahme real gestrichen werden müsste.