BERGSTRAßE – Niemals zuvor habe ich so viele schlecht gelaunte oder depressiv verstimmte Kollegen gesehen, als in diesem Frühjahr, so Willi Billau, Vorsitzender des Regionalbauernverbandes Starkenburg. Dabei verschafft das Frühjahr unseren Landwirten normalerweise Aufbruchstimmung. Woran liegt das?
Es liegt am Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Da ist zunächst das letzte Jahr, das bisher als das trockenste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gilt. Die, die keine Möglichkeit zur Beregnung hatten mussten zusehen, wie Ihre Feldfrüchte vertrockneten. Die Milchbauern und Rindermäster hatten große Sorgen, genug Futter für Ihre Tiere ernten zu können. Die Preise für Milch zogen dennoch nicht so wie nötig an. Zuckerrüben haben historische Tiefstpreise, von Kostendeckung kann keine Rede sein. Die, welche Beregnung hatten, mussten enorme Wasserkosten verbuchen. Man musste quasi Tag und Nacht wässern.
Dann kommt die Allmacht des Handels hinzu, der immer größere Partien zu immer günstigeren Preisen kaufen will. Da können oft kleine und mittlere Betriebe nicht konkurrieren und werden ausgelistet. Dies spüren wir im letzten Frühjahr besonders bei Gemüse, Spargel und Erdbeeren. Oft werden noch ausländische Herkünfte gelistet und man wartet, bis die deutschen Erntemengen drücken. Dann kann man sie billig einkaufen. Das ist nicht fair, zumal wir als Deutsche Erzeuger die höchsten Auflagen haben und geringsten Rückstände in unseren Produkten haben dürfen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf seitens der Politik.
Apropos Politik: Hier scheint der größte Frustanteil zu sitzen: Die Auflagen beim Stallbau werden immer höher. Die neue Düngeverordnung verlangt teuerste Güllelager- und Ausbringungstechnik. Vielen Natur- und Umweltverbänden sind die Auflagen dennoch zu lasch! Wer soll das bezahlen. Die Ferkelerzeuger warten seit Jahren auf eine Alternative zur betäubungslosen Kastration. Unter dem Kastenstandsurteil, das aufwendige Umbauten verlangt, leiden vor allem diejenigen, welche gerade neu gebaut haben. Von Bestands- oder Vertrauensschutz keine Rede.
In Wallerstädten fand man Rückstände von Dikegulac im Beregnungswasser. Die Presse spricht von Pflanzenschutzmitteln. Das ist grundlegend falsch. Angefallen ist Dikegulac als Abfallprodukt der Vitamin C-Herstellung. Die Einleitung in den Landgraben war genehmigt. Aber hier die Bauern mit in Verbindung zu bringen ist gemein. Es fehlen noch bei vielen Kläranlagen die vierten Reinigungsstufen. Das bedeutet, dass Hormone, Arzneimittel und Schmerzmittel in die Vorfluter geraten und dann evtl. ins Grundwasser gelangen können.
Grundwasserschutz hat für uns Landwirte höchste Priorität, wir arbeiten mit bei allen Maßnahmen.
Wir leiden unter Verunglimpfung von Teilen der NGOs und der Bevölkerung. Oft werden wir als Umweltverschmutzer und Tierschänder hingestellt. Besonders unsere Kinder in den Schulen leiten darunter. Das entspricht weder den Tatsachen, noch ist es gerecht.
Daher suchen wir den Dialog. Deshalb haben wir den letztjährigen Vorsitzenden des BUND, Herrn Prof. Dr. Hubert Weiger zum Vortrag eingeladen. Prof. Weiger spricht zum Thema „Agrarwende gestalten – Kollateralschäden vermeiden“ am Montag, dem 28.01.2019 ab 10°° Uhr in der Stadthalle Gernsheim anlässlich der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen. Wir sind mit dem BUND nicht immer einer Meinung, aber gerade hier in Starkenburg hat sich eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit bezüglich des ausufernden Flächenverbrauchs ergeben. Wir haben eine Gemeinsame Erklärung von BUND Hessen und Hessischem Bauernverband verfasst. Wir sind allein zu schwach, um dem ausufernden Flächenverbrauch Einhalt zu gebieten. Bei 2 ha Flächenverbrauch/Tag in Starkenburg (wir haben 60.000 ha Ackerfläche) verlieren wir jährlich ca. 700 ha. In 85 bis 100 Jahren haben wir keinen Acker mehr!
Dr. Willi Kremer-Schillings, bekannter Agrar-Blogger wird ab 11 Uhr zum Thema „Landwirtschaft, ein Kampf gegen die Natur“ sprechen und anschließend mit Herrn Prof. Weiger „streiten“. Dienstag ist der Tag der Verbände. Am Mittwoch, dem 30.01. findet der Gemüsebautag statt, am Donnerstag geht es um Pflanzenschutz und Rinderhaltung.
Das vollständige Programm finden Sie unter www.agrarpower.de oder www.llh.hessen.de