Wiesbaden / Frankfurt am Main – Dass Plastikmüll ein massives Umweltproblem darstellt, wissen inzwischen sogar schon ganz junge Leute. Nur wohin damit? Das fragte sich auch Lene Seufert aus Griesheim bei Darmstadt. Sie untersuchte im Rahmen ihres „Schüler experimentieren“-Projekts, ob es möglich wäre, Beton mit Hilfe von Kunststoffabfällen zu stabilisieren – und überzeugte die Jury beim „Jugend forscht“-Regionalwettbewerb Hessen-West damit derart, dass sie der 12-Jährigen den 1. Preis in ihrer Alterssparte sowie den Kalle-Albert-Preis des Industrieparks Wiesbaden verliehen. Bei einem solchem Thema wird die Ingenieurkammer Hessen (IngKH) selbstverständlich hellhörig und traf sich aus diesem Grund mit Lene im Frankfurter EXPERIMINTA ScienceCenter zum Gespräch.
Zunächst liegt dabei natürlich die Frage auf der Hand, wie sie überhaupt auf die Idee dazu gekommen ist. „Ich habe in der Schule den Schwerpunkt Naturwissenschaften – und von der Schule aus haben wir ja immer Girls’Day und Boys’Day“, erzählt die aufgeweckte Lene mit leuchtenden Augen. „Beim letzten Girls’Day habe ich meinen Vater begleitet. Er ist Bauingenieur und hatte zu der Zeit eine Baustelle in einem Krankenhaus. Weil es mich interessiert hat, habe ich ihn gefragt, ob ich nicht mitkommen kann.“
Die Erfahrung, dieses Ingenieurprojekt hautnah zu erleben, hat die Schülerin zum Experimentieren angeregt. „Dort habe ich mir die ganzen Sachen angesehen, die es so gibt. Das hat mich inspiriert, weil wir im Unterricht gerade das Thema Plastik hatten und gelernt haben, dass es auf der Welt immer mehr davon gibt und das nicht gut für die Umwelt ist“, berichtet Lene. „Da habe ich mir gedacht: Ich könnte ja Beton mit Plastik mischen und schauen, ob ich damit den Beton stabiler machen kann.“
Ingenieurtalent in die Wiege gelegt
Mit verschiedenen Kunststoffen hatte sich die 12-Jährige vor ihrer Idee für „Schüler experimentieren“ also zumindest schon einmal beschäftigt. Beton war bis zu diesem Zeitpunkt allerdings noch völliges Neuland für sie gewesen. Die größte Unterstützung bei ihrem Unterfangen erhielt sie von Vater Oliver. „Mein Papa hat mir dabei geholfen, die Betonschalen zu bauen und den Beton mit einem Rührquirl zu mischen. Anfangs war es ein bisschen schwierig, aber dann ging es“, bemerkt Lene nicht ohne Stolz.
„In den Beton habe ich verschiedene Stoffe reingetan. Ich habe dafür aber nicht nur Plastik, sondern zum Beispiel auch Wolle und Pappe benutzt. Die Schalen habe ich dann trocknen und anschließend in einem Labor testen lassen. Ich wollte wissen, wie viel Druck sie aushalten“, erläutert die Schülerin, die bei den eingehenden Untersuchungen sogar selbst mitgewirkt hat. „Als ich das schließlich wusste, habe ich ausgerechnet, welcher Beton am ehesten für einen kleinen Bau geeignet ist.“
Auch wenn ihr Forschungsexperiment am Ende vielleicht nicht ganz so ausgefallen ist, wie Lene es sich womöglich im Vorfeld erhofft hatte, waren die Ergebnisse für die Griesheimerin dennoch sehr aufschlussreich. „Dabei kam heraus, dass die beiden Betonplatten mit Wolle und Pappe am meisten aushalten, aber meine verschiedenen Betonplatten für einen Hausbau alle nicht stabil genug wären. Für kleinere Bauten zu Hause könnte man sie aber zum Beispiel verwenden“, resümiert die Schülerin.
Mit offenen Augen durch die Welt
Geht Lene denn gerne zum Unterricht? „Ja, und eine gute Schülerin bin ich auch“, antwortet sie prompt. Ihr Interesse an Naturwissenschaften – ihrem Schwerpunktfach an der Griesheimer Gerhart-Hauptmann-Schule – speist sich einerseits aus dem Beruf ihres Vaters, der ein eigenes Ingenieurbüro hat, andererseits aber noch aus einer ganz anderen Quelle: „Ich habe zu Hause ein Buch, in dem steht, dass Frauen genauso das Recht haben, in naturwissenschaftlichen Berufen zu arbeiten.“
Daneben hat Lene zudem eine Vielzahl anderer, ganz breit gefächerter Interessen. „Außer den Naturwissenschaften mag ich in der Schule noch Mathe und Sport, aber auch Englisch“, merkt die 12-Jährige an – und wenn sie in ihrer Freizeit nicht gerade Beton mit Hilfe von Plastik stabilisiert, „tanze ich und spiele Cello“. Das Interesse am Thema Baustoffe besteht jedoch nach Abschluss ihres „Schüler experimentieren“-Unterfangens weiterhin – obwohl Lene sich noch ganz andere Dinge vorstellen kann.
„Beim ‚Jugend forscht‘-Regionalwettbewerb habe ich mir die Sachen von den anderen Teilnehmern angeschaut und einige Projekte entdeckt, die ich sehr spannend fand“, führt die Griesheimerin aus. „Eine Gruppe wollte zum Beispiel wissen, was man alles mit Cola beseitigen kann und hat das anhand verschiedener Sachen getestet. Das hat mich wirklich interessiert. Oder der Marsroboter, den mein Nachbar in der Technik-Kategorie gebaut hat – auch den fand ich unglaublich faszinierend.“
Glänzende Zukunftsaussichten
Dass sich Lene für solche Themen ebenso begeistern kann, bedeutet allerdings noch lange nicht, dass sie deshalb gleich dem Baubereich den Rücken kehren möchte. „Ich könnte es mir schon vorstellen, in Zukunft auf diesem Gebiet zu arbeiten“, stellt sie klar. „Genauso gut könnte ich mir aber auch viele andere Dinge vorstellen, die ich später einmal machen möchte. Da bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Ihre vielseitigen Interessen wird sich die Schülerin auch hoffentlich möglichst lange erhalten.
„Ich kann Dir nur dazu raten, viele verschiedene Dinge auszuprobieren. Mit 12 bist Du ja noch so jung, dass Du alle Möglichkeiten hast und Dir alle Türen offenstehen“, gibt ihr Sandro Schmidt von der Bauer Resources GmbH, der für die Ingenieurkammer Hessen das Gespräch mit Lene führte, mit auf den Weg. „In meiner Firma gibt es zum Beispiel ganz viele Frauen, die als Bauleiterinnen, Konstrukteurinnen oder Statikerinnen arbeiten. Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es bei uns keine mehr.“
Als Tochter eines Ingenieurs ist sie natürlich trotz ihres Alters bereits bestens damit vertraut, welch vielfältige Möglichkeiten sich Nachwuchskräften auf diesem Gebiet jetzt und auch in Zukunft bieten – gerade hinsichtlich der zunehmenden Digitalisierung. Aus diesem Grund darf der Berufsstand auch große Hoffnung schöpfen: Sollte sie sich nämlich für eine Laufbahn in diesem Bereich entscheiden, wäre das Ingenieurwesen bei jungen Menschen wie Lene Seufert zukünftig in den besten Händen.