Karlsruhe – Vor dem Hintergrund der aktuellen Fragestellung im Umgang mit dem Gebäudekomplex des Landratsamtes schlägt die Verwaltung in Abstimmung mit dem Landratsamt und der örtlichen Architektenschaft dem Gemeinderat ein geeignetes stufenweises Verfahren vor.
„Unabhängig vom Ergebnis der denkmalschutzrechtlichen Prüfung eines notwendigen Erhalts oder möglichen Abbruchs des Gebäudeensembles stellt sich für uns die Frage nach der städtebaulichen Zukunft an dieser zentralen Karlsruher Innenstadtlage“, so Baubürgermeister Daniel Fluhrer. „Daher schlagen wir dem Gemeinderat vor, mit verschiedenen Partnern in ein dialogisches, kooperatives und kreatives städtebauliches Ideenverfahren einzusteigen“, so Fluhrer weiter, „bei dem wir alle kritischen und komplexen Fragestellungen transparent aufarbeiten und mit unserer Bürgerschaft diskutieren, um die besten Lösungen für Karlsruhe zu erzielen.“
Gebäude seit 1997 in Besitz des Landkreises
Das Gebäudeensemble der Südwestecke des Ettlinger Tors an der Beiertheimer Allee steht insgesamt unter Denkmalschutz (§ 2 DSchG). Dieses besteht aus den Baukörpern „Hochhaus“, „Lang- und Zwischenbau“ sowie dem „Kasinogebäude“ und einer Tiefgarage. Seit dem Jahr 1997 ist es im Besitz des Landkreises Karlsruhe und wird vom Karlsruher Landratsamt genutzt.
Die Gebäude des Landratsamtes, insbesondere das Hochhaus, weisen nach Feststellungen des Landratsamts einen sehr hohen Sanierungsbedarf auf. Auf Basis erster gutachterlicher Untersuchungen des Landkreises Karlsruhe war festzustellen, dass es wohl zu raumgreifenden Sanierungsmaßnahmen bis auf die tragende Rohbaukonstruktion kommen muss. Durch den damit verbundenen nahezu kompletten Verlust an denkmalbegründender Substanz wäre der Denkmalschutz des Gesamtensembles wohl nicht aufrecht zu erhalten, auch nicht bei einer tatsächlichen Sanierung. Ungeachtet dieser zunächst vorläufigen Einschätzung der Landesdenkmalpflege ist der Nachweis der Unzumutbarkeit der Erhaltung des gesamten Baudenkmals im Rahmen des baurechtlichen Sanierungs- und Abbruchgenehmigungsverfahrens durch das Landratsamt zu erbringen. Nur bei Anerkennung des Nachweises der Erforderlichkeit des Eingriffs kann die Denkmalschutzbehörde die notwendige Zustimmung im baurechtlichen Genehmigungsverfahren erteilen.
Die Frage der Zustimmungsfähigkeit für den Abriss des Gesamtensembles lässt das Karlsruher Landratsamt gerade in einem denkmalrechtlicher Verfahren bei der Stadt Karlsruhe als untere Denkmalschutzbehörde prüfen. Die Prüfung und Bewertung des Antrages in Abstimmung mit der Landesdenkmalpflege läuft aktuell. Eine erste Tendenz ist aufgrund der komplexen Fragestellung und ihrer Bedeutung noch nicht erkennbar und die Entscheidung der Denkmalschutzbehörde steht noch aus.
Zweistufiges Vorgehen oder Wettbewerbe
Unabhängig vom Ergebnis der denkmalschutzrechtlichen Prüfung soll die bisher ungeklärte städtebauliche Perspektive des Areals des Landratsamtes und der benachbarten östlichen städtischen Flächen dieses zentralen Bereiches von Karlsruhe in einem gemeinsamen Verfahren geklärt werden. Dazu soll in einem zweistufigen Vorgehen vor einem oder mehreren architektonischen Wettbewerben zunächst die städtebauliche Gesamtsituation in Form einer möglichen Kubatur und denkbarer Nutzungen beraten und diskutiert werden. Um dies transparent und ergebnisoffen erarbeiten zu können, schlägt die Stadt ein besonderes, diskursives, städtebauliches Gutachterverfahren vor, bei dem ausgewählte, internationale und nationale Büros zusammen in einem nichtanonymen offenen Verfahren in mehreren Workshops verschiedene Fragestellungen diskutieren, beraten und weiterentwickeln. „Aufgrund der besonderen Situation in zentraler Lage in Karlsruhe und ihrer Bedeutung für das Gesamtbild der Stadt möchten wir den Diskurs einerseits sowohl mit internationalen Experten, andererseits mit möglichst allen örtlichen Kritiker- und Fachgruppen führen“, so Daniel Fluhrer, der weiter betont: „Aus diesem Grund haben wir zusammen und in Abstimmung mit dem Landkreis und Vertretern der Architektenkammer sowie des Bundes Deutscher Architekten Karlsruhe ein Verfahren entwickelt, das so wohl einzigartig ist. Am Ende zählt die beste Idee und das passende Konzept für Karlsruhe an dieser Stelle.“
Das Verfahren sieht vor, dass sich eine Arbeitsgruppe mit verschiedenen Fachexperten, Vertretern örtlicher Architekten und Planer, der Hochschulen, des Landkreises und des Gemeinderates sowie von bürgerschaftlichen Interessensgruppen zusammen mit internationalen Experten bei mehrmaligen Workshopterminen iterativ und diskursiv an den unterschiedlichen Lösungsansätzen für diesen Ort auseinander setzen. Am Ende soll vor einer finalen Entscheidung des Gemeinderates die Bürgerschaft in Form eines großen Stadtbauforums eingeladen werden, die Diskussionen, Positionen, Lösungsansätze und Ideen zusammen noch einmal zu reflektieren. Ziel soll sein, die notwendige stadtgesellschaftliche Debatte der Zukunft dieses Areals möglichst im Vorfeld weiterer Planungen im Sommer 2020 zu orchestrieren, um Planungssicherheit für weitergehende Verfahren – wie Bebauungsplan und weiterer architektonischer Wettbewerbe – zu Sanierung, Erweiterung oder Neubau zu erhalten.
Zum Hintergrund:
Das Ettlinger Tor erlebt im Rahmen der Umsetzung der Karlsruher Kombilösung und der stetigen Entwicklung der Karlsruher Innenstadt eine Reihe von markanten Veränderungen. Nach Fertigstellung der Kombilösung, die in zwei bis drei Jahren zu erwarten ist, erfolgt eine Erhöhung der städtebaulichen Qualität des Straßenraums am Ettlinger Tor.
Der erste Baustein zur baulichen Weiterentwicklung der City Richtung Süden war die Einrichtung eines Einkaufcenters in der Nordwestecke des Areals. Dieses ist nach wie vor ein großer Anziehungspunkt der Karlsruher Innenstadt und wird in dieser Funktion nach Abschluss der Baumaßnahmen seine ursprüngliche Strahlkraft zurückerhalten. In den nächsten Jahren wird in der Nordostecke auf dem Areal des jetzigen Postscheckamts eine Neubebauung verbunden mit den neuen Nutzungen eine Aufwertung der städtebaulichen und architektonischen Ausformung erzeugen.
Der kommende Wettbewerb für die Sanierung und Erweiterung des Badischen Staatstheaters auf der Südostecke definiert diese ebenso neu und schafft auch hier klarere städtebauliche Strukturen. Für die Neugestaltung des Theatervorplatzes soll zeitnah ein Wettbewerb durch das Land ausgelobt werden. Eine aktuelle städtebauliche und architektonische Entwicklungsperspektive der Südwestecke, auf der sich auch das Gebäudeensemble des Landratsamtes befindet (mit Grundstücken der Stadt und des Landkreises, ca. 18.000 m²), existiert zum jetzigen Zeitpunkt nicht und wird nun konkreter gefasst werden.
Der Landkreis hat im Vorfeld eine Studie über einen möglichen Neubau auf dem Grundstück in Auftrag gegeben und ist zu dem Schluss gekommen, dass ein Abriss des bestehenden Hochhauses und die Realisierung eines Neubaus mit mindestens 24.500 m² BGF auf dem Grundstück eine sinnvolle Alternative darstellt. Die Mehrfachbeauftragung ist als nicht anonymes Verfahren angelegt und die Bearbeitung soll – nach Abschluss des denkmalrechtlichen Verfahrens – in Form einer kooperativen Werkstatt erfolgen, bei dem die Teilnehmer in drei bis vier Terminen in einen Diskurs miteinander und mit einem Begleitgremium eintreten.
In den dazwischen liegenden Arbeitsphasen überdenken die Teilnehmer die Anregungen und lassen diese in die Bearbeitung ihrer Entwürfe einfließen. Das Begleitgremium wird aus Vertretern des Landkreises, der Stadt Karlsruhe und des Gemeinderats sowie externen Fachleuten und Vertretern bürgerschaftlicher Gruppierungen bestehen. Am Ende der Werkstatt soll das Begleitgremium eine Empfehlung aussprechen, welcher Ansatz die bestmögliche Lösung der Aufgabe erwarten lässt und Grundlage für einen Bebauungsplan und das folgende Vergabeverfahren (inkl. Architekturwettbewerb) bilden soll.
Das beschriebene Verfahren wurde mit der Architektenkammer Baden-Württemberg (Kammergruppe Karlsruhe Stadt und Kammerbezirk Karlsruhe) und dem Bund Deutscher Architekten Karlsruhe abgestimmt und findet deren grundsätzliche Zustimmung. Derzeit erfolgen Gespräche über den Teilnehmerkreis der Mehrfachbeauftragung sowie die Besetzung des Begleitgremiums. Die Grundlagen und Rahmenbedingungen der Aufgabenstellung der Mehrfachbeauftragung, das Werkstattverfahren sowie die zeitliche Einordnung der einzelnen Schritte wurden mit dem Planungsausschuss besprochen.
Die Zeit bis zur Entscheidung über den denkmalrechtlichen Antrag wird dazu verwendet, das Prozessdesign zu finalisieren und die Aufgabenstellung zu konkretisieren. Nach Besetzung der neuen gemeinderätlichen Gremien soll das Ergebnis im Herbst im Planungsausschuss vorberaten und im Gemeinderat der Start des Werkstattverfahrens beschlossen werden.