Zwölf Raumfahrtagenturen, darunter auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), haben am 20. August 2013 die zweite Version eines globalen Explorations-Fahrplans (Global Exploration Roadmap) veröffentlicht. Eine Expertengruppe, die "International Space Exploration Coordination Group" (ISECG), erarbeitet darin gemeinsame Ziele für künftige robotische und astronautische Missionen zum Mond, zu erdnahen Asteroiden und zum Mars.
Dr. Jürgen Hill, Leiter der Fachgruppe Exploration im DLR Raumfahrtmanagement, vertritt das DLR in der ISECG und beantwortet die wichtigsten Fragen zur Roadmap.
Was ist die Global Exploration Roadmap?
Die Global Exploration Roadmap ist eine Art Fahrplan für die bemannte und robotische Erkundung des Weltraums bis 2035. Nach der ersten Veröffentlichung 2011 stellt die neue Version auf 50 Seiten zum ersten Mal ein international koordiniertes Szenario dar. Zwölf Raumfahrtagenturen, darunter das DLR, die europäische Weltraumorganisation ESA, die US-Raumfahrtbehörde NASA, die russische Raumfahrtagentur Roskosmos und die japanische JAXA, haben sich auf gemeinsame wissenschaftliche Ziele zur Erkundung von Mond, Mars und Asteroiden, die notwendigen Fahrzeuge, Wohnmodule und weitere Infrastrukturen sowie über konkrete Vorbereitungen im All und auf der Erde verständigt. Die Roadmap ist damit eine wesentliche Grundlage für Konzepte und Partnerschaften bei der Vorbereitung und Umsetzung der Missionen.
Um welche Szenarien geht es?
Die Roadmap stellt ein machbares Szenario für die Exploration vor. Dieses beginnt mit der Internationalen Raumstation ISS und erweitert schrittweise die Fähigkeiten der astronautischen Raumfahrt mit dem Ziel einer bemannten Marsmission. Die ISS bietet als Forschungs- und Technologieplattform einzigartige Möglichkeiten, um robotische und bemannte Missionen vorzubereiten. Robotische Missionen zu Asteroiden, Mond und Mars werden durch ihre wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnisse künftige astronautische Missionen sicherer machen. Bis 2025 soll sich die astronautische Raumfahrt auf den Raum zwischen Erde und Mond ausdehnen: der Fokus liegt auf erdnahen Asteroiden, auf mehrwöchigen bis mehrmonatigen Aufenthalten von Astronauten im All jenseits des Erdorbits und darauf, die Mondoberfläche über einen längeren Zeitraum genauer zu erforschen. Dazu benötigen wir beispielsweise spezifische Energieversorgungssysteme, insbesondere, wenn längere Nachtzeiten ohne die Energie der Sonne überbrückt werden müssen. Den Mars werden mittelfristig robotische Missionen weiter erkunden: Im Rahmen des ExoMars-Programms der ESA sollen 2016 und 2018 in zwei Missionen ein Orbiter und ein Rover zum Roten Planeten geschickt werden. Das DLR ist auch an der Landemission InSight der NASA beteiligt, die 2016 zum Mars starten soll.
Außerdem werden die Entwicklungsarbeiten der Agenturen durch die Arbeit für die Roadmap zusammengeführt und analysiert. Zum einen, um sicherzustellen, dass wichtige neue Technologien rechtzeitig zur Verfügung stehen, zum anderen, um sinnvolle Partnerschaften zu identifizieren und Doppelarbeiten zu vermeiden. Darüber hinaus dienen sogenannte Analogmissionen auf der Erde dazu, technische Systeme und operationelle Konzepte für den Einsatz im All unter vergleichbaren Umweltbedingungen zu prüfen. So testen im Projekt AMASE (Arctic Mars Analogue Svalbard Expedition) Wissenschaftler des DLR und anderer Agenturen Instrumente, Rover und Raumanzüge in der marsähnlichen arktischen Umgebung auf Spitzbergen.
Welche Rolle spielt das DLR?
Das DLR ist seit der Gründung des Expertengremiums im Jahre 2008 in die ISECG eingebunden. Wir können damit auf Augenhöhe mit unseren internationalen Partnern über künftige Missionen und Prioritäten sprechen. Die Diskussion liefert uns wichtige Informationen für die programmatische Planung in Deutschland und Europa. Wir erhalten einen tiefen Einblick in aktuelle Arbeiten und Pläne anderer Agenturen. Zugleich stellen wir unsere eigene Expertise und technologischen Möglichkeiten auf den Prüfstand. Einrichtungen des DLR wie das im Juli 2013 eröffnete Forschungslabor :envihab in Köln oder die planetare Rover-Testanlage in Oberpfaffenhofen können hier wichtige Beiträge liefern. In der Rover-Testanlage wurde zum Beispiel zuletzt ein Prototyp des Marsrovers der europäischen ExoMars-Mission getestet, um zu kontrollieren, dass er die sandigen Böden und Oberflächenhindernisse auf dem Mars bewältigen kann.
Welchen Nutzen hat die Roadmap für die Menschen auf der Erde?
Die Exploration des Weltraums erweitert die Einflusssphäre des Menschen über den Erdorbit hinaus und will dabei fundamentale Fragen beantworten: Woher kommen wir? Gibt es Leben außerhalb der Erde? Wie kann menschliches Leben außerhalb unseres blauen Planeten aussehen? Darüber hinaus stellt uns die Exploration vor Herausforderungen, die wiederum Basis sind für innovative Technologien auf der Erde. Wir lernen zum Beispiel die begrenzten Ressourcen einer bemannten Raumfahrtmission wie Luft- und Wasserkreisläufe oder die Energieversorgung zu verstehen und zu managen. Dieses Wissen können wir auf der Erde in erneuerbare Energien und Recyclingprozesse einfließen lassen. Oder wir untersuchen Gemeinsamkeiten zwischen robotischen Mondmissionen und der Tiefseeforschung. Nicht zuletzt bilden wir durch die Kooperationen in der Roadmap internationale Partnerschaften. In diese bringen wir die Kenntnisse und Erfahrungen des DLR sowie der deutschen Forschung und Industrie ein.