Mainz – Nach dem Ergebnis der Ermittlungen ist der Brand in der Rheingoldhalle am 16.05.2019 wahrscheinlich durch Funkenflug in Folge von Schweißarbeiten ausgelöst worden.
Danach ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Rheingoldhalle wurde in den 1960er Jahren errichtet. Zum statischen Ausgleich wurden damals im Bereich des Dachaufbaus Fugen zwischen den tragenden Betonwänden belassen. Diese Fugen wurden mit einer vermutlich aus brennbarem Material bestehenden Masse gefüllt und mit einem dem verwendeten Beton ähnlich sehenden Material verkleidet. Die Verwendung dieser brennbaren Fugenmasse wäre nach dem heutigen Stand der Bauvorschriften nicht mehr zulässig. Nach Auffassung des von der Staatsanwaltschaft beauftragten Bausachverständigen ist zumindest zweifelhaft, ob die Verwendung des brennbaren Materials bei Errichtung der Halle zulässig war.
Im Inneren der Rheingoldhalle befand sich unterhalb der Decke eine Stahlträgerkonstruktion mit Laufschiene, auf der ein etwa 70 Tonnen schwerer Lastkran fahren konnte. Ein Abbruchunternehmen hatte den Auftrag, diese Stahlträgerkonstruktion zu entfernen. Hierzu mussten Arbeiten mit einem Schweißbrenner vorgenommen werden, um die Stahlträger von der Wand zu entfernen und in transportierbare Stücke zu schneiden. Am 13. Mai 2019 hantierte in der Nähe der Stelle, an der nach den Feststellungen eines von der Staatsanwaltschaft beauftragten Brandsachverständigen der Brandherd auszumachen war, ein Mitarbeiter dieser Firma mit einem Schweißbrenner.
Nach Auffassung der Brandsachverständigen haben Funken des verwendeten Schweißbrenngerätes durch Löcher in der Verkleidung einer Fuge das wohl aus einer Art Holzwolle bestehende Fugenmaterial zum Glimmen gebracht. Die Glut habe sich sodann im Laufe der nächsten Tage langsam durch das Material nach oben gefressen und, als sie mit mehr Sauerstoff in Berührung kam, dann am 16. Mai 2019 das Feuer an der hölzernen Dachkonstruktion entfacht.
Ein hinreichender Tatverdacht der fahrlässigen Brandstiftung lässt sich indes weder im Hinblick auf den Abbruchunternehmer noch auf den die Schweißarbeiten ausführenden Arbeiter begründen.
Der für eine Anklageerhebung erforderliche hinreichende Tatverdacht besteht nach § 170 der Strafprozessordnung nur dann, wenn nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung von Beschuldigten im Rahmen einer späteren Hauptverhandlung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Diese Prognose kann vorliegend nicht getroffen werden, da ein sorgfaltswidriges Tun oder Unterlassen nicht mit der zur Anklageerhebung notwendigen Sicherheit festzustellen ist.
Pflichtwidrig im Sinne einer fahrlässigen Tatbestandsverwirklichung handelt, wer objektiv gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt, die gerade dem Schutz des beeinträchtigten Rechtsguts dient und zu einer Rechtsgutverletzung führt, die der Täter nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten hätte vermeiden können. Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt bestimmen sich nach den Anforderungen, die bei objektiver Betrachtung einer Gefahrenlage ex ante an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind.
Nach diesen Maßstäben ist zunächst bei dem Abbruchunternehmer keine Sorgfaltspflichtverletzung festzustellen. Bei schweißtechnischen Arbeiten außerhalb dafür eingerichteter Werkstätten muss zwar immer mit dem Vorhandensein von Bereichen mit Brand- und Explosionsgefahr gerechnet werden, so dass das Umfeld der Schweißarbeiten auf Brandgefahren abzuklären und nach Schweißarbeiten eine Brandwache abzuhalten ist. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sind dem Abbruchunternehmer insoweit keine Versäumnisse vorzuwerfen. Vielmehr bekundeten der beschuldigte Schweißer und auch der Bauleiter der Firma, dass die Arbeiter entsprechend aufgeklärt wurden. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf gegenüber dem die Aufsichtspflicht führenden Bauunternehmer ist somit nicht zu erheben, da ein schuldhafter, für das Brandgeschehen kausaler Verstoß gegen seine Instruktions- und Belehrungspflichten nicht festzustellen ist.
Aber auch dem Schweißarbeiter ist ein vorwerfbares sorgfaltswidriges Tun oder Unterlassen nicht nachzuweisen. Der Beschuldigte gab an, das Umfeld der Schweißarbeiten in Augenschein genommen zu haben. Ihm sei nicht aufgefallen, dass sich flammbares Material in der Fuge befunden habe. Er habe die Ecke vielmehr für eine geschlossene Betonecke gehalten. Auch bei einer Nachschau am Tag nach den Schweißarbeiten sei ihm in der Ecke nichts Besonderes aufgefallen. Auch anderen Zeugen fiel nicht auf, dass sich brennbares Material in der Nähe der Schweißstelle befand.
Diese Bekundungen stehen zudem im Einklang mit den Einschätzungen des Bausachverständigen sowie den Feststellungen der Polizei bei Inaugenscheinnahme des Brandausbruchsortes.
Zugunsten der Beschuldigten ist damit davon auszugehen, dass augenscheinlich nicht zu erkennen war, dass sich hinter dem Putz brennbares Material befand und sich dies ihnen angesichts der unüblichen und nach heutigen Standards unzulässigen Verfugung auch nicht aufdrängen musste. Da das Glimmen der Holzwolle auch einen Tag nach den Schweißarbeiten höchstwahrscheinlich noch nicht bemerkbar war, ist auch unter dem Gesichtspunkt der Brandwache nach den Arbeiten kein sorgfaltswidriges Verhalten anzunehmen.
Im Hinblick auf eventuelle bauliche Mängel und einer fehlerhaften Verfugung von Lücken mit brennbarem Material bei der Errichtung der Rheingoldhalle ist bereits Strafverfolgungsverjährung und damit ein Prozesshindernis eingetreten, so dass weitere Ermittlungen hierzu nicht möglich sind.