Koblenz – Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz hat mit Beschlüssen vom 29. und 30. April 2020 zwei Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich gegen die seit dem 27. April 2020 in Rheinland-Pfalz in bestimmten Fällen geltende Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes richten. In beiden Fällen sei der Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt, da die Beschwerdeführer zunächst um fachgerichtlichen Rechtsschutz hätten nachsuchen müssen.
Nach der Vierten Corona-Bekämpfungsverordnung in der ab dem 27. April 2020 geltenden Fassung besteht in Rheinland-Pfalz für Kunden und Besucher bestimmter Einrichtungen, unter anderem von Einzelhandelsbetrieben, sowie für Nutzer von Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs die Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Von dieser Verpflichtung sind bestimme Personengruppen ausgenommen. Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen die vorgenannten Pflichten verstößt, handelt ordnungswidrig. Die Verordnung tritt mit Ablauf des 6. Mai 2020 außer Kraft.
Die Beschwerdeführerin im Verfahren VGH B 25/20, eine fraktionslose Abgeordnete des Landtags Rheinland-Pfalz, rügt eine Verletzung der Kompetenzen des Landtags; zudem sieht sie sich in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt. Bei den Beschwerdeführern im Verfahren VGH B 26/20, das mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden wurde, handelt es sich unter anderem um einen Schüler und seine Mutter. Sie machen ebenfalls eine Verletzung ihres Rechtes auf körperliche Unversehrtheit geltend und sehen sich zusätzlich in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Dies gelte auch, soweit in dem Hygieneplan-Corona für die Schulen in Rheinland-Pfalz Regelungen zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes enthalten seien.
Die Verfassungsbeschwerden hatten keinen Erfolg; damit hat sich zugleich der im Verfahren VGH A 27/20 gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.
Die Verfassungsbeschwerden seien zum Teil schon nicht ordnungsgemäß begründet worden. Jedenfalls würden sie aber nicht den Anforderungen des verfassungsprozessualen Subsidiaritätsgrundsatzes gerecht. Danach habe ein Beschwerdeführer zunächst alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverstöße schon im fachgerichtlichen Verfahren zu erwirken. Ausnahmen von diesem Gebot bestünden nur dann, wenn eine vorherige Klärung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht entbehrlich sei; zudem dürfe der Betroffene nicht darauf verwiesen werden, zunächst gegen eine bußgeldbewehrte Rechtsnorm zu verstoßen.
In beiden Verfahren bestehe die Möglichkeit, zunächst – und regelmäßig auch sehr zeitnah – (einstweiligen) Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu suchen. Den Beschwerdeführern stehe hierfür die negative Feststellungsklage nach § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung zur Verfügung, zudem bestehe die Möglichkeit, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu stellen. Mit Blick auf die zur Verbreitung bzw. Eindämmung des sog. Coronavirus verfügbaren wissenschaftlichen Bewertungen und Risikoeinschätzungen bestehe jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht Bedarf an einer fachgerichtlichen Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen vor einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs. Zugleich werde durch die Beachtung des Subsidiaritätsgebots sichergestellt, dass die in der Verfassung angelegte Kompetenzverteilung zwischen der Verfassungsgerichtsbarkeit und den Fachgerichten gewahrt bleibe.