Mannheim – Als erste geschlossen, als letzte wieder geöffnet – auch wenn jetzt schon vielerorts über diverse Lockerungen gesprochen wird, ist eine Öffnung für Clubs und Livekonzerte noch lange nicht absehbar. Denn diese Einrichtungen existieren zu einem einzigen Zweck: Menschen zusammenzubringen. Und in einer Pandemie dürfen Menschen nicht zusammenkommen.
Selbst eine Durchführung von Konzerten oder Clubnächten in Musikspielstätten mit einer Kapazität kleiner als 1.000 m² wäre bei Einhaltung der aktuellen Vorgaben der Länder und des Bundes wirtschaftlich nicht tragfähig. Wenn in Zukunft wesentlich weniger Personen in die Locations gehen dürfen, wäre die maximale Auslastung bei ca. 20%. Damit können die Kosten nicht aus den Einnahmen der Tickets und Getränken gedeckt werden, denn die Preise können nicht derart erhöht werden. Unabhängig davon, dass sich niemand eine solche Konzertsituation oder Clubnacht vorstellen mag.
Denn: Tanzen, Schwitzen, tropfender Schweiß von der Decke. Ein guter Abend im Club ist nichts anderes als intendierte Tröpfcheninfektion und damit der natürliche Feind einer zielführenden Pandemie-Bekämpfung.
Clubs sind kollaborativ gestaltete Räume konkreter Körperlichkeit, die im Rahmen von Veranstaltungen mit musikalischen Programmen bespielt werden. Der sozio-kulturelle Habitus, das gemeinsame Tanzen und Feiern sowie die Kommunikation in diesen geschlossenen Räumen würden bei Einhaltung der behördlichen Verordnungen fehlen und der Veranstaltungen damit den Reiz nehmen. Auch Konzerte leben von Nähe und dem gemeinsamen Erleben des Bühnengeschehens. Außerdem ist das Spielen eines Konzertes oder einer Show mit Abstandsregeln für Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne kaum durchführbar.
„Gerade wir Livemusik Locations in privater Trägerschaft werden noch besonders lange und intensiv unter den Auswirkungen der Corona-Krise zu leiden haben.
Um die aktuelle Situation zu überstehen, benötigen wir deshalb neben einer zweiten Soforthilfe auch bereits jetzt eine Diskussion möglicher Änderungen der Rahmenbedingungen für die nähere Zukunft, um unsere Chancen auf einen sinnvollen Weiterbetrieb einschätzen zu können.“
„Wir sind Kulturbetriebe, die aufgrund der minimalen Umsatzrendite keine Rücklagen erwirtschaften konnten. Trotzdem wollen wir unsere gesellschaftliche Aufgabe, Livekultur bereitzustellen, die wir bereits seit Jahrzehnten erfüllen, auch weiterhin übernehmen, denn niemand will sich eine Welt ohne Konzerte vorstellen.
Deshalb wollen wir neben dem Empfang von Soforthilfen auch selbst Verantwortung übernehmen und durch Kredite und andere Maßnahmen unsere Existenz sichern. Für unseren Weiterbetrieb, für den auch noch über Jahre hinweg Umsatzeinbrüche UND höhere Kosten zu erwarten sind, benötigen wir jedoch bereits jetzt geänderte Rahmenbedingungen, um beispielsweise das Risiko für die Rückzahlung in Anspruch genommener Kredite oder anderer Verantwortungen eingehen zu können.“
Capitol Geschäftsführer Thorsten Riehle bringt es auf den Punkt:
“Die derzeitige Diskussion zu möglichen Öffnungen lässt völlig außer Acht, dass private Veranstaltungshäuser Wirtschaftsunternehmen sind, die durch erzielte Umsätze Ausgaben wie Gagen, Gehälter, Dienstleister, Werbung, Unterhalts- und Investitionskosten ohne nennenswerte Zuschüsse tragen müssen. Deshalb wird es unmöglich sein, Veranstaltungen mit Abstandsregeln durchzuführen und auf dringend benötigte zusätzliche Einnahmen wie den Verkauf von Getränken zu verzichten. Die gesamte Kulturlandschaft, wie wir sie bislang kennen, ist in Gefahr. Auch wenn sich die Einrichtungen jetzt über Wasser halten können, ist ohne eine ausreichende Perspektive ab dem Herbst vom Sterben vieler Veranstaltungsorte auszugehen. Das ist keine Warnung oder der Aufbau einer Drohkulisse, das ist Realität. Ohne finanzielle Hilfe wird kein privat geführter Club überleben. Deshalb muss jetzt gehandelt werden, unverzüglich und mit einem ausreichenden Rettungspaket.”
Deshalb appellieren die Liveclubs an die Politik, Perspektiven für einen Weiterbetrieb zu schaffen!
Die Probleme:
- Absehbare Zahlungsunfähigkeit
Der Liquiditätsbedarf ist durch die lange Zeitspanne des Veranstaltungsverbotes so hoch, dass Banken in vielen Fällen nicht gewillt sind, notwendige Obligos einzugehen, da der Zeitpunkt der Rückkehr zum Geschäftsmodell ungewiss ist. Vor allem mittelgroße Unternehmen (50+ Mitarbeiter) erhalten entweder keine weiteren Kredite oder müssen außergewöhnlich viel Eigenkapital und Sicherheiten stellen. - Überschuldung
Eine bilanzielle Überschuldung ist unter aktuellen Möglichkeiten nicht abwendbar. Die Unternehmen verlieren pro Monat einen durchschnittlichen Jahresertrag. Die Ertragskraft ist nicht ausreichend, um Fremdkapital in gebotener Zeit zurückzuführen. Eigenkapital ist nicht ausreichend vorhanden und die Verschuldungsquote wäre tendenziell zu hoch. - Fixkostenbelastung
Trotz aller verfügbaren Maßnahmen verbleibt eine Sockelbelastung durch Fixkosten, die nicht eingespart werden können. Je länger der Lockdown, desto unlösbarer wird der Liquiditätsbedarf. So können wir über längere Zeiträume Mietzahlungen weder einstellen noch stunden. Zumal meist nicht unerheblich hohe Nebenkosten weiterhin zu zahlen sind. Eine erhöhte Wirtschaftlichkeit nach Wiedereröffnung, die notwendig wäre, um gestundete Beträge, Tilgungen und Zinsen zu bedienen, ist wenig realistisch. Auch während der Schließung sind Kosten für technische Wartungen und Prüfungen (wie aufgrund der Versammlungsstätten- und PrüfVO der Länder turnusgemäß erforderliche, wiederkehrende Prüfungen für technische Einrichtungen, elektrische Anlagen etc.) aufzuwenden, Personal fortzubilden (z.B. Schulungen im Bereich Erste Hilfe und Brandschutz) oder Schädlinge zu bekämpfen.
„Unsere Forderungen an die Politik“
Wir brauchen schnellstmöglich verlässliche Vorgaben, um zukünftige Risiken besser einschätzen zu können und schließen uns hier den Forderungen einiger Veranstaltungsverbände an:
- Umgestaltung der Kreditprogramme
Kreditprogramme müssen so gestaltet sein, dass sie ohne Bedingungen und vollständig abgesichert mit deutlich längeren Laufzeiten und längerer anfänglicher Tilgungsaussetzung möglich sind. Zudem bedarf es an Möglichkeiten für einen späteren Teilerlass der Kredite. Auch die Sofortkredite sind teilweise noch nicht ausreichend ausgestaltet. Private Rücklagen oder Rücklagen, die in Unternehmen zur Altersvorsorge gebildet wurden, dürfe nicht verloren gehen. - Sicherung der Liquidität / Vermeidung der Bilanzüberschuldung
Ein mehrjähriger (befristeter) Verlustrücktrag sollte sicherstellen, dass Unternehmen gerettet werden können, die in der Vergangenheit erfolgreich gewirtschaftet und regelmäßig Steuern gezahlt haben. - Fixkostenzuschuss durch einen weiteren Nothilfefond
Betroffene Unternehmen sollen 2% des durchschnittlichen Jahresumsatzes aus dem Jahr 2019 (vorläufiger Jahresabschluss oder BWA 2019) ab dem 4. Monat des Veranstaltungsverbotes monatlich bis zur Wiederaufnahme des Normalbetriebes als Zuschuss erhalten. Dies wäre einfach und unbürokratisch zu überprüfen und entspricht in der Regel der branchenüblichen Höhe der Fixkosten. - Anpassung der Bedingungen für Kurzarbeit
Die Unternehmen sind unverschuldet in diese Krise geraten und nutzen Kurzarbeit, um den Liquiditätsabfluss zu reduzieren. Mitarbeiter müssen trotzdem arbeiten, um wichtige Innovationsprojekte, Umweltprojekte, Prozessoptimierungen und Projekt-Planungsleistungen anstoßen zu können. Damit wird die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen gesichert. Spielstätten und Clubs erzielen ihre Attraktivität durch das Engagement von Künstlern, deren Engagement meist eine Vorlaufzeit von 3 bis 6 Monaten hat. Dieser Aufwand, der nicht durch das Kurzarbeitergeld gedeckt ist, sondern von den Unternehmen selbst gezahlt wird, muss ausgeglichen werden. - Ermäßigter Mehrwertsteuersatz bspw. auf Getränke/Essen bei Konzerten
Wie die Konzerteintritte sollten die Einnahmen durch Getränke als Nebenleistungen und Partyveranstaltungen mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7% bedacht werden, um mit den verbleibenden Mehrumsätzen, beispielsweise in Anspruch genommene Kredite tilgen zu können. - Investitionszuschüsse für nachhaltige Investitionen
- Ausschluss von Tanzveranstaltungen bei der Vergnügungssteuer
Städte, die Tanzveranstaltungen mit einer Vergnügungssteuer belasten, sollten aus der Verordnung ausgenommen werden.
Wenn nichts passiert, müssten unter anderem folgende Clubs schließen:
die Unterzeichner:
halle02, Heidelberg
Im Wizemann, Stuttgart
Gloria, Köln
Club Bahnhof Ehrenfeld, Köln
Capitol, Mannheim
Kulturclub schon schön, Mainz
Posthalle, Würzburg
Kantine, Augsburg
Harry Klein, München
Hirsch, Nürnberg
Distillery, Leipzig
Löwensaal, Nürnberg
Die Rakete, Nürnberg
Columbiahalle, Berlin
NY.Club, München
Carlswerk Victoria, Köln
Docks & Prinzenbar, Hamburg
Pacha, München
Circus Maximus, Koblenz
Pier2, Bremen
Gruenspan, Hamburg
Berghain / Panorama Bar / Säule, Berlin
Batschkapp, Frankfurt
FZW, Dortmund
Live Music Hall, Köln
Helios37, Köln
Kulturfabrik, Krefeld
Fusion Club, Heaven & Conny Kramer, Münster
Aladin Music Hall, Bremen
Modernes, Bremen