VGH BW: Corona-Verordnung – Prostitutionsstätten bleiben geschlossen

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Mannheim – Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit zwei Beschlüssen vom 4. Juni 2020 Eilanträge gegen die Schließung von Prostitutionsstätten durch die Corona-Verordnung der Landesregierung (Antragsgegner) abgelehnt.

Die beiden Antragstellerinnen betreiben Prostitutionsstätten in Konstanz, Baden-Baden und Heidelberg. Sie wenden sich gegen die Schließung ihrer Betriebe durch die Corona-Verordnung. Ein absolutes Verbot von Bordellen, ohne eine Öffnung unter denselben Hygieneanforderungen wie z.B. für Piercing- und Tattoostudios zu ermöglichen, sei unzulässig. Sie hätten für ihr Unternehmen ein Schutz- und Hygienekonzept entwickelt. Dieses sehe unter anderem vor, dass Körpermassagen zwischen zwei Personen im selben Arbeitsraum unter Beachtung aller Hygienerichtlinien erbracht würden; der Abstand zwischen den beiden Personen betrage während der Sitzung weniger als 1,5 m; es finde ein eingeschränkter Körperkontakt in Form einer Körpermassage nur durch die Begleiterin statt; die Massage werde mit Einmal-Handschuhen ausgeführt; es finde kein sonstiger Sex statt; Kunden und die Sexbegleiterin müssten Mund-Nasen-Bedeckungen tragen.

Der 1. Senat des VGH hat die Anträge abgelehnt. Zur Begründung führt er aus:

Der Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerinnen ist gerechtfertigt. Nach wie vor bestünden Gefahren der schnellen Verbreitung des Coronavirus, wie die Ereignisse der letzten Wochen in Einrichtungen für Asylbewerber, bei religiösen Veranstaltungen und in fleischverarbeitenden Betrieben zeigten. Kontaktbeschränkungen – die bei sexuellen Massagen ebenso wie bei darüber hinaus gehenden sexuellen Kontakten nicht eingehalten werden könnten und die nach dem Konzept der Antragstellerinnen auch nicht eingehalten werden sollten („der Abstand…beträgt während der Sitzung weniger als 1,5 m“) – komme dabei eine wesentliche Bedeutung zu. Ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen vermindere das Risiko einer Übertragung des Coronavirus.

Zudem ziele die Ausübung der Prostitution, auch wenn sie sich auf sexuelle Massagen beschränken sollte, regelmäßig gerade auf das Herstellen eines engsten Körperkontakts, der zu einer deutlich gesteigerten Atemaktivität führe. Hierdurch entstünden erhöhte Infektionsrisiken. Denn durch die gesteigerte körperliche Aktivität und Atemfrequenz sei der verstärkte Ausstoß von möglicherweise infektiösen Aerosolen in geschlossenen Räumen konkret zu befürchten. Hinzu komme, dass in denselben Räumlichkeiten von denselben Prostituierten regelmäßig täglich mehrfach wechselnde Kunden bedient würden, was der Verbreitung einer Infektion in hohem Maße Vorschub leisten könne.

Die jüngsten Vorfälle der Infizierung großer Personengruppen zeigten zudem, dass in solchen Fällen die Rückverfolgung von Infektionsketten von hoher Bedeutung sei, um die Weiterverbreitung des Coronavirus einzudämmen. Zwar sehe das Schutz- und Hygienekonzept der Antragstellerinnen vor, dass die Kunden ihre Kontaktdaten im Unternehmen hinterlassen und diese dort vier Wochen lang verwahrt würden. Da zahlreiche Kunden von Prostitutionsbetrieben jedoch ihre Besuche dort verheimlichen wollten, erscheine es nicht realistisch, dass eine zuverlässige und lückenlose Rückverfolgung der Infektionsketten annähernd gelingen könne.

Aus allen diesen Gründen bestehe in Prostitutionsstätten ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko im Vergleich zu Tattoo-, Piercing-, Massage-, Kosmetik-, Sonnen-, Nagel- und Friseurstudios, die unter Hygiene- und Schutzauflagen wieder geöffnet sein dürfen.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar (Az. 1 S 1617/20, 1 S 1629/20).