Viernheim – Sind Wildpflanzen zur Produktion von Biogas geeignet? Können Fenchel, Rosenmalve, Eibisch und andere Sorten künftig Wohnungen heizen? Zu einem überaus interessanten Pressegespräch zum Thema „Wildpflanzen zu Biogas“ hatte Erster Stadtrat Jens Bolze eingeladen.
Treffpunkt war der Hof von Ortslandwirt Günther Wolk. Gekommen waren alle Kooperationspartner: Matthias Baaß (1. Vorsitzender „Kompass“), Günther Wolk (Ortslandwirt), Thomas Weidner (Landwirt), Michael Hoock (Landwirt), Margit Schneider (Kompass-Umweltberatung e.V.), Philipp Granzow (Brundtlandbeauftragter) und Reinhard Wirths (Energiebeauftrager).
Eine Möglichkeit, sich von fossilen Ressourcen etwas unabhängiger zu machen, ist die Nutzung von Biogas. Bislang werden die Anlagen meistens mit 1-jährigen Kulturpflanzen wie Mais, Raps oder Getreide gespeist, meistens jedoch mit Mais. Maisfelder sind aus wirtschaftlicher Sicht wohl lukrativ, führen aber vielerorts zu einem hohen Flächenanteil mit Monokulturen.
Energie aus Wildpflanzen bietet eine echte Alternative zum Maisanbau. Eine Erweiterung des Artenspektrums für den Energiepflanzenanbau hat positive Auswirkungen auf eine vielfältigere Landschaftsstruktur, das Landschaftsbild und die Wachstumsbedingungen auf der Ackerfläche. Zahlreichen Tier- und Insektenarten wird ein Lebensraum geboten.
Kompass-Umweltberatung und das städtische Brundtlandbüro haben das Projekt gemeinsam vorbereitet. Die drei Viernheimer Landwirte Günther Wolk, Thomas Weidner und Michael Hoock werden für die nächsten fünf Jahre auf ca. 10 ha Fläche eine Wildpflanzenmischung ausbringen, die die Viernheimer Landschaft bereichern wird. Die besondere Samenmixtur namens „BG 90“ setzt sich aus insgesamt 22 Wildpflanzensorten zusammen. Dazu zählen unter anderem Eibisch, Beifuß, Wegwarte, Fenchel, Steinklee, Königskerze und als Ansaathilfe Sojaschrot.
Ausgesät wird die Samenmischung auf Flächen entlang der Mannheimer Straße Richtung Käfertal gleich hinter der Autobahnbrücke rechts, in den Wiesen sowie Feldern in Richtung Weinheim und Heddesheim. Diese Flächen sind zu Fuß und per Fahrrad leicht anzusteuern, so dass interessierte Bürgerinnen und Bürger das Wachstum der Wildpflanzen bewusst mitverfolgen und sich an den wunderschönen Feldpflanzen erfreuen können. Landwirt Thomas Weidner freut sich heute schon auf die Blütenpracht und die einmaligen Düfte der Wildpflanzen. Die Aussaat erfolgt in diesen Tagen.
Geerntet wird einmal im Jahr. Die Umwandlung der Biomasse in Biogas erfolgt in einer Weinheimer Anlage. Profitieren von der auf natürlicher Basis gewonnenen Energie sollen Häuser in einem Neubaugebiet in Lützelsachsen. Diese sollen mit Wärme versorgt werden.
Die drei beteiligten Landwirte sind vom Erfolg dieses außergewöhnlichen Projektes überzeugt, zumal dieses genau den Anforderungen der europäischen Union an Vorrangflächen passt.
Auch für Bürgermeister Matthias Baaß (1. Vorsitzender des Vereins „Kompass“) sowie Philipp Granzow vom Brundtlandbüro ist diese Kooperation eine spannende Angelegenheit. Sie haben das Projekt ins Rollen gebracht, Kontakt mit den Landwirten aufgenommen und teilen sich auch die Kosten für das Saatgut.
Nach Auffassung von Erstem Stadrat Jens Bolze bieten die Wildpflanzenfelder eine echte Alternative zu dem in Kritik geratenen gezielten Anbau von Getreide zur Produktion von Bioenergien. Nicht zu vergessen der große Flächenbedarf.
„Durch diese Maßnahme will die Brundtlandstadt Viernheim den Anteil regenerativer Energien weiter steigern und die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen reduzieren. Das gelingt auf lokaler Ebene bereits durch Photovoltaik und Windenergie.“
Das Viernheimer Projekt ist auf fünf Jahre angelegt. In dieser Zeit können sich über 20 leistungsfähige Wildpflanzen optimal entwickeln. Die Felder müssen nicht gedüngt werden, was letztlich bedeutet: geringere Befahrung mit Landmaschinen, weniger Bodenverdichtung. Alle Beteiligten sind vom Erfolg dieses Kooperationsprojektes überzeugt.