Heidelberg – Am 1. Dezember 2014 ernannte die UNSECO die Stadt Heidelberg zur „City of Literature“. Vier Monate danach biegen nun die ersten Projekte auf die Zielgerade ein. Sie sollen den Heidelbergerinnen und Heidelbergern die literarische Tradition und Gegenwart ihrer Stadt näherbringen und die Netzwerkarbeit mit den weiteren Städten im weltweiten Verbund der Creative Cities ankurbeln.
„Ich bin sehr froh, dass wir und all unsere Partner mit dem Ende März verabschiedeten Doppelhaushalt nun Klarheit haben, welche Mittel uns zur Verfügung stehen. Wir haben viele Ideen, um das Label ,Literaturstadt‘ mit Leben zu füllen“, erklärt Bürgermeister Dr. Joachim Gerner.
Rückgrat der regionalen Arbeit ist die Vernetzung aller Akteure, die professionell mit Literatur befasst sind. „Das Kulturamt hat keine Intendantenrolle übernommen. Wir haben vielmehr eine sehr breit aufgestellte Literaturversammlung gegründet, in der sich Autoren, Übersetzer, Verleger, Buchhändler, Antiquare, Veranstalter, Bibliothekare, Lehrende der Universität, Vereine und Initiativen wiederfinden“, sagt Dr. Andrea Edel, Leiterin des Kulturamts. Die Versammlung hat sich erstmals im vergangenen Oktober getroffen. Noch vor der Sommerpause wird zum nächsten Treffen eingeladen. Fast alle Partner, die schon in der Bewerbungsphase aktiv waren, sind auch in der Literaturversammlung wieder präsent. „Mit Akteuren aus diesen Kreisen generieren wir in Arbeitsgruppen gemeinsam das Programm, das die „City of Literature“ sichtbar machen wird“, sagt Dr. Edel.
Das gemeinsame Selbstverständnis
In der mehrjährigen Bewerbungsphase haben alle Beteiligten für Heidelberg als „UNESCO City of Literature“ eine Vision entwickelt: Heidelberg soll als poetischer Raum und als Tor zur Welt mit den Mitteln der Literatur erfahrbar gemacht werden. Dabei wird Literatur verstanden als Prozess internationaler, nationaler und lokaler Vernetzung. „Es geht uns also nicht primär um ein ,Veranstaltungsfeuerwerk‘. Die Kernelemente literarischen Schaffens – das Schreiben, das Übersetzen, das Vermitteln, das Lesen – sollen vielmehr im Zusammenhang und in ihren Wechselwirkungen gesehen werden. Das wollen wir in Debatten, Produktionen und Projekten thematisieren. An diesen übergeordneten Zielsetzungen sind die ersten Vorhaben der neuen UNESCO Literaturstadt Heidelberg ausgerichtet. Sie setzen wesentliche Impulse der Bewerbung um“, erklärt Dr. Gerner.
Anstehende Termine und Projekte
Literarischer Stadtplan: Wo findet sich Literatur in Heidelberg? Auf einem literarischen Stadtplan werden die Buchhandlungen und Antiquariate verzeichnet sein. Das Faltblatt wurde vom Kulturamt und der Stabstelle Kultur- und Kreativwirtschaft beim Amt für Stadtentwicklung konzipiert. „Wir nehmen mit dem Buchmarkt ganz bewusst die wirtschaftliche Seite der Literaturstadt in den Blick“, sagt Dr. Edel. Das Buchgeschäft gehört zu den wichtigsten Teilmärkten in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Die jüngste Heidelberg-Studie zeigt, dass die Heidelbergerinnen und Heidelberger über alle Altersgruppen hinweg ihre Bücher mehrheitlich im lokalen Handel kaufen. Laut Unternehmensregister gibt es im Stadtkreis Heidelberg über 150 Betriebe mit fast 1000 Beschäftigten in diesem Bereich. Die Stadtverwaltung lädt daher auch zu Branchentreffen ein, um die Wünsche und Anliegen der Akteure aufzunehmen.
Heidelberger Forum Edition: Im Zentrum der zweisemestrigen öffentlichen Vortragsreihe der Universität Heidelberg, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg stehen die Editions- und Kommentierungsprojekte der drei Kooperationspartner. Das Spektrum der Vorträge reicht von der Edition antiker Papyri bis zur historisch-kritischen Franz-Kafka-Ausgabe und der Edition jüdischer Handschriften und Drucke. Die Vortragsreihe gliedert sich in das von der Stadt Heidelberg als UNESCO City of Literature geförderte Projekt ein. Eröffnet wird die Reihe am Dienstag, 21. April.
Poetik-Dozentur 2015: Am 9. Juni 2015 um 19 Uhr in der Alten Aula der Universität Heidelberg wird die diesjährige Poetik-Dozentur Heidelberg, ein Kooperationsprojekt der Universität und der Stadt Heidelberg, mit einer Laudatio des Poeten Lutz Seiler eröffnet.
Clemens Brentano-Literaturpreis: Am 30. Juni 2015 erhält die Autorin Saskia Henning von Lange für ihren 2014 erschienenen Roman „Zurück zum Feuer“ im Spiegelsaal im Prinz Carl den Clemens Brentano-Literaturpreis der Stadt Heidelberg.
Mit Übersetzern auf Tour: Anlässlich des internationalen Übersetzertags am 30. September laden die Heidelberger Literaturübersetzer einen Kollegin / eine Kollegin aus einer anderen „City of Literature“ ein. Bei einer öffentlichen Veranstaltung geht es dann um die Rolle des Übersetzers als literarische Person. Das Besondere: Austragungsstätten sollen herausragende Orte oder Räume sein, die die Idee des Übersetzens bereits in sich tragen – zum Beispiel ein Neckar-Fährschiff, die Bergbahn oder die Alte Brücke. Für das Jahr 2015 hat bereits die Prager Übersetzerin Vӗra Koubová zugesagt. Ergänzt wird das Programm um eine Lesung und eine Ausstellung im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) Heidelberg.
Vorlesetag: Am 20. November 2015 findet der bundesweite Vorlesetag statt – eine gemeinsame Veranstaltung von DIE ZEIT, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung. Das Kulturamt will möglichst viele Heidelberger Autoren dafür gewinnen, Heidelberger Texte in Schulen vorzulesen.
Osip Mandelstam-Symposium: Für den 15. Januar 2016 planen das Slavische Institut und das Germanistisches Seminar der Universität Heidelberg anlässlich des 125. Geburtstags des russischen Poeten, der in Heidelberg studiert und hier Gedichte geschrieben hat, die Veranstaltung eines Osip Mandelstam-Symposiums.
Weltkarte der Poesie: Die „Weltkarte der Poesie“ ist das Konzept einer Anthologie, die die Lyrik der UNESCO Literaturstädte mit Gedichten, poetischen Korrespondenzen und Kommentaren der Dichterinnen und Dichter dieser Städte in einem internationalen Gemeinschaftsprojekt abbildet. Alle Formen der Poesie sollen vertreten sein, um den interdisziplinären kulturellen Austausch zu fördern und spartenübergreifend Musik, Kunst, Film und andere Darstellungsformen miteinzubeziehen. Dieser Poesie-Diskurs soll sich auf einer eigens dafür geschaffenen Internet-Plattform entwickeln. Das Projekt ist ein Impuls aus dem Bewerbungsverfahren und befindet sich aktuell in der Kalkulationsphase. Initiator ist der Verlag „Das Wunderhorn“.
Creative Writing Network: Entstehen soll ein studentisches Netzwerk für Kreatives Schreiben in Kooperation mit den UNESCO Literaturstädten, zum Beispiel in der Form eines Kurzgeschichten-Wettbewerbs mit Theateraufführungen der Studierenden von teilnehmenden Universitäten der UNESCO Literaturstädte oder einer Publikation der verfassten Texte. Die Betreuung der Publikation würde zwischen den unterschiedlichen Universitäten rotieren. Das Projekt ist ebenfalls ein Impuls aus dem Bewerbungsverfahren und wird aktuell kalkuliert. Initiator ist das Anglistische Seminar der Universität Heidelberg.
Initiative für erstes Netzwerktreffen
Parallel zu den geplanten Projekten sollen auch enge Bande zu den anderen Städten im „Creative Cities“-Verbund weltweit geknüpft werden. „Das ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir wollen den Namen Heidelberg dort einbringen und Impulse setzen“, bekräftigt Dr. Gerner. Deshalb habe man Vertreter aller Literaturstädte zu einem Treffen in Heidelberg eingeladen. Angedacht sind ein Kennenlernen im Rahmen der Heidelberger Literaturtage vom 24. bis 28. Juni 2015 und ein Zusammentreffen mit den Mitgliedern der Literaturversammlung. „Wir haben bereits einige positive Rückmeldungen und hoffen, dass wir viele internationale Gäste begrüßen können“, sagt Dr. Gerner.
UNESCO City of Literature
Das UNESCO-Programm „Creative Cities“ vernetzt weltweit Städte, die Erfahrungen und Ideen in den Sparten Film, Musik, Design, Gastronomie, Medienkunst, Handwerk und Literatur austauschen. Seit 1. Dezember 2014 sind vier deutsche Städte Mitglied im UNESCO-Netzwerk: Berlin als City of Design, Hannover und Mannheim als Cities of Music und Heidelberg als City of Literature. Die Heidelberger Bewerbungsschrift hatte ein 15-köpfiges Expertenkomitee aus den Bereichen Kultur, Literaturvermittlung, Wissenschaft sowie Kultur- und Kreativwirtschaft auf Initiative von Bürgermeister Dr. Joachim Gerner zwei Jahre lang erarbeitet und im März 2014 eingereicht.
Weltweit gibt es nun elf UNESCO-Literaturstädte: Edinburgh, Iowa City, Melbourne, Dublin, Reykjavík, Norwich, Krakau, Heidelberg, Dunedin, Granada und Prag. Die Aufnahme im UNESCO Creative Cities Network ist als Auszeichnung und gleichzeitig als Auftrag zu verstehen. Gewünscht ist neben der Weiterentwicklung auf lokaler Ebene die projektbezogene interkontinentale Zusammenarbeit der Creative Cities. Das Netzwerk unterstützt Städte dabei, ihr kreatives Potenzial für die wirtschaftliche Entwicklung nutzbar zu machen. Mehr unter www.heidelberg.de/cityofliterature.