Wiesbaden: Weltweiter Schlag gegen die Organisierte Kriminalität über Kryptonetzwerke – Durchsuchungen in Hessen – FBI entwickelt spezielle Firma

+++ 800 Kriminelle in der bisher größten Strafverfolgungsaktion weltweit verhaftet +++ Spezielle Firma für Kryptogeräte entwickelt +++ 27 Millionen Nachrichten mitgelesen +++

Wiesbaden (ots) – Bundesweite Durchsuchungen und Festnahmen im Rahmen
international koordinierter Maßnahmen – Über 130 Durchsuchungen und mehr als 60 Festnahmen in Hessen Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) – und das
Bundeskriminalamt (BKA) sowie das Hessische Landeskriminalamt (HLKA) und das
Zollfahndungsamt Frankfurt am Main (ZFA) haben am gestrigen Montag im Rahmen
einer bundesweit und international konzertierten Aktion strafprozessuale
Maßnahmen gegen Personen und Personengruppen durchgeführt, die im Verdacht stehen, unter Nutzung von verschlüsselten Kommunikationsnetzwerken und
Endgeräten schwerste Straftaten im Bereich der Organisierten Kriminalität
begangen zu haben.

Alles beginnt mit dem FBI und den australischen Bundesbehörden

Ausgangspunkt der deutschlandweiten Maßnahmen ist ein Ermittlungskomplex der
Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der
Internetkriminalität (ZIT) – und des Bundeskriminalamts (BKA).

Gegenstand dieses Ermittlungskomplexes sind Informationen der US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden zu möglichen Straftaten von deutschen Nutzern, die im
Rahmen eines dort seit Oktober 2018 geführten Verfahrens erhoben und im Wege
eines internationalen Rechtshilfeverfahrens der ZIT seit Mai 2021 zur Verfügung
gestellt worden sind. Durch Europol wurde bereits Mitte März 2021 eine
sogenannte Operational Task Force (OTF) eingerichtet. Die OTF koordiniert das
internationale polizeiliche Vorgehen.

Die Beschuldigten stehen insbesondere im Verdacht, unerlaubt Handel mit
Betäubungsmitteln und Waffen unter Nutzung von verschlüsselten
Kommunikations-netzwerken (sogenannten Kryptonetzwerken) und Endgeräten
(sogenannten Kryptohandys) betrieben zu haben.

Die Firma „Anom“

Seit 2019 hat das US Federal Bureau of Investigation in enger Abstimmung mit der australischen Bundespolizei eine Firma für verschlüsselte Geräte namens ANOM strategisch entwickelt und verdeckt betrieben, die inzwischen mehr als 12.000 verschlüsselte Geräte an über 300 kriminelle Syndikate in mehr als 100 Ländern geliefert hat, darunter das italienische organisierte Verbrechen, gesetzlose Motorradbanden und internationale Drogenhandelsorganisationen.

Das Ziel

Das Ziel der neuen Plattform war es, Organisationen des globalen organisierten Verbrechens, des Drogenhandels und der Geldwäsche ins Visier zu nehmen, unabhängig davon, wo sie operieren, und ein verschlüsseltes Gerät mit Funktionen anzubieten, die von den Netzwerken des organisierten Verbrechens gewünscht werden, wie z. B. Remote Wipe und Zwangspasswörter, um die kriminellen Netzwerke dazu zu bewegen, sich auf das Gerät umzustellen.

Die Falle schnappt zu

Das FBI und die 16 anderen Länder der internationalen Koalition nutzten dann mit Unterstützung von Europol und in Abstimmung mit der US Drug Enforcement Administration die Erkenntnisse aus den 27 Millionen erhaltenen Nachrichten und überprüften diese über 18 Monate, während die kriminellen Nutzer von ANOM ihre kriminellen Aktivitäten diskutierten.

Diese Operation, bekannt als OTF Greenlight/Trojan Shield, ist eine der bisher größten und ausgefeiltesten Strafverfolgungsoperationen im Kampf gegen verschlüsselte kriminelle Aktivitäten.

Die ersten Verhaftungen und Durchsuchungen

In den vergangenen Tagen wurden in 16 Ländern eine Reihe groß angelegter Strafverfolgungsaktionen durchgeführt, die zu mehr als 700 Hausdurchsuchungen, mehr als 800 Verhaftungen und der Beschlagnahmung von über 8 Tonnen Kokain, 22 Tonnen Cannabis und Cannabisharz, 2 Tonnen synthetischer Drogen (Amphetamin und Methamphetamin), 6 Tonnen synthetischer Drogenausgangsstoffe, 250 Schusswaffen, 55 Luxusfahrzeugen und über 48 Millionen US-Dollar in verschiedenen weltweiten Währungen und Kryptowährungen führten.

Es geht weiter

Unzählige Nebenoperationen werden in den kommenden Wochen durchgeführt werden. Die Operation Trojan Shield/Greenlight wird Europol aufgrund der Qualität der gesammelten Informationen in die Lage versetzen, das Informationsbild über die organisierte Kriminalität in der EU weiter zu verbessern. Dieses verbesserte Informationsbild wird die fortgesetzten Bemühungen zur Identifizierung operativer, hochwertiger krimineller Ziele auf globaler Ebene unterstützen.

Die Behörden werden immer erfolgreicher

Kriminelle Netzwerke haben einen großen Bedarf an verschlüsselten Kommunikationsplattformen, um ihre kriminellen Aktivitäten zu erleichtern. Der Markt für verschlüsselte Plattformen gilt jedoch als volatil. Im Juli 2020 wurde die verschlüsselte Plattform EncroChat von der Operational Taskforce EMMA (Frankreich, Niederlande) zerschlagen. Diese internationale Operation sandte Schockwellen in der kriminellen Unterwelt in ganz Europa und wurde 2021 von einem weiteren Takedown ähnlicher Art gefolgt: Eine internationale Gruppe von Justiz- und Strafverfolgungsbehörden (Belgien, Frankreich, Niederlande) blockierte erfolgreich die weitere Nutzung von verschlüsselter Kommunikation durch Netzwerke der organisierten Kriminalität über das Kommunikationsdienst-Tool Sky ECC (Operational Task Force Limit).

Der Trick mit Anom und die Operation Trojan Shield

Beide Operationen lieferten unschätzbare Einblicke in eine noch nie dagewesene Menge an Informationen, die zwischen Kriminellen ausgetauscht wurden. Nach der Abschaltung von Sky ECC im März 2021 suchten viele Netzwerke des organisierten Verbrechens nach einem schnellen verschlüsselten Ersatz für eine Kommunikationsplattform, die es ihnen ermöglichen würde, sich der Entdeckung durch die Strafverfolgungsbehörden zu entziehen. Dies war ein bewusster und strategischer Aspekt von OTF Greenlight / Operation Trojan Shield, der dazu führte, dass ein Teil der kriminellen Sky ECC-Kundenbasis auf die vom FBI verwaltete Plattform Anom migriert wurde.

Die Rolle und der Beitrag von Europol

Europol richtete für die Operation Trojan Shield / Greenlight eine Operational Task Force (OTF) ein und leistete operative Unterstützung für die teilnehmenden Länder, indem es als kriminalpolizeiliche Drehscheibe fungierte, den Informationsaustausch erleichterte und sich mit anderen von Europol unterstützten Ermittlungen koordinierte. Insgesamt nahmen 16 Länder an dieser OTF teil und entsandten Vertreter zu Europol in Den Haag, Niederlande, um ihre Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene zu koordinieren. Das große System internationaler Verbindungsbeamter bei Europol stellt sicher, dass die Interessen der Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten und der Nicht-EU-Partner in der Europol-Zentrale vertreten sind. Europol unterstützte die OTF Greenlight / Operation Trojan Shield, die vom US FBI, Schweden, den Niederlanden und Australien geleitet wurde.

Folgende Länder beteiligten sich an der internationalen Koalition:

Australien, Österreich, Kanada, Dänemark, Estland, Finnland, Deutschland, Ungarn, Litauen, Neuseeland, die Niederlande, Norwegen, Schweden, das Vereinigte Königreich inkl. Schottland und die Vereinigten Staaten.

Kryptohandys

Bei Kryptohandys handelt es sich um zumeist speziell präparierte Smartphones, auf denen ausschließlich eine spezielle App zur verschlüsselten Kommunikation mit anderen Kryptohandys des gleichen Anbieters installiert ist, u.a. um die entsprechende Kommunikation abhörsicher zu machen und damit einer möglichen
Strafverfolgung zu entziehen.

Die Auswertungen laufen

Die Prüfung, Auswertung und Aufbereitung der Informationen der US-amerikanischen
Strafverfolgungsbehörden durch ZIT und BKA dauern noch an. Nach der
Identifizierung von Tatverdächtigen werden die entsprechenden
Ermittlungsverfahren durch die ZIT zur weiteren Bearbeitung an die örtlichen
zuständigen Strafverfolgungsbehörden abgegeben. Bislang konnten in diesem
Ermittlungskomplex über 20 Ermittlungsverfahren gegen mehr als mehr als 80
Tatverdächtige eingeleitet werden.

Der Zugriff auch in der BRD mit Schwerpunkt Hessen

Am gestrigen Montag konnten in diesen Verfahren deutschlandweit über 150 Objekte durchsucht und mehr als 70 Personen festgenommen werden. Der Schwerpunkt der Maßnahmen lag dabei in Hessen.

In Hessen konnten in zwei Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main -ZIT- am gestrigen Montag durch das Hessische Landeskriminalamt (HLKA) und das Zollfahndungsamt Frankfurt am Main (ZFA Frankfurt/Main) mit Unterstützung aller hessischen Polizeipräsidien insgesamt über 80 Objekte durchsucht und 17 Personen festgenommen sowie zahlreiche Beweismittel sichergestellt werden.

Ein Ermittlungsverfahren richtet sich gegen eine Gruppierung aus dem
Main-Kinzig-Kreis mit derzeit insgesamt 19 Beschuldigten im Alter von 25 bis 37 Jahren, die u.a. im Verdacht stehen, bandenmäßig mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben.

Im Zuge der gestrigen Maßnahmen wurden Durchsuchungsbeschlüsse für über 30 Objekte der mutmaßlichen Tätergruppierung in Frankfurt am Main, Hanau, Friedberg, Offenbach, Mainz und Krefeld sowie im Main-Kinzig-Kreis, Wetteraukreis, Hochtaunuskreis, Main-Taunus-Kreis, Landkreis Darmstadt-Dieburg und im Kreis Bergstraße vollstreckt.

Die Beschuldigten wurden vorläufig festgenommen. Gegen fünf der Beschuldigten bestehen Haftbefehle des Amtsgerichts Hanau, die im Laufe des heutigen Tages insgesamt drei Beschuldigten verkündet worden sind bzw. noch verkündet werden. Zwei der Beschuldigten wurden auf der Grundlage von Europäischen Haftbefehlen in den Regionen Alicante und
Malaga (Spanien) festgenommen. Gegen diese beiden Beschuldigten soll nun die
Auslieferung nach Deutschland erfolgen. Drei weitere Beschuldigte werden heute
im Laufe des Tages dem Haftrichter in Hanau vorgeführt werden.

Das andere Ermittlungsverfahren betrifft eine andere Tätergruppierung im
Rhein-Main-Gebiet mit insgesamt 16 Beschuldigten im Alter von 24 bis 46 Jahren.
Diesen wird vorgeworfen, Betäubungsmittel in nicht geringer Menge nach
Deutschland eingeführt zu haben, wobei sie speziell dafür umgebaute
Kraftfahrzeuge verwendet haben sollen. Daneben wird den Beschuldigten
vorgeworfen, in eigens dafür vorgehaltenen Laboren selbst Betäubungsmittel für
den gewinnbringenden Weiterverkauf hergestellt zu haben.

Bei dem gestrigen Einsatz wurden Durchsuchungsbeschlüsse für ca. 50 Objekte der mutmaßlichen Tätergruppierung in Frankfurt am Main, Wiesbaden, Kassel sowie im
Hochtaunuskreis und Main-Taunus-Kreis vollstreckt Die Beschuldigten wurden
vorläufig festgenommen. Insgesamt acht Beschuldigte befinden sich aufgrund von
Haftbefehlen des Amtsgerichts Frankfurt am Main bereits seit dem gestrigen Tag
in Untersuchungshaft. Daneben liegen gegen zwei weitere Beschuldigte Haftbefehle
vor, die im Laufe des heutigen Tages den Beschuldigten verkündet werden.

Für das bandenmäßige unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge sowie das bandenmäßige unerlaubte Einführen und Herstellen von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sieht das Betäubungsmittelgesetz
jeweils einen Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren Freiheitsstrafe vor.

In weiteren Ermittlungsverfahren gegen hessische Beschuldigte wurden u.a. durch
die Staatsanwaltschaften in Darmstadt, Frankfurt am Main, Hanau und Wiesbaden
strafprozessuale Maßnahmen in eigener Zuständigkeit jeweils in Zusammenarbeit
mit dem HLKA und örtlichen Polizeidienststellen durchgeführt.

Insgesamt waren an den gestrigen Maßnahmen in Hessen zur Vollstreckung von
Durchsuchungsbeschlüssen in über 130 Objekten sowie insgesamt mehr als 60
Festnahmen annähernd 1.500 Einsatzkräfte beteiligt. Dabei konnten insgesamt mehr
als 120 kg Marihuana, 25 kg Haschisch und über 6.000 Cannabis-Pflanzen, 3 kg
Heroin, ca. 1 kg Kokain und 100 kg Streckmittel, über 30 kg Amphetamin und 15
Kanister Amphetaminbase sowie über 20 Waffen und mehrere Schusswaffen
sichergestellt werden. Zudem konnten über 30 hochwertige Fahrzeuge und Bargeld
in Höhe von 250.000,- Euro beschlagnahmt werden. Auch konnten über 70 IT-Geräte
sichergestellt werden, die nun digital-forensisch ausgewertet werden.

Diese hessenweiten Ermittlungen aller hessischen Polizeipräsidien und des
Zollfahndungsamtes Frankfurt am Main (ZFA Frankfurt am Main) unter Koordinierung
des Hessischen Landeskriminalamtes (HLKA) führten zu tiefgehenden Erkenntnissen
hinsichtlich des illegalen (Groß-)Handels von Betäubungsmitteln und Waffen sowie
der damit verbundenen Kapital- und Gewaltdelikte. Es ist gelungen, weitreichende
Einblicke in das Dunkelfeld krimineller Handlungen bis hin zur Organisierten
Kriminalität zu erhalten. Vor diesem Hintergrund stellen die gestrigen Maßnahmen
für ZIT, HLKA und ZFA Frankfurt/Main einen bedeutenden Schlag gegen die
Organisierte Kriminalität dar.

Informationen von Europol sind abrufbar unter: https://www.europol.europa.eu.