Triebwerke beim Start. Für viele Flughafenanwohner ist das Alltag. Damit die Antriebsmaschinen des Luftverkehrs zukünftig leiser konstruiert werden können, vermessen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vom 23. bis 28.September 2013 erstmals mit Lasertechnik und Mikrofonen die Lärmquellen im Triebwerksstrahl und am Hauptrotor. In der aufwendigen Messkampagne nutzen die Lärmforscher das DLR-Forschungsflugzeug A320-ATRA für eine Reihe von Triebwerksstandläufen. Die Testläufe werden in der Lärmschutzhalle der Lufthansa Technik auf dem Gelände des Hamburger Flughafens durchgeführt. Beide Partner unterstützen das DLR-Forschungsprojekt.
Blick in die Lärmzonen mit Laserlicht
"In Hamburg haben wir weltweit einmaliges vor", sagt Dr. Andreas Schröder vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. "Noch nie wurden die montierten Triebwerke eines Verkehrsflugzeugs im Betrieb zeitgleich mit einem Array von Mikrophonen und laseroptischen Feldmessverfahren untersucht." Die Forscher sind mittels Laserlicht den schallverursachenden turbulenten Strömungen im Ansaug- und Abstrahlbereich auf der Spur: "Wir wollen herausfinden, an welchen Stellen der Triebwerksströmung der Lärm durch große turbulente Geschwindigkeits- und Dichteschwankungen verursacht wird", erklärt Schröder. Die umliegend aufgebauten Mikrofone liefern den Wissenschaftlern dabei den Lautstärkepegel zu den im Laserlicht sichtbar werdenden Strömungsphänomenen.
Grundstein für leisere Triebwerke
Im DLR-Projekt SAMURAI (Synergy of advances measurement techniques for unsteady and high Reynolds number aerodynamic investigations) arbeitet das Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik Hand in Hand mit dem DLR-Institut für Antriebstechnik. Darüber hinaus sind das DLR-Institut für Aeroelastik und das DLR-Institut für Bauweisen und Konstruktionsforschung an diesem multidisziplinären Vorhaben beteiligt. Dr. Andreas Schröder ist Leiter des Projekts mit einem klaren Ziel vor Augen: "Wenn wir durch unsere Messungen genauer wissen, wo am Triebwerk der Lärm entsteht, lässt sich der Triebwerkslärm besser am Computer simulieren. Langfristig können dann deutlich leisere Triebwerke am digitalen Reißbrett entstehen." Bis zum Projektende im Sommer 2014 wollen die Forscher verbesserte Simulationen des Treibwerksfreistrahls und seiner schallerzeugenden Strömungsstrukturen vorlegen.
Das DLR-Forschungsflugzeug ATRA (Advanced Technology Research Aircraft) ist ein ausgewachsener Airliner vom Typ Airbus A320, der im DLR für vielfältige Projekte der Luftfahrtforschung eingesetzt wird. "Der zum Flugversuchsträger umgebaute Mittelstrecken-Passagierjet ist ein ideales repräsentatives Forschungsobjekt für die Wissenschaftler mit seinen weltweit tausendfach eingesetzten Triebwerken der Baureihe V2500, die in einer Kooperation von MTU, Pratt & Whitney, Rolls Royce und Japanese Aero Engines Corporation entwickelt wurden", sagt Oliver Brieger, Leiter des DLR-Flugbetriebs in der DLR-Einrichtung Flugexperimente, die für den Betrieb des ATRA verantwortlich ist.
Im Bauch der größten Lärmschutzhalle Europas
Seit Anfang 2002 steht für Triebwerksprobeläufe aller Flugzeugtypen, die die Lufthansa Technik in Hamburg wartet, eine geschlossene Lärmschutzhalle zur Verfügung. Für die DLR-Wissenschaftler ist die Bereitstellung dieser Halle durch die Tochter der Lufthansa ein Glücksfall. Denn die filigranen Messaufbauten sind in dem Gebäude, das mit einer Größe von 95 mal 92 Metern und einer Höhe von 23 Metern sogar Jumbojets aufnehmen kann, bestens geschützt. Anwohner werden durch die Versuchsläufe nicht gestört. Lufthansa arbeitet seit Jahren eng mit dem DLR an der Erforschung von Lärmquellen am Flugzeug zusammen. In zahlreichen gemeinsamen Forschungsprojekten konnten so schon Erkenntnisse gewonnen werden, die später in die Produktion neuer Flugzeuge oder Umrüstlösungen für bestehende Modelle eingeflossen sind. Technische Neuerungen insbesondere an den Triebwerken haben in den vergangenen Jahren zu einer erheblichen Lärmreduktion geführt.
Die Hamburger Lärmschutzhalle, die Vorbild für solche Einrichtungen an den Flughäfen in Leipzig, Zürich und Genf war, wurde auf Initiative der Flughafen Hamburg GmbH gebaut, die sich nun auch für die Durchführung der DLR-Messkampagne engagierte. Parallel zu den DLR-Versuchen führt die Flughafen-Gesellschaft eigene Mikrofon-Messungen außerhalb der Halle durch, um weitere Daten über die Lärmschutzwirkung des Baus zu sammeln. Das DLR-Forschungsflugzeug ATRA wird für die Standläufe rückwärts in die Einrichtung geschoben, bevor zwei 56 Meter breite und 300 Tonnen schwere Tore die Halle für die Lärmmessungen schließen.