Sie prägten den Begriff des „Kulturellen Gedächtnisses“, der zu einem Leitbegriff der Kulturwissenschaften wurde. Prof. Dr. Aleida Assmann und Prof. Dr. Jan Assmann haben die Verbindung von Kultur und Gedächtnis systematisch und theoretisch fundiert aufgezeigt.
Die Konstanzer Kulturwissenschaftler sind Inhaber der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2015 der „Freunde der Universität Mainz e.V.“. In ihrer Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Erinnern und Vergessen – Zur Konstruktion von Vergangenheitshorizonten“ werden sich Aleida und Jan Assmann gemeinsam mit hochkarätigen Wissenschaftlern von internationalem Rang mit Konzepten der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung auseinandersetzen. Jede Gegenwart legt sich eine identitätsrelevante Vor-Geschichte zurecht, die der Gesellschaft als Erinnerungs-, Bezugs- und Orientierungsraum dient. Solche Vergangenheitshorizonte beruhen laut Aleida und Jan Assmann auf einer komplexen Dynamik von Erinnern und Vergessen; sie sind nie ein für alle Mal festgeschrieben, sondern unterliegen beständiger Verhandlung und Neubestimmung.
„Wir freuen uns sehr, dass wir Aleida und Jan Assmann gemeinsam für die Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2015 gewinnen konnten“, erklärt Peter Radermacher, Vorsitzender der Vereinigung der „Freunde der Universität Mainz e.V.“. „Mit Fragen, wie Erfahrungen vor dem Vergessen zu bewahren sind, was die Gesellschaft in ihrem Andenken bewahren möchte und in welcher Weise Erinnerungen weitergegeben werden, eröffnen die international anerkannten Kulturwissenschaftler im kommenden Sommersemester einen hochaktuellen Diskurs und werden auf diese Weise dem Anspruch unserer Stiftungsprofessur in geradezu idealer Weise gerecht.“
Gemäß den Worten von Aleida und Jan Assmann hat sich unsere Zeitorientierung seit den 1980er Jahren maßgeblich verändert. Bis dahin waren alle Erwartungen auf die Zukunft gerichtet, und wir lebten in einer Zeit, die mit dem Versprechen eines stetigen und irreversiblen Fortschritts verbunden war. Davon kann inzwischen so nicht mehr die Rede sein. Während die Zukunft aufgrund von Erkenntnissen über die Belastungen der Umwelt und den Abbau natürlicher Ressourcen immer mehr zu einem Gegenstand der Sorge und Vorsorge geworden ist, ist die Vergangenheit zu einem Gegenstand der Nachsorge geworden. In dem Maße, wie die Zukunft an Strahlkraft verloren hat, macht sich die Vergangenheit immer stärker in unserem Bewusstsein breit.
„In Ihrer Vorlesungsreihe werden Aleida und Jan Assmann ihre Theorie des kulturellen Gedächtnisses erläutern, die vor dem Hintergrund eines neuen Zeitgefühls entstanden ist, das Zukunft nicht mehr im Gegensatz zur Vergangenheit, sondern in Verschränkung mit ihr definiert. Sie werden Fragen nach den Medien und Akteuren dieses kulturellen Gedächtnisses, nach seiner Deutungsmacht, seinen Herausforderungen und Veränderungen nachgehen“, sagt der Vorsitzende der Stiftung Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur, Univ.-Prof. Dr. Andreas Cesana. „Sie werden die Konstruktion von Vergangenheitshorizonten aufzeigen, die dasjenige sind, was unserem Tun und Erleben Sinn, d. h. Zusammenhang, Richtung und moralische Bedeutung verleiht.“
Eingerichtet hat die „Vereinigung der Freunde“ die Stiftung „Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur“ aus Anlass des 600. Geburtstags von Johannes Gutenberg im Jahr 2000. „Mit ihrer Leidenschaft für ihr Forschungsgebiet und ihrer Eloquenz sind Aleida und Jan Assmann hervorragend geeignet, wissenschaftliche Themen im Dialog der Bevölkerung anschaulich und doch auf hohem Niveau zu vermitteln. Ich bin sicher, dass die 16. Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur – gerade auch mit ihrer Doppelbesetzung – erneut die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen und damit maßgeblich zum Ansehen der Universität beitragen wird“, betont der Präsident der Johannes Gutenberg-Universität.