Der Rechtsbeschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, war illegal nach Deutschland eingereist, nachdem er zuvor in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte. Das Amtsgericht hat gegen ihn Haft angeordnet, um seine Überstellung nach Ungarn zu sichern.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Der für Rechtsbeschwerden in Freiheitsentziehungssachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und entschieden, dass nach der derzeitigen Rechtslage gegen einen Ausländer in der Regel nicht die Haft angeordnet werden darf, um seine Überstellung in den für die Entscheidung über den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat zu sichern. Die Haftanordnung hat den Betroffenen daher in seinem Freiheitsrecht verletzt.
Hintergrund des Verfahrens ist die Novellierung der unionsrechtlichen Regelungen über die Festlegung der Kriterien und das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sogenannte Dublin-III-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013, ABL. Nr. L 180, S. 31). In dieser Verordnung, die auf alle seit dem 1. Januar 2014 an andere Mitgliedstaaten gerichteten Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme anzuwenden ist, sind erstmals durch das Gemeinschaftsrecht auch die Voraussetzungen für eine Inhaftnahme geregelt. Danach darf eine Person zur Sicherstellung ihrer Überstellung nur dann in Haft genommen werden, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen (Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung). Die Verordnung bestimmt zudem den Begriff der "Fluchtgefahr" als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, dem gegen ihn laufenden Überstellungsverfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte (Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung).
Der Bundesgesetzgeber hat bisher keine gesetzlichen Bestimmungen zur Ausfüllung des Art. 2 Buchstabe n Dublin-III-Verordnung geschaffen. Nach der zuvor geltenden Dublin-II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003,ABl. Nr. L 50, S. 1), erfolgte die Inhaftierung zur Sicherung der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Deutschland nach der Vorschrift des § 62 AufenthG. In den meisten Fällen wurde die Haft auf der Grundlage von § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG angeordnet, wonach ein Ausländer in Haft zu nehmen ist, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
Unter Geltung der Dublin-III-Verordnung sind auf § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gestützte Inhaftnahmen von Ausländern zum Zwecke der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nun aber rechtswidrig. Denn diese Norm legt (anders als § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 AufenthG) keine objektiven Kriterien für die Annahme von Fluchtgefahr fest und genügt daher nicht den durch Art. 2 Buchstabe n Dublin III-Verordnung gestellten Anforderungen. Das hat zur Folge, dass zur Zeit Haftanordnungen zum Zweck der Überstellung von Ausländern nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung nicht ergehen dürfen.
V ZB 31/14 – Beschluss vom 26. Juni 2014
AG Saarbrücken, Beschluss vom 6. Januar 2014, 7 XIV 2/14
LG Saarbrücken, Beschluss vom 4. Februar 2014, 5 T 19/14