Am Montag, 26.05.2014 hat Roger Willemsen sein neues Buch „Das Hohe Haus“ in Karlsruhe vorgestellt. Die literarische Gesellschaft, die Stephanus Buchhandlung und die KMK, die ihn gemeinsam zu dieser Lesung eingeladen haben, haben vorher ordentlich Werbung gemacht, der Name Willemsen spricht das Publikum an, das Konzerthaus ist voll.
„Das Hohe Haus“ ist in Tagebuchform geschrieben. Willemsen hat im Jahr 2013 alle Parlamentsdebatten von der Besuchertribüne aus verfolgt und in seinen Aufzeichnungen kommentiert. Spannend ist dies auch darum, weil 2013 ein Wahl-Jahr ist, weil wir von Anfang an wissen, dass die Minister der FDP, die sich zu Beginn des Buches besonders wichtig nehmen, wenige Monate später tiefer fallen werden, als sie es sich vorstellen können, oder viele SPD-Abgeordnete bald der sog. GroKo angehören und die eben kritisierte Politik begeistert mittragen werden.
Gemeinsam mit Annette Schiedeck und Jens-Uwe Krause liest Willemsen in verteilten Rollen aus dem Buch vor, so dass die Veranstaltung kurzweilig und unterhaltsam ist. Roger Willemsen ist Germanist, Sprache ist sein Werkzeug und er ist ein intelligenter Beobachter. Seine germanistischen Analysen und sein, an chirurgische Operationen anmutendes Sezieren der Politikersprache verdeutlicht, dass im Parlament keine Germanisten und auch keine Rhetorikspezialisten sitzen. Was bedeutet dies aber für unsere Demokratie? Haben wir das nicht vorher schon geahnt?
Zu Beginn der Veranstaltung begründet er sein Projekt damit, dass er sich ein direktes, ein ehrliches Bild von der Politik machen will, ohne dass die Medien bestimmen, welche Ausschnitte er sehen soll. So verbringt er ein Jahr auf der Besuchertribüne und sieht dabei nur einen Teil der Arbeit des Parlamentes, nämlich den Teil der Arbeit, der Inszenierung ist. Die wirklichen Verhandlungen, Gespräche und Kompromisse werden in den Ausschüssen und anderen Gremien geführt. Im Bundestag selbst werden die Ergebnisse präsentiert, klischeehaft vielleicht und in vorher definierten Rollen und vor allem klar inszeniert. So konnte Willemsen auf der Besuchertribüne des Bundestages sich in den Details sicherlich ein anderes Bild machen, als es von den Medien gezeigt wird. Aber ein umfassendes Bild von der Arbeit des Parlamentes, der Funktionsweise der Macht oder gar vom Zustandekommen von Entscheidungen hat er auf diese Weise nicht bekommen.
Intensiv setzt Willemsen sich mit der Sprache von Angela Merkel auseinander. Hört man ihm zu, kann man nicht nachvollziehen, dass Merkel eine der erfolgreichsten Politiker überhaupt ist. Er analysiert ihre Sprache, ihre Ausdrucksweise und die Klischees, manchmal auf sehr unterhaltsame Weise, manchmal so, dass man erschüttert ist von der Inhaltsleere des Gesagten. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist sie sehr erfolgreich. Warum?
Und so fühlt man sich während der Lesung auch nur als Zaungast. Man hört viel Humorvolles, viel Nachdenkliches, man hat aber immer das Gefühl etwas Wesentliches zu versäumen.