Die Gemeinde Haßloch ist verpflichtet, einem Anwohner des Neubaugebiets „Südlich der Rosenstraße“ in Haßloch Unterlagen über die Kostenkalkulation zur Verfügung zu stellen, wie die Gemeindewerke Haßloch GmbH in dem Abrechnungszeitraum Januar bis Dezember 2011 die Endverbraucherpreise für die Nahwärmeversorgung in dem genannten Neubaugebiet kalkuliert hat. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt mit am 07. April 2014 verkündetem Urteil entschieden.
Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer eines seit 2011 mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks im Neubaugebiet „Südlich der Rosenstraße“ in Haßloch. In diesem Gebiet wird die Wärmeversorgung durch ein Nahwärmenetz sichergestellt. Die Wärme wird zentral in einer Heizzentrale durch ein erdgasbetriebenes Blockheizkraftwerk und einen Gas-Brennwertkessel erzeugt. Für die Anwohner des Neubaugebiets besteht nach der Satzung der beklagten Gemeinde Haßloch über die Nahwärmeversorgung des Baugebietes „Südlich der Rosenstraße, westliche Erweiterung – Teilplan 1“ vom 19. Februar 2009 ein Anschluss- und Benutzungszwang an die Nahwärmeversorgung. Das Baugebiet wurde mit einem Nahwärmenetz zur Bereitstellung von Heizwärme und Warmwasser für die geplanten Gebäude erschlossen. Die Aufgabe der Nahwärmeversorgung übertrug die Beklagte im November 2009 auf die zum Verfahren beigeladene Gemeindewerke Haßloch GmbH. Grundlage des Anschlusses und der Versorgung aus dem Nahwärmenetz sowie der Entgeltregelungen ist ein mit den Beigeladenen abzuschließender privatrechtlicher Wärmeliefervertrag. Die Beigeladene betreibt die Versorgung von Endkunden mit Gas, Strom, Wärme und Wasser für die Beklagte. An der Beigeladenen sind gemäß dem Gesellschaftsvertrag vom 17. November 2009 die Beklagte mit 74,9 % und die Thüga AG München mit 25,1 % beteiligt.
Im Mai 2012 beantragte der Kläger mit der Begründung, die Nahwärmeversorgung im Neubaugebiet sei seiner Ansicht nach zu teuer, im Einzelnen spezifiziert Auskunft über den Inhalt der Kostenkalkulation und der Kostenrechnung bezüglich der Wärmepreise im Nahwärmegebiet „Südlich der Rosenstraße" nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG). Mit Bescheid vom 7. August 2012 lehnte die Beklagte das Informationsbegehren des Klägers ab. Zur Begründung führte sie aus, da es sich bei der Beigeladenen um ein privatwirtschaftlich agierendes Unternehmen handele, das am Markt auftrete und im Wettbewerb zu anderen Energieversorgern stünde, würde ein Bekanntwerden dieser Informationen deren wirtschaftlichen Interessen in erheblichem Umfang schaden. Bei den begehrten Informationen handele es sich im Übrigen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Zugang könne daher nur gewährt werden, wenn die Beigeladene dem zustimme. Eine solche Zustimmung habe die Beigeladene abgelehnt.
Nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren hat der Kläger im August 2013 mit der Begründung Klage erhoben, die Beigeladene könne sich auf Auskunfts- und Verweigerungsrechte des LIFG nicht berufen. Bei Bestehen eines Anschluss- und Benutzungszwangs seien die Beklagte und die Beigeladene aufgrund der faktischen Monopolstellung verpflichtet, die Preiskalkulation transparent zu gestalten und die hierfür erforderlichen Informationen offenzulegen. Die Beigeladene nehme in ihrer Eigenschaft als öffentlicher kommunaler Energieversorger nicht in einer Weise am Marktgeschehen teil, die mit privaten Wirtschaftsunternehmen vergleichbar wäre. Einem kommunalen Versorgungsunternehmen dürfe nicht die „Flucht ins Privatrecht“ eröffnet werden, um sich unter Berufung auf den Geheimnisschutz dem öffentlich-rechtlichen Informationsanspruch zu entziehen.
Die 4. Kammer des Gerichts hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung führten die Richter aus: Der Kläger habe nach dem LIFG einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihm Zugang zu den Kalkulationsgrundlagen und Einzelpositionen für die Nahwärmepreise der Beigeladenen gewähre. Die Beklagte sei als Gemeinde, die in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form Verwaltungstätigkeit ausübe, anspruchsverpflichtete Behörde im Sinne des LIFG. Dem stehe nicht entgegen, dass die Informationen vor allem die Beigeladene als juristische Person des Privatrechts beträfen, auf die das LIFG grundsätzlich keine Anwendung finde. Denn die Beklagte bediene sich der Beigeladenen gemäß dem Gesellschaftsvertrag aus dem Jahre 2009 für die öffentlich-rechtliche Aufgabe der Wärmeversorgung im Gebiet „Südlich der Rosenstraße“. Demzufolge sei die Beigeladene nach dem LIFG, wonach einer Behörde eine juristische Person des Privatrechts insoweit gleichstehe, als diese zur Erfüllung derer öffentlich-rechtlicher Aufgaben eingesetzt werde, selbst als „Behörde“ i.S.d. LIFG anzusehen. Die vom Kläger beantragten Daten seien nach Auffassung der Kammer „amtliche Informationen“ im Sinne des LIFG. Ausschlussgründe kämen für die Beigeladene nicht in Betracht. Nach Ansicht der Kammer könne sich die Beigeladene insbesondere nicht auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen. Dies sei der öffentlichen Hand grundsätzlich verwehrt ist. Denn der Staat könne nicht gleichzeitig Adressat und Berechtigter der Grundrechte sein. Gleiches gelte auch für juristische Personen des Privatrechts, soweit diese öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahrnähmen. Dies würde eine verbotene „Flucht ins Privatrecht“ bedeuten. Aufgrund ihrer Sonderstellung als mehrheitlich von öffentlicher Hand beherrschtes Unternehmen sei die Beigeladene mit einem privaten Dritten nicht vergleichbar. Sie unterliege als öffentliches Unternehmen den kommunalrechtlichen Bestimmungen der §§ 85 ff. der Gemeindeordnung, wonach die Gemeinde bei der Gründung und Beteiligung an juristischen Personen des Privatrechts haushaltsrechtlichen Beschränkungen unterworfen sei. Die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs sei bei wie hier privatrechtlich ausgestaltetem Benutzungsverhältnis im Übrigen nur dann verhältnismäßig, wenn die Gemeinde durch entsprechenden Einfluss auf das Privatunternehmen die Versorgungssicherheit gewährleisten könne.
Dieses Ergebnis werde auch durch einen Vergleich mit den Grundsätzen des Kommunalabgabengesetzes (KAG) gestützt. Hätte die Beklagte namentlich im Rahmen ihrer Formwahlfreiheit die Wärmepreise als Gebühren nach dem KAG festgesetzt, wäre ihr schon mit Blick auf den Kostendeckungsgrundsatz eine Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse versagt gewesen. Danach sei die Gemeinde verpflichtet, die Gebührensätze für die öffentliche Einrichtung so zu kalkulieren, dass das veranschlagte Gebühren- und Beitragsaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung oder Anlage nicht überschreite. Diese Grundsätze könne der Bürger regelmäßig durch Anfechtung des Beitragsbescheids und inzidenter Überprüfung der Beitragssatzung durch das Gericht untersuchen lassen. Hierdurch würden die Bemessungsgrundlagen transparent und eine Einhaltung des Kostendeckungsgrundsatzes gewährleistet.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.
Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 07. April 2014 – 4 K 726/13.NW –