Rede von Ulrich Mohr, BUND Rheinland-Pfalz. Der Auslöser des Vortrags war eine Anhörung vor einem Mainzer Landtagsauschuss im Februar 2001. Das Thema hat an Brisanz nicht verloren, im Gegenteil.
Die Erhaltung der dezentralen, kommunalen Trinkwasserversorgung ist ein so wichtiges Anliegen, dass es eigentlich auch den Innenausschuss und den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit beschäftigen könnte.
Mit dem weltweiten Thema Trinkwasserversorgung steht viel auf dem Spiel. Die Versorgung mit dem Lebensmittel Wasser stellt ein elementares Grundbedürfnis der Bevölkerung dar. Dies kann im Augenblick nicht genug betont werden. Denn allenthalben suchen die „global players“ nach neuen lukrativen Spielzeugen. Sollte hierzu – wie bereits in vielen Teilen er Welt – auch unsere Versorgung ausersehen sein, dann würde dies zu einem Spiel mit unserer Gesundheit und mit unserer Umwelt. Wie dies eben ist bei „Spielernaturen“: Am Ende bliebe ein Trümmerfeld. Noch nie haben wirklichkeitsenthobene Ideologen und radikale Systemüberwinder zu Glück und Fortschritt der Menschen beigetragen.
Wer unsere – gerade in Rheinland-Pfalz – bewährten Versorgungsstrukturen für Wasser durch Privatisierung und Liberalisierung ersetzen will, der soll den davon betroffenen Menschen erklären, in welchem Punkt für sie aus einer solchen Umwälzung ein Vorteil entstehen soll.
Bisherige Erfahrungen jedenfalls geben dazu nichts her; durch Privatisierung wird die Trinkwasserversorgung insgesamt und auf die Dauer gesehen:
- nicht billiger für den Verbraucher,
- qualitativ nicht besser,
- nicht gesünder,
- nicht ökologischer,
- nicht nachhaltiger im Sinne des Rio-Prozesses und der Agenda 21,
- nicht kundenfreundlicher.
Jeder mit kritischem Verstand ausgestattete Mensch fragt sich daher: Warum dann überhaupt eine solche Umwälzung, ein solches zu erwartendes Zerstörungswerk? Warum dafür einen Eingriff in das Grundgesetz vornehmen?
Wer sich am Begriff des Gebietsmonopols stört und aus ideologischer Empfindlichkeit dieses abschaffen will, der soll der Zwangsläufigkeit ins Auge sehen, dass er damit den Weg frei macht für ganz andere, weltweit operierende, staatliche Souveränitätsrechte überwuchernde, nicht mehr kontrollierbare private Monopole.
Das Lebensmittel Wasser darf nicht zu einer bloßen Handelsware degradiert werden. Und genau aus diesem Grund ist Trinkwasserpolitik gegenüber Wählern und nicht gegenüber Aktionärsversammlungen zu verantworten. Trinkwasserentscheidungen gehören in die Rathäuser und nicht in Konzernspitzen auf den Bermudas oder sonstwo.
Es wird in diesem Zusammenhang offenbar viel zu wenig beachtet, was der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof vor wenigen Jahren hier an Grundsätzlichem entschieden hat. Wir verdanken diesen Hinweis einem der kommunalen Spitzenverbände. Die Stadt Bad Kreuznach hatte in einem Verfassungsstreitverfahren um das im Koalitionsvertrag von 1996 verschärfte Subsidiaritätsprinzip ein Klageverfahren in Gang gesetzt. In seiner Entscheidung führt das Gericht dazu Folgendes aus:
Je wichtiger eine durch den öffentlichen Zweck gerechtfertigte Leistung für die Bürger ist, desto größer ist das Bedürfnis nach einem krisenfesten, stetigen und möglichst ungestörten Angebot, und zwar zu sozial angemessenen Bedingungen“.
Es ist daher zu fragen, welcher private, auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Konzern willens und in der Lage sein kann, insbesondere bei dem hochsensiblen Lebensmittel Wasser, diesen vom Gericht bekräftigten höchsten Ansprüchen auf krisenfeste und gleich bleibende Qualität zu genügen. Wer hier meint, dennoch frohgemut ins Privatisierungsparadies losmarschieren zu können, der soll sich das kalifornische Stromdesaster vom 22. Januar letzten Jahres vor Augen führen
Was nun spricht im Einzelnen dafür, dass die Versorgung mit Trinkwasser – wie jüngst erneut wieder von Umweltministerin Conrad bekräftigt – in öffentlicher Verantwortung bleiben muss?
- Wer im Physik- und Chemieunterricht nur ein wenig aufgepasst hat, der weiß, dass – abweichend von allem Modernisierungsgeschwätz – Strom Strom bleibt, egal durch welche Leitung und von wem zu wem transportiert; dass aber das Lösungsmittel Wasser nicht gleich Wasser ist.
- Wassergewinnung und Wasserverteilung sind daher eine ganzheitliche, verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Betätigung. Sie sind nicht ausgliederbarer Teil des weitaus umfassenderen Gebietes der Wasserwirtschaft. Sie schützt Grundwasser und Gewässer – Bäche Flüsse und Seen -, indem andere Interessen, etwa die von Industrie, Verkehr und Landwirtschaft, oft einschneidende Einschränkungen hinnehmen müssen. Sie tut dies nicht immer in gänzlich zufrieden stellenden Umfang, aber sie bemüht sich.
- Die bestehenden Strukturen entsprechen im Grundsatz den Zielsetzungen der vor nunmehr 10 Jahren tagenden Konferenz von Rio. In ihnen ist ein Stück lokale Agenda 21 verwirklicht, sie ermöglichen grundsätzlich und im permanenten öffentlichen Dialog stetigen Fortschritt bei der Verfolgung des Zieles der Nachhaltigkeit, sie entsprechen von ihrem Grundgedanken her dem Prinzip „Aus der Region für die Region“. Wer diese Strukturen aushebeln will, nimmt somit teil an einer weltweiten Verschwörung gegen die Ergebnisse der Rio-Konferenz. Dies lässt sich leicht belegen mit der Tatsache, dass die Wasserversorgungsstrukturen hierzulande noch weitgehend dezentral und regional angepasst sind.
- Sie erlauben Fortschritte im Sinne einer schrittweisen Ökologisierung unserer Umwelt. So gibt es Kommunen, wie z.B. die Münchner Wasserwerke, die um der Wasserqualität willen den ökologischen Landbau fördern. In Fragen der Festsetzung und Einhaltung von Grenzwerten gibt es weitgehende Übereinstimmung zwischen Umweltschutz und öffentlich kontrollierten Wasserversorgern. Nur im Rahmen einer öffentlich verantworteten Wasserversorgung sind effektive Bemühungen um Einsparungen im Umgang mit der Ressource Wasser möglich, kann über die Wasser sparende Trennung von Brauchwasser und Trinkwasser sowie über die Nutzung von Regenwasser geredet und gehandelt werden.
- Die derzeitige Wasserversorgung ist verbraucherfreundlich; sie liefert ein weltweit einzigartiges Spitzenprodukt bei gleich bleibender Qualität, und dies zu Preisen, die – wegen regionaler Anpassung – nicht überall gleich sein können, die aber öffentlich gerechtfertigt werden müssen. Wie beim Bier gibt es in Deutschland auch beim Trinkwasser so etwas wie ein ungeschriebenes Reinheitsgebot.
All diese historisch so gewordenen und in der Bevölkerung weithin akzeptierten Verhältnisse sollen nun durch sukzessives Durchsetzen einer Privatisierung der Wasserversorgung und einer sog. Liberalisierung des Wassermarktes zerschlagen werden. Dagegen müsste man nicht sein, wenn die aufgelisteten Vorteile der bisherigen Zustände hinübergerettet werden könnten in die machtvoll angestrebten neuen Verhältnisse. Das aber wird aus Gründen, die in der Natur der Sache liegen, nicht möglich sein. Um es kurz zu sagen: Privatisierung und Liberalisierung im Wasserwesen bedeuten zumindest langfristig: Raubbau, Verlust der Nachhaltigkeit, Absenkung der Hygienestandards, Betrug am Verbraucher:
Um ins Geschäft zu kommen, muss man die kommunalen Wasserversorger erst durch Dumpingpreise in Bedrängnis bringen, um sie endlich als lästige Konkurrenten gänzlich ausschalten zu können. Dumpingpreise führen unausweichlich zu Wasserverschwendung.
Mehr und mehr wird man sich auf kostengünstige und ertragsstarke Fördergebiete und Schwerpunktregionen konzentrieren. Es werden sich – wie im Oberrheingraben in den zurückliegenden Jahrzehnten wiederholt beobachtet und untersucht – verstärkt Grundwasserabsenkungstrichter ausbilden, weil mehr Wasser abgepumpt wird, als sich von Natur aus neu bilden kann. Es ist in diesem Zusammenhang zu verweisen auf eine vom BUND Rheinland-Pfalz 1994 herausgegebene Broschüre unter dem Titel „Grundwasserabsenkung am Oberrhein“ und auf ein behördliches Gutachten, das unter dem Titel „Hydrologische Kartierung und Grundwasserbewirtschaftung Rhein-Neckarraum“ von einer die Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen übergreifenden Arbeitsgruppe erarbeitet und in den Jahren 1980 und 1987 der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist.
Schon also unter bisherigen Bedingungen lässt sich erahnen, was eine Übernutzung der Ressource Wasser, insbesondere durch Großabnehmer wie Industrie und Landwirtschaft, anrichten kann:
Bei der Notwendigkeit, immer tiefere Grundwasserstockwerke anzapfen zu müssen, entsteht die bedrohliche Möglichkeit, dass bereits verschmutztes oberflächennahes Grundwasser durch kräftiges Abpumpen in der Tiefe durch meistens vorhandene „Fenster“ nach unten gedrückt wird und eindringt in die Schichten, aus denen die Bevölkerung ihr Wasser erhält.
Durch Wasserraubbau entstandene und unter den neuen Bedingungen vermehrt sich bildende Absenkungstrichter führen dazu, dass ganze Landstriche austrocknen, Pflanzen- und Tierwelt sich beträchtlich verändern und verarmen, Versteppungserscheinungen aufkommen. Etwas davon konnte bereits abgelesen werden am Zustand von Tieflandbächen der Vorderpfalz wie Pfrimm, Eisbach, Eckbach, Isenach, Speyerbach, Rehbach, Modenbach oder Triefenbach. Feuchtgebiete wie das des Dirmsteiner Bruchs am Eckbach verschwinden einfach. Zahlreiche Amphibien-, Vogel- und Pflanzenarten sind dadurch bereits verschwunden oder befinden sich auf dem Rückzug.
Im Zuge einer solchen absehbaren Entwicklung, die dazu führen wird, dass zur Wasserförderung nur besonders gewinnträchtige Schwerpunktregionen ausgewählt werden, kann es nicht ausbleiben, dass Wasserschutzgebiete verkommen, weil sie nicht mehr genutzt werden und , wenn möglich, in Bauland verwandelt werden.
Die Wassermultis und ihr neoliberales Gefolge zielen auf einen nationalen, ja sogar transnationalen Leitungsverbund mittels Fernleitungen – man glaubt, wie Werner Kuhn, F.D.P., es formuliert, „auf dem Weltmarkt eine Rolle spielen“ zu müssen. Die zu erwartende bevorzugte Bedienung von industriellen Großkunden verlangt nach Stichleitungen, die den kommunalen Versorgern vor die Nase gesetzt werden. Man möchte in die angestammten Versorgungsgebiete bisheriger Wasserversorger eindringen können, Neubaugebiete sollen aus bestehenden Versorgungsgebieten herausgebrochen werden.
All das wird Folgen haben für die Hygiene und Chemie des angebotenen Trinkwassers:
Angesichts solcher Aktivitäten wird das Interesse an Erhaltung und Pflege der bestehenden Netze schon aus Kostengründen erheblich sinken. Erst einmal werden wohl mit Hilfe des „abgewickelten“ ursprünglich hochintakten Netzes optimale Gewinne gemacht. Wie Fachleute aufzeigen, werden in das so allmählich verfallende Leitungsnetz mit der Zeit gesundheitsschädliche Keime eindringen. In Verbindung mit diesen Korrosionserscheinungen kommt es wegen der Durchleitung fremder Wässer – oft über Hunderte von Kilometern – der liberalisierte Markt erzwingt dies – zu Verunreinigung und Verseuchung. Dass Wasser in Stichleitungen längere Zeit stagniert, dürfte ebenfalls nicht gerade unproblematisch sein für die Qualität des Produktes Wasser.
Wohl mit Recht weist das Umweltbundesamt – in Auseinandersetzung mit den Liberalisierungsplänen des Bundeswirtschaftsministeriums – darauf hin, dass die so entstehenden „Risiken und Nebenwirkungen“ einer zwanghaft auf den Weltmarkt fixierten Wasserversorgung nur durch chemische Desinfektion klein zu halten wären (was übrigens von den Propagandisten der Privatisierung selbst eingeräumt wird); im Klartext heißt das, dass wir uns auf gechlortes Trinkwasser einzustellen hätten. Man braucht nicht viel Phantasie für die Vorzustellung, wie die Bevölkerung durch Ausweichen auf Mineralwässer einen zusätzlichen Kostenschub zu verkraften bekäme.
Weinpantschen ist in einem Weinland wie Rheinland-Pfalz nicht vorstellbar, ans Wasserpantschen jedoch werden wir uns gewöhnen müssen, wenn die schöne neue Welt der Wassermultis anbrechen sollte. Denn dann wird wegen deren Durchleitungsrechten Mischwasser jeder Sorte und Qualität und in ständig wechselnder Zusammensetzung in unsere Wasserhähne gespült werden.
Und wir könnten nichts dagegen unternehmen; Beschwerden beim Bürgermeister wären zwecklos, – weil dieser seinen Haushalt durch Verkauf seines öffentlichen Netzes längst saniert hat. Und wie der „König Kunde“ am häuslichen Wasserhahn noch seine Kundenmacht ausspielen können soll, müssen sich Phantasievollere vorstellen. Auch dies ein Beitrag zur Spaßgesellschaft, wie sie sich in den Köpfen mancher neoliberaler Chefideologen abspielen mag!
Im Übrigen werden, nicht viel anders als beim ungeregelten Energiemarkt, Großverbraucher mit Schleuderpreisen bedient werden, die jedes Sparverhalten – wie wir es z.B. vom sinkenden Wasserverbrauch der BASF kennen – zunichte machen werden; die Kleinverbraucher hingegen werden in ihrer Masse – hat sich erst einmal eine Monopolstellung durch anfängliches Dumping herausgebildet – mit steigenden Preisen die Zeche zu zahlen und das Aktionärsglück zu mehren haben.
Nun meint das von Bundeswirtschaftsminister Müller in Auftrag gegebene und Ende März vergangenen Jahres vorgestellte „Liberalisierungsgutachten“ all diese Bedenken, die es selbst darstellt, leicht ausräumen zu können.; es sagt:
Einer eventuellen Gefährdung der Trinkwassergüte sowie des Umweltschutzes in Folge der Zunahme des Wettbewerbs muss durch flankierende Maßnahmen begegnet werden, die gewährleisten, dass die umwelt- und gesundheitspolitischen Ziele – unabhängig von der Organisation der Wasserversorgung – eingehalten werden.
Dies bedeutet im Klartext: Die Wassergeschäftsleute dürfen sich verabschieden von den meisten Aufgaben und Pflichten gegenüber Gesundheit und Umwelt, die bisher von den kommunal verantworteten Wasserwerken mehr oder weniger selbstverständlich beachtet und umgesetzt wurden. Den Wasserunternehmen bleibt in einer bequemen „Aufgabentrennung“ das „Kerngeschäft“ des Wasserhandels; der wichtige „Rest“ soll von staatlichen Kontrollbehörden geleistet werden, die, wie jedermann weiß, schon jetzt wegen Unterbesetzung ihren Aufgaben nicht im wünschenswerten Umfang nachkommen können. Betroffen von dieser neuen Last wären vor allem die Umwelt-, Wasserwirtschafts- und Gesundheitsverwaltung sowie u. U. die Kartellbehörden der Länder.
Ausgerechnet von „Modernisierern“, zu deren Grundwortschatz Begriffe wie „Verschlankung“, „Entstaatlichung“ und „Deregulierung“ gehören, zu vernehmen, dass die genannten Behörden „rechtlich, finanziell sowie personell gestärkt“ werden müssen, hat schon etwas Pikantes; man könnte aber auch Hohn und Spott, um nicht zu sagen Zynismus zwischen den Zeilen solcher Äußerungen heraushören. Zumal wenn man weiß, wie rasch Ökologie hinten runter fällt, wenn sie für die Ertragslage eines Privatunternehmens nicht förderlich erscheint.
Dem Vernehmen nach hat eine Untersuchung der Universität Mannheim im Vergleich zwischen den Leistungen von Klärwerken in öffentlicher und in privater Hand ergeben, dass bei den Privaten die Preise im Schnitt 30 Prozent höher liegen, gleichzeitig aber auch die Reinigungsleistung um einiges schlechter sei.
Wen wundert es da, dass der Druck der Bundesverbände der privaten Entsorgungsunternehmen für eine Erhöhung der erlaubten Ablaufwerte von Kläranlagen seit Jahren anhält. Denn: Weniger Reinigungsleistung und weniger Umweltschutz bedeuten mehr Profit. Durchgesetzt werden solche Profitinteressen, indem man unter Hinweis auf sonst drohende Arbeitsplatzverluste die soziale Harfe schlägt.
Es gibt überhaupt keinen Grund zu der Annahme, dass es nach der Aufhebung derzeitiger Strukturen bei der Wasserversorgung grundsätzlich anders laufen wird. Das bisher hochgehaltene Qualitätsniveau deutscher Trinkwasserproduktion dürfte für immer verloren sein, wenn sich international operierende „Wasserpantscher“ wie RWE, Vivendi, Suez Lyonnaise des Eaux, VEBA u. a. über unser Wasser hermachen und „Wasserhändler“ übers Land schicken.
Der Text einer Großanzeige von RWE zeigt, wohin die Reise gehen soll:
“RWE Multi Utility eröffnet faszinierende Perspektiven für alle, die von der Zukunft der Energie mehr erwarten als nur günstige Strompreise. Unsere Kunden profitieren von unserem einzigartigen Komplettangebot – Strom, Gas, Wasser, Öl, Kohle, Dienstleistungen – künftig in ganz neuer Weise“.
Hier kündigt sich ein Staat im Staate an, aber ein „Staat“ ohne parlamentarische Kontrolle und ohne Druck einer informierten mündigen Wählerschaft, und vor allem ein „Staat“, der über einen unermesslichen Lobbydruck verfügt.
Wo das dann hinführen kann, studiert man am besten am nahen England und Wales, wo die Privatisierung und Liberalisierung der Wasserversorgung nach dem Lehrbuch der Chicago Boys durchgezogen wurde. Die Zeitspanne von 1990 bis 1995 soll folgende Ergebnisse gezeitigt haben:
- 17 Milliarden Mark Dividendenzahlungen,
- Preissteigerungen über 50 Prozent,
- Verschlechterung der Wasserqualität,
- Nichteinhaltung von Umweltauflagen.
Aufgeschreckt und um Erfahrungen reicher durch den Müllverbrennungsskandal in Köln und anderswo kann man wohl auch sagen: Privatisierung kann sich als klassisches Einfallstor für legale wie illegale Bestechung erweisen. Dies ist zu beobachten von Usbekistan bis Argentinien. Widerstände werden leicht gebrochen durch Postenzusagen oder üppige Zahlungen an Entscheidungsträger.
Um gewisse, unbestreitbare Vorteile privatwirtschaftlicher Handlungsformen zu erreichen, bedarf es keineswegs der Radikalkur einer Totalprivatisierung und –liberalisierung.
Die Verwaltungsträger der Wasserwirtschaft können die Wasserversorgung aus der Verwaltung ausgliedern, um wirtschaftliches Handeln zu verbessern.
Die möglichen Handlungsformen können reichen vom Eigenbetrieb bis zu öffentlichen Unternehmen in Form privatrechtlicher Kapitalgesellschaften. Die öffentlichen Unternehmen sind wie private voll handlungsfähig, haben ein klare Kosten- bzw. Erfolgskontrolle, können am Kapitalmarkt agieren und bei der Erfüllung ihrer Aufgaben überregional zusammenarbeiten. Hier liegen Verbesserungsmöglichkeiten, die genutzt werden können, und zwar ohne Übereignung an die Privatwirtschaft.
Eigentlich müsste es einem nicht bange sein um die Zukunft einer öffentlich verantworteten Trinkwasserversorgung, wenn man – mit der Ausnahme F.D.P. – die Verlautbarungen der Parteien zu diesem Thema liest:
Im letzten Landtagswahlkampf schrieb mir Christoph Böhr: „Die CDU steht einer Privatisierung äußerst kritisch gegenüber. Unsere Bedenken gehen in die von Ihnen vorgetragene Richtung“; ein knappes Jahr später schreibt er:
„Angesichts der besonderen Bedeutung des Wassers als unser wichtigstes Lebensmittel setzen wir uns für eine Wasserversorgung ein, die den Grundsätzen der Nachhaltigkeit sowie der Versorgungssicherheit verpflichtet ist. Abstriche an Qualität und Sicherheit in der Trinkwasserversorgung wollen wir nicht akzeptieren. Wir stehen ebenso zu den gegenwärtigen regionalen Anbindungen und Bezügen der Wassergewinnung und des Wasserschutzes“.
Knapper sagte es Böhrs Parteifreund, der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Götz, für seine Fraktion:
„Es gibt keine Not, bei uns einen Privatisierungszwang einzuführen. Das Negativbeispiel Großbritannien zeigt, dass sich dort seit der Liberalisierung der Wasserversorgung die Kosten mehr als verdoppelt haben“.
Man reibt sich daher die Augen und fragt sich, welcher Teufel den Europa-Abgeordneten Werner Langen, Mitglied derselben CDU, geritten hat, als er für seine EVP-Fraktion im Europa-Parlament einen Entschließungsantrag vorlegte, in dem mit bisher nicht gekannter Radikalität die Trinkwasserversorgung gleichgestellt wird mit Dienstleistungsbereichen wie Telekommunikation, Verkehr, Post und Energieversorgung und in dem im gleichen Atemzug die Abschaffung der Trinkwasserversorgung als kommunaler Pflichtaufgabe verlangt wird.
Nicht anders als die sonstige CDU schreibt uns SPD-Landtagsfraktionsführer Joachim Mertes:
„Die technische Struktur und die qualitativen Anforderungen an die Wasserversorgung machen aus Gründen der notwendigen Qualitätskontrolle eine Trägerschaft der Wasserversorgung aus einer Hand erforderlich. Die Versorgungsnetze stellen natürliche Monopole dar, die aus ökologischen Grünen in regionalem Maßstab betrieben werden müssen. Ein Handel mit der Ware Wasser innerhalb eines auf einem Durchleitungsmodell beruhenden Modells lehnen wir deshalb ab“.
Im selben Tenor äußert sich der rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber und nicht anders der damalige Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Umweltministerium Roland Härtel. Der Standpunkt der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist hinreichend bekannt und hat schließlich und dankenswerterweise zu der heutigen Anhörung geführt.
Doch sollte man sich von dieser relativen Geschlossenheit, die sicher möglicherweise auch ein paar Hintertürchen offen hält, nicht täuschen lassen.
Das Hintergrundszenario sieht eher düster aus:
Weltweit werden von der Weltbank sogar ganze Volkswirtschaften zielbewusst in die Krise getrieben, damit transnationale Konzerne kostengünstig übernehmen können; neuestes Beispiel: Argentinien. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass unsere kommunale Trinkwasserversorgung zunehmend schlecht geredet wird, ihr mangelnde Effizienz, fehlendes Kostenbewusstsein, angeblich überteuerte Gebühren nachgesagt werden, in den Medien gezielt ein negatives Image herbeigeredet wird. (Wollte man diese Maßstäbe bei Weltkonzernen anlegen, müsste mancher von ihnen aus dem Verkehr gezogen werden).
Es sind mindestens vier Fronten, an denen für die Abschaffung unserer bewährten Verhältnisse mit harten Bandagen gefochten wird:
Front Nummer 1 ist das Bundeswirtschaftsministerium und das oben erwähnte Gutachten im Auftrag dieses Ministeriums, erstellt von einschlägig bekannten Gutachtern.
Front Nummer 2 ist der Ausschuss für Wirtschaft und Währung im europäischen Parlament und die dortigen Bemühungen des rheinland-pfälzischen CDU-Abgeordneten und früheren rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsministers Werner Langen.
Front Nummer 3 ist GATS (General Agreement of Trade in Services): Hierbei handelt es um ein in der Mache befindliches unglaubliches Abkommen, von dem kaum jemand etwas weiß und wohl auch möglichst nichts wissen soll, das aber dem Vernehmen nach möglicherweise bereits im Dezember 2002 weltweit unterzeichnet werden soll. Dieses praktisch alle Dienstleistungsbereiche umfassende Abkommen erstreckt sich auf Gebiete gesellschaftlichen Handelns, die noch nie als Handelspolitik angesehen wurden. Vom Gesundheits- und Bildungswesen über die Medien und die Altenpflege bis hin zur Wasserversorgung gäbe es dann nichts mehr, das nicht zu einem privatwirtschaftlichen Geschäftszweig erklärt würde.
Wohl lediglich der britische „Observer“ weist aus vertraulichen Dokumenten des WTO-Sekretariats darauf hin, dass die Schaffung einer internationalen Agentur geplant sei, die gegenüber Entscheidungen einzelner Staaten oder Parlamente ein Vetorecht über Umwelt, Gesundheit, Bildung u. a. haben soll, sofern diese Entscheidungen Verstöße gegen die durch GATS festgeschriebene Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen darstellen. Der „Observer“ vermerkt dazu am 15. April letzten Jahres ironisch:
„Dies ist offensichtlich ein Plan, die altmodische politische Idee der Demokratie zu beseitigen“.
Front Nummer 4 sind die in allen Parteien und Administrationen beharrlich und im Verborgenen wirkenden „Schläfer“, die sich dafür einspannen lassen, den skizzierten Vorstellungen und Ideen eines total liberalisierten Marktes den Boden zu bereiten – immer darauf bedacht, einer öffentlichen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, den erforderlichen, breit angelegten öffentlichen Diskurs gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Was einem hierbei einfällt, sind die „nützlichen Idioten“, die der Stalinismus bestens zu nutzen wusste. Aber auch die Kapitalisten wissen offenbar, wie man sie sich dienstbar macht; auch hierin scheinen sie erfolgreicher als die Kommunisten.
Unter solchen Vorzeichen muss es wirklich heißen: Wehret den Anfängen! Dazu haben wir folgende Forderungen an die Politik:
· Wie im bayrischen Landtag Einbringung eines Dringlichkeitsantrags im Landtag, der gegenüber Berlin und Brüssel deutlich und verbindlich das artikuliert, was sonst in unverbindlichen Äußerungen gerne gesagt wird. Es muss jenseits aller Verklausulierungen Flagge gezeigt werden.
Es wäre zu bequem und nicht zu verantworten und eigentlich feige, wenn nichts getan würde. Es soll ja die Methode des Redens mit gespaltener Zunge geben, indem man sagt: Ich bin ja auch dagegen, aber auf das, was in Brüssel und in Berlin beschlossen wird, habe ich leider keinen Einfluss. Dazu ist zu sagen: Man hat Einfluss! Es gibt viele Kanäle zum Aktivwerden.
- Auf allen Ebenen dafür kämpfen, dass die Gebietsschutz-Paragraphen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung nicht gestrichen werden.
- Umsetzung des Vorschlags des Berliner Umweltbundesamtes, den Grundsatz einer ortsnahen Trinkwasserversorgung rechtlich zu verankern.
- Start einer Beratungs- und Ertüchtigungskampagne der Landesregierung zusammen mit den Verbänden der Wasserwirtschaft mit dem Ziel, die kommunalen Trinkwasserversorger in jeder Hinsicht fit zu machen gegen den Zugriff privater Konzerne.
- Modernisierung der kommunalen Verwaltungen sowie Verbesserung und Flexibilisierung des öffentlichen Dienstrechtes.
Einsicht der Parlamentarier, dass z. Zt. viel auf dem Spiel steht. Das oft unreflektierte Gerede von Privatisierung und Liberalisierung hat inzwischen einen Punkt erreicht, an dem immer mehr sichtbar wird, dass das Ganze unsolide, windig und auf flotte Sprüche gegründet ist – wie die ganze neoliberale Ideologie. - Denn: Ideologie, das ist eine interessengelenkte, krass die Realität verfehlende und oftmals verführerisch glitzernde Weltbetrachtung.
Und im Übrigen: Dies war keineswegs ein Plädoyer gegen die Marktwirtschaft, aber ein Plädoyer gegen die Macht-Wirtschaft.
¨