Können sich Tiere langweilen? Auf diese Frage gibt es noch keine eindeutige wissenschaftliche Antwort. Aber sicher ist, dass Tiere im Zoo viel Zeit haben.
In freier Wildbahn stellt die Nahrungssuche und -aufnahme einen großen Teil des Tagesablaufs vieler Tierarten dar. Im Zoo müssen sie nicht stundenlang auf Beute lauern, mehrfach vergeblich jagen, ganze Waldstücke nach Früchten absuchen oder hektarweise Geröllwüste nach Wurzeln und Wasser durchforschen. Selbst Löwen, die einen großen Teil des Tages dösen, bekommen Abwechslung.
Deshalb sind Programme zur Beschäftigung ein wesentliches Element moderner Zootierhaltung und ebenso entscheidend für das Wohlbefinden der Tiere wie gesunde Ernährung und tierärztliche Betreuung. Auch im Zoo werden diese Tiere durch die Art der Futtergaben über längere Zeiträume beschäftigt. Damit es den Tieren stets gut geht, lassen sich die Pfleger im Zoo Heidelberg immer wieder etwas Neues einfallen.
Das Ziel, die Tiere durch einen abwechslungsreichen Lebensraum zu vielfältigen Verhaltensweisen anzuregen, ist also das A und O. Die am weitesten verbreitete Form der Bereicherung geschieht über die Nahrung. So wird das Futter bei nahezu allen Zootieren – ob bei den Zebras, Stinktieren oder Fossas – im Gehege verteilt und in verschiedenen Gegenständen wie Säcken oder Bällen versteckt. Elefanten zum Beispiel sind in Asien täglich bis zu 20 Stunden unterwegs, um ihren Hunger zu stellen. Da im Zoo die Suche nach dem Futter entfällt, werden die Dickhäuter mehrmals am Tag so gefüttert, dass sie sich lange mit der angebotenen Nahrung beschäftigen können. Leckereien wie Karotten, Äpfel und Pellets werden in Röhren versteckt, Heunetze hoch aufgehängt oder dicke Äste mit Laub und Rinde in das Gehege gelegt.
Futter ist auch bei den Menschenaffen eine gute Beschäftigungsmotivation. Sie müssen sich richtig anstrengen, um an leckeres Futter zu gelangen. Mal verstecken die Pfleger Sonnenblumenkerne im Stroh, mal füllen sie Joghurt oder Brei in Schläuche oder stopfen Rosen in Labyrinth-Holzkisten.
Im Rahmen eines Trainings, das täglich um 11.00 Uhr und um 16.00 Uhr (außer freitags) vorgeführt wird, erarbeiten sich die Mähnenrobben ihr Futter selbst. Die dabei gezeigten Kunststücke sind freiwilliger Natur und bauen auf natürlichen Verhaltensweisen der Tiere auf. Zur Belohnung gibt es immer Fisch. Das Training macht den Tieren sichtlich Spaß und hat dazu einen wichtigen Nebeneffekt: Eine Mähnenrobbe, die spielend gelernt hat, sich still hinzulegen und berühren zu lassen, lässt sich ohne Stress abtasten oder Blut für Untersuchungen abnehmen.
Gerüche sind ebenfalls eine hervorragende Methode, Zootieren ungewohnte Reize zu bieten. Sie regen sowohl das Explorations- als auch das Komfortverhalten an. Der Fantasie der Pfleger werden kaum Grenzen gesetzt. Besucher im Zoo Heidelberg sind oft überrascht, wie angenehm und aromatisch es im Raubtierhaus mal nach Zimt, Zitrone oder Eukalyptus riecht. Das liegt natürlich nicht nur am frischen Rindenmulch, der in den Innengehegen ausgelegt ist. „Wir regen die Sinne unserer Löwen und Tiger beispielsweise durch das Legen von Duftspuren an“, erklärt Dirk Eichmann, Pfleger im Robben- und Raubtierrevier. Löwen und Tiger lieben Gewürze wie Minze, Oregano, ätherische Öle und Parfüme.
Außerordentlich attraktiv sind Düfte, wenn tragbare Gegenstände damit imprägniert werden. So füllen die Tierpfleger Säcke mit Stroh und Kot von Ziegen oder Kamelen oder präparieren sie mit Gewürzen und legen sie in die Außenanlagen der Raubkatzen. Die großen Katzen wälzen sich mit Begeisterung auf den „duftenden“ Säcken, bis sie diese schließlich zerfetzen. Löwen „parfümieren“ sich übrigens auch in freier Wildbahn, um den eigenen Geruch zu übertünchen. So fallen Sie bei ihrer Beute nicht so schnell auf. Überhaupt beschnuppern und tragen sie alles, was attraktiv riecht, sich zum Spielen eignet oder irgendwie an Beute erinnert. Legen die Pfleger ein Plüschtier in das Gehege, stürmen die Tiere darauf zu, schütteln es und versuchen, sich die Beute gegenseitig abzujagen. Selbstverständlich werden die Stofftiere vorab von den Pflegern „präpariert“, indem sie verschluckbare Teile wie Glasaugen und ähnliches entfernen.
„Die Tiere können sich stundenlang damit beschäftigen“, freut sich Eichmann. Sobald ein Spielzeug „uninteressant wird“, wird es mit anderen Aromen gewürzt und verwandelt sich so wieder in ein spannendes Objekt. Auch bei den Bären legen die Tierpfleger Geruchsspuren kreuz und quer im Gehege und verstecken Honig. Neugierig folgen die Bären der Spur, um herauszufinden, woher der Geruch stammt und werden mit der begehrten Süßspeise belohnt.
Selbst bei den Kamelen wird mit Düften gearbeitet. Zum großen Vergnügen der Tiere werden regelmäßig mit dem Gel von frischer Aloe-Vera oder Minze die Äste im Gehege abgerieben und flächendeckend verteilt.
Bei Sumatra-Tiger „Asim“ steht das Würzmittel „Fondor“ auf der aromatischen Hitliste ganz oben und er wälzt sich darin mit Wonne. Löwe „Josef“ hat eine große Vorliebe für alle Damen- und Herrendüfte. Für ihn halten die Pfleger außerdem immer eine eiserne Reserve parat – eine große Flasche Maggie.