Die Verfassungsbeschwerde der Eltern eines Schulkindes, die sich gegen die im rheinland-pfälzischen Privatschulgesetz enthaltene Regelung der Schülerbeförderungskosten für die Freien Waldorfschulen wenden, ist mangels vorheriger Beschreitung des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten unzulässig. Dies entschied der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in Koblenz.
Bei Schülern der Realschule plus sowie der Klassenstufe 5 bis 10 der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen, denen der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar ist, werden die Kosten der Beförderung zur nächstgelegenen Schule der jeweiligen Schulart von den Landkreisen und kreisfreien Städten übernommen. Weitgehend gleiches gilt für die Beförderung der Schüler von privaten Schulen, sofern sie als staatliche anerkannte Ersatzschulen Beiträge zu ihren Personal- und Sachkosten erhalten. Bei Schülern der Freien Waldorfschulen ab Klassenstufe 5 werden hingegen nach dem rheinland-pfälzischen Privatschulgesetz die Beförderungskosten nur insoweit übernommen, als sie bei der Fahrt zur jeweils nächstgelegenen öffentlichen Schule entstehen würden, und zwar unabhängig von der Schulart. Die Beschwerdeführer sind Eltern eines Kindes, das gegenwärtig die 6. Klasse einer Freien Waldorfschule besucht. Bei der Berechnung und Festsetzung der für das Kind zu übernehmenden Schülerbeförderungskosten stellte die zuständige Behörde auf die nächstgelegene Realschule plus ab. Die Eltern haben demnach seit Januar 2012 von den Fahrkosten ihres Kindes monatlich 42,20 € selbst zu tragen.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer unmittelbar gegen die im Privatschulgesetz enthaltene Regelung der Schülerbeförderungskosten für die Freien Waldorfschulen. Sie rügen eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Willkürverbots. Der Verfassungsgerichtshof wies die Verfassungsbeschwerde als unzulässig zurück.
Die Zulässigkeit einer direkt gegen ein Gesetz gerichteten Verfassungsbeschwerde setze voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffene Norm unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen sei. Bedürfe ein Gesetz der Umsetzung durch einen besonderen Vollzugsakt, müsse der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebe. Denn dem Verfassungsgerichtshof solle vor seiner Entscheidung ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und die Fallanschauung der Fachgerichte vermittelt werden. An diesem Erfordernis der unmittelbaren Betroffenheit fehle es hier, da die angegriffene Vorschrift zu ihrer Umsetzung eines Bescheides bedürfe, mit dem die Höhe der von der Kommune zu übernehmenden Kosten der Fahrt zur Schule des Kindes der Beschwerdeführer berechnet und festgesetzt werde. Gegen diesen Bescheid stehe den Beschwerdeführern der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen.
Ein Ausnahmefall, in dem der Verfassungsgerichtshof über eine gegen ein Gesetz gerichtete Verfassungsbeschwerde vor Erschöpfung des Rechtsweges vorab entscheiden könne, liege nicht vor. Zwar rügten die Beschwerdeführer allein die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Ungleichbehandlung der Freien Waldorfschulen einerseits und anderer Privatschulen sowie der öffentlichen Regelschulen andererseits. Die Ermittlung und rechtliche Bewertung des Sachverhalts durch die Fachgerichte sei aber gleichwohl unentbehrlich, um zu verhindern, dass der Verfassungsgerichtshof auf ungesicherter Grundlage weitreichende Entscheidungen treffen müsse. Da Landesregierung und Landtag die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die angegriffene Ungleichbehandlung in der besonderen Funktion, Struktur und pädagogischen Ausgestaltung der Freien Waldorfschulen sähen, bedürfe es vor einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung einer fachgerichtlichen Ermittlung des Sachverhalts insbesondere zu den genannten Umständen. Außerdem könnten auch die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen der Verwaltungsgerichte mit der rechtlichen Beurteilung schulrechtlicher Sachverhalte dem Verfassungsgerichtshof bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der hier umstrittenen Regelung von Nutzen sein. Insofern unterscheide sich der vorliegende Fall von dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 29. November 2010 zugrunde liegenden Sachverhalt, der die – inzwischen gestrichene – Regelung der Eigenbeteiligung der Schüler der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen an den Beförderungskosten betroffen und – anders als hier – keine vorherige Prüfung tatsächlicher oder einfachrechtlicher Fragen durch die Fachgerichte erfordert habe.
Beschluss vom 17. Dezember 2013, Aktenzeichen: VGH B 23/13