COMENIUS-Treffen in Rheinzabern

Mächtig ins Zeug legten sich die jüngsten Schüler

Vom 24.9.-26.9.2013 stand die IGS-Rheinzabern im europäischen Focus. Schüler und Lehrer aus acht verschiedenen Ländern waren angereist, um auf dem Schulcampus Rheinzabern ein COMENIUS-Treffen abzuhalten.

„AAA-All About Apples – Alles über Äpfel“ heißt diesmal das Thema des von der EU geförderten Schülerbegegnungsprogramms, an dem die Rheinzaberner zum zweiten Mal teilnehmen und das sich über die Jahre 2012 und 2013 erstreckt. Nach Meetings in Brens/Frankreich, Rom/Italien und Walsall/England machten nun die Gäste den Schulort von Koordinatorin Bettina Lang-Vierthaler, Rheinzabern, zum „meeting-point“ und „Nabel Europas“.

„All about Apples“ ist zwar der Anlass, doch im Mittelpunkt stehen das Kennenlernen und Respektieren der Vielfalt europäischer Menschen, ihrer Mentalitäten und Kultur. Natürlich ist dies nur auf dem Lernzielniveau von „Einblick“ möglich, denn zu mehr ist keine Zeit. Doch ist der Appetit einmal angeregt, dann bleibt von solchen Begegnungen lebenslanger Ertrag, nicht zuletzt erleichtert durch E-Mail, Facebook, SMS, Handy, Chat, Briefe oder Billigflüge – anders als früher, wie Ortsbürgermeister Beil in seiner Begrüßung betonte, als sich die Jugend Europas allenfalls auf Schlachtfeldern traf, woran bald der 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs von 1914 erinnern wird – oder etwa auch der 50. Gedenktag des dt.-franz. Freundschaftsvertrages von 1953. 

Schülerinnen und Schüler zwischen 12 und 18 Jahren – und aus verschiedensten Schularten – galt es zusammen- bzw. in Privatfamilien unterzubringen und viel vom dt. Alltag mitnehmen zu lassen. Sie kamen aus Ridala an der Nordwestecke Estlands, aus Vratsa, ca. eine Stunde nördlich Bulgariens Hauptstadt Sofia, aus Nikosia, der Hauptstadt Zyperns, aus Rom, aus Betanzos, ca. 60 km nördlich von Santiago de Compostela im spanischen Galicien, aus Brens bei Toulouse/F, aus dem mittelenglischen Walsall bei Birmingham sowie aus dem Tiroler Apfelanbauzentrum Haiming – und natürlich aus der IGS-Rheinzabern. Herrliches Altweibersommerwetter versüßte die Unternehmungen, wobei sich die Esten sehnlichst Sonne gewünscht hatten, während sich die Bulgaren nach monatelangen Sonnentagen über 30°C nach Regen sehnten.

Flaggenparade zur Begrüßung

Die IGS-Rheinzabern hatte ein abwechslungsreiches Programm vorbereitet, bei dem „Langeweile“ ein achtfaches Fremdwort blieb, hingegen die Zeit zwischen den Fingern hindurch zu rieseln schien. COMENIUS-Schüler hatten entsprechend das Schulhaus dekoriert, und ein Großaufgebot an Eltern um SEB-Sprecherin Christine Gartner leistete Unterstützungsarbeit; manche hatten sich sogar eine Woche Urlaub genommen.

Mit einer schwungvollen Begrüßungsassembly hieß die IGS nicht nur ihre COMENIUS-Gäste willkommen, sondern auch ihre neuen Fünftklässer, denen zugleich ein „europäisches Forum“ geboten wurde. Eine kleine Flaggenparade signalisierte die Herkunft der Gäste, die von den Fünftklässern in der jeweiligen Landessprache begrüßt wurden. Angesichts von Estnisch, Bulgarisch oder Griechisch war dies gar nicht so einfach, wurde aber umso herzlicher empfunden.

War das Kennenlernen in den Familien auch ein Schwerpunkt, so gab es natürlich auch offizielle Begegnungsmöglichkeiten bei Unterrichtsbesuchen oder z.B. einer Apfel-Olympiade im Anschluss an die Begrüßung. Gemischte Teams mussten in Geschicklichkeitswettkämpfen zusammenhalten und durften nur English als „Arbeitssprache“ benutzen. Wehe, wem es dabei die Sprache verschlug! Sinnigerweise trugen die Teams Namen berühmter Apfelsorten wie etwa Braeburn, Elstar oder Jona Gold. Bei einem gemeinsamen Ausflug zum Freizeitpark Tripsdrill konnten sich rund 180 Gäste, Gastgeber und Mitschüler beschnuppern bzw. anfreunden. 

Dreifacher Brückenschlag

Zur Vielfalt Europas gehört natürlich auch die Buntheit der Lebensräume und deren Geschichte. Bei bisherigen „AAA-Besuchen“ in Brens, Rom und Walsall gab es so manches historisch-kulturelle Highlight zu entdecken. Insbesondere die „ewige Stadt“ stellte alles in den Schatten, doch ist auch unser Raum nicht ganz unbedeutend, lag er doch jahrhundertelang – und liegt jetzt wieder – im Zentrum Europas, was nicht zuletzt der Speyerer Dom symbolisiert, der den Koordinatoren bereits beim Vortreffen im Januar 2012 näher gebracht worden war. Außerdem sind die Reize von Pfälzerwald, Rheinebene und Kraichgau auch nicht von Pappe, weshalb die Gäste die Anspielung von der Pfalz als Paradies durchaus verstanden. Und gilt nicht der Apfel als berühmteste Frucht des Paradieses?

„Erstes Bonbon“ für die Lehrer war die Reichsfeste Trifels, eine der bedeutendsten Stauferburgen, verbunden mit dem Namen Friedrich Barbarossa. „Wer den Trifels hat, hat das Reich!“, hieß es lange. Engländer und Franzosen ist „Richard the Lionheart“-Richard Löwenherz- ein Begriff, prägte er ja auch die engl.-frz. Geschichte. Die Österreicher spitzten die Ohren, saß Löwenherz doch nicht nur auf der Festung Dürnstein in der Wachau, sondern auch auf dem Trifels als Geisel fest. Die Sage vom getreuen Sänger „Blondel“ verschweigt indessen, dass Löwenherz erst gegen eine gigantische Lösegeldsumme frei kam. Die Ursache für dieses politische Kidnapping lag in Differenzen der Europäer während des dritten Kreuzzugs. Mehr noch als Barbarossa bildete sein Enkel, Stauferkaiser Friedrich II., eine Brücke bis nach Süditalien. Friedrich II. baute sogar Brücken in den Orient, war er doch hoch gebildet und sprach Arabisch. Nachbildungen der Reichskleinodien erinnern an die Universalität der mittelalterlichen Reichsidee in der Nachfolge des Römerreiches. Sei angemerkt, dass in den 30-er Jahren der Trifels zur „nationalen Weihestätte“ ausgebaut wurde. Obwohl diese Zeiten längst passé sind, bilden sie aber noch heute mit eine Ursache für die europäischen Begegnungen á la COMENIUS. Ist die europäische Einigung auch weit voran geschritten, so gab es bei einem zünftigen Vesper doch erheblichen Gewöhnungsbedarf für Pfälzer Hausmacher und Schoppenglas. 

Die einst fürstbischöflich-speyerische Fachwerkstatt Bretten steht für einen anderen Aspekt europäischer Geschichte. Während im Europa nördlich der Alpen die Reformation gewaltige Auswirkungen auf Menschen und Politik hatte, war dieses Thema für Spanien, Italien oder Bulgarien direkt kaum relevant. Allerdings bedeutete die Reformation für Kaiser Karl V., in dessen Reich die Sonne nicht unterging, im mitteleuropäischen Bereich eine große Herausforderung, die sich nicht zuletzt in Reichstagen 1521, 1530 und 1555 artikulierte. Karl V. stand zwischen dem Papst, dessen Interessen er schützen sollte, und den protestantischen Reichsfürsten, die sich des Kirchengutes bemächtigt hatten. Diese Fürsten aber brauchte der Kaiser im Kampf gegen die eindringenden Türken im Osten und die Franzosen im Westen. Bretten, im Einfluss der französischen Machtpolitik des 17.u.18. Jh. mehrfach heimgesucht, ist auch Heimatort von Philipp Melanchthon, dem engsten Mitarbeiter Martin Luthers. Im Melanchthonhaus erfährt so mancher europäische Lehrer aus der Nähe von Lutheranern, Calvinisten und Katholiken und von der jahrhundertelangen Glaubensspaltung im deutschen Raum, die im 30-jährigen Krieg 1618-1648 ihren absoluten Höhepunkt gefunden hatte. Unstrittig, dass durch Religion auch Mentalität und nationales Denken beeinflusst werden, was sicherlich im Selbstverständnis jeder Nation mitwirkt. 

Schließlich das Zisterzienserkloster Maulbronn, UNESCO-Weltkulturerbe von einzigartiger Atmosphäre. Sein universeller Geist sprang sofort auf die COMENIUS-Lehrer über und versinnbildlichte ein Stück europäischer Geistes- und Kulturgeschichte des Mittelalters, die von Frankreich ausging und letztendlich auch über Bernhard von Clairvaux bis zu den Kreuzzügen reichte. Die weitgehend erhaltene Klosteranlage (größte Bedeutung um 1450) verdeutlicht zudem idealtypisch den Aufbau einer Abtei und deren Funktion. Dass am Ort „Maul-Bronn“ dann „Maul-Taschen“ als schwäbische Spezialität gereicht wurden, war ein weiterer Schritt des Lernens und Begreifens mit allen Sinnen. Sogar Maulbronns Bürgermeister ließ es sich nicht nehmen, den europäischen Geist der COMENIUS-Gäste zumindest für wenige Minuten zu verspüren. Zisterzienser wirkten als Pioniere und Kolonisatoren in viele europäischen Ländern. Der christlich-abendländische Geist ist noch heute ein wichtiges Bindeglied Europas, auch wenn Europa in manchen Teilen entkonfessionalisiert zu werden scheint.

Pick the Apple! 

Kurzfristig wurde am Abschlussmorgen das Foyer der IGS-Sporthalle zum „Tonstudio“ umfunktioniert. „Wo man singt, da lass‘ dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder!“, heißt eine alte Lebensweisheit. Und so war es ein wichtiges Anliegen für Schulleiter Pete Allmann, dass ca. 180 Schüler und Lehrer, Comenius-Freunde aus 9 Nationen, mehrere Songs aufnahmen, die als CD erscheinen werden. Jede Schule konnte im Vorfeld des Besuchs die Texte und Melodien von der AAA-Homepage downloaden. „Seid dabei/Let us join“, der Schulsong, erklang aus dutzendfachen Kehlen. Mit „Pick the Apple“ galt es, den Projektsong in Gleichklang zu bringen, was zusätzlich durch Refrains in den verschiedenen Landessprachen „garniert“ wurde. Schulleiter Pete Allmann ging bei diesem Vorhaben bis an die Grenzen seiner Kraft, doch hatte er Erfolg. Schließlich erklang noch „Lay down your heart“, wodurch nicht wenige den Gänsehauteffekt verspürten: Europäischer Gemeinschaftsgeist soll junge Menschen packen, um die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Dazu bedarf es Kopf, Herz und Hand.   
Zwischen den Liedern gab es eine Stärkung aus „Erdäpfeln“ und Äpfeln vom Baum: „Grumbeersupp“ (Kartoffelsuppe), Kartoffelpfannkuchen und  Apfelbrei, eine alte Pfälzer Spezialität, mit der einst eine Mutter viele hungrige Mäuler stopfen konnte. Im Akkord bruzzelten Köchin Christine Stehlin und ihre Assistentin auf einem Großbräter hunderte von „Grumbeerdatsche“, wie die Rheinzaberner sagen, Mütter fungierten als Essensträger oder gaben die Spezialitäten aus. Eine gute Abwechslung zu Fast food und Mikrowelle. 

Die Gäste gingen – AAA geht weiter

Während im JUZE Jockgrim eine Farewell Party lief, trafen sich Kollegen der IGS und Comenius-Lehrer im Gewölbekeller eines zünftigen Lokals, um bei mittelalterlicher Gauklermusik stilgerecht zu dinieren, Pläne zu schmieden bzw. die Tage Revue passieren zu lassen. Dass die Stimmung bestens war, lässt sich leicht erahnen. Leider aber verging die Zeit im Fluge und es hieß: Farewell, Au revoir und Good bye – Umarmungen, Bussi und Ciao inklusive. Die COMENIUS-Karawane zum Thema „AAA“ trifft sich allerdings noch einmal in Nikosia auf Zypern.

Und was bleibt als erstes Resümee?  „Pick the Apple“, heißt das Projektlied, doch dürften die Kinder viele „Früchte“ gepflückt haben – Mosaiksteinchen von Eindrücken und Erlebnissen, die zum Bild Europas beitragen. Schulleiter Pete Allmann dankte mehrfach den vielen helfenden Händen vor und hinter den Kulissen, den Lehrern um Koordinatorin Bettina Lang-Vierthaler, der Ortsgemeinde und Verbandsgemeinde, insbesondere aber dem Elternausschuss mit zahlreichen Müttern. Ohne diese aktiven Eltern wäre die Belastung nicht zu stemmen gewesen, meinte Pete Allmann. Die IGS-Rheinzabern indes präsentierte sich wieder als guter Gastgeber.