Am 28. August 1988 hat die Flugkatastrophe von Ramstein die ganze Bundesrepublik erschüttert. Begonnen hatte es damals als fröhliches Ereignis, als eine Flugschau, die im Zuge der deutsch-amerikanischen Freundschaft, ein Beispiel für das Können der Militärpiloten liefern sollte. Das Unglück begann, nachdem drei der Flugzeuge bei einer besonders schwierigen Figur miteinander kollidierten.
Über 1000 Menschen wurden durch die herabstürzenden brennenden Wracks verletzt, insgesamt 70 kamen ums Leben. Auch zahlreiche Kinder waren unter den Opfern. Auch heute noch, 25 Jahre später, leiden viele der Betroffenen unter den körperlichen und seelischen Folgen des Unglücks.
Dabei war bereits im Vorfeld vor den Risiken einer Flugschau gewarnt worden. Vor allem zahlreiche Pfarrer hatten sich gegen das Projekt ausgesprochen. Unter ihnen war auch der damalige Kirchenpräsident Werner Schramm, der die Bitte an alle Christen aussprach, dem Ereignis fern zu bleiben. Nach der Katastrophe warnte er jedoch auch vor voreiligen Schuldzuweisungen. Bei einer Trauerfeier in Ramstein für die Opfer, sagte Schramm:
„Der Tag von Ramstein hat uns niedergeworfen. Er hat uns runtergeholt von den verschiedenen anspruchsvoll vorgetragenen Positionen: Hier die Befürworter des Flugtages – dort die Warner. Der Blitz vom Himmel hat unsere Illusion zerfetzt, dass die Macht und Freude des Menschen immer noch zu steigern sei. Der schreckliche Feuerball. Die vielen Toten und Verletzten. ‚Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben; ich habe das Gute vergessen‘ (Klagelieder Jeremias 3, Vers 17).“
Doch auch Hoffnung gäbe es laut dem Kirchenpräsidenten: „Es werden wieder Tage kommen, die uns niederwerfen. Was ist das Beste für uns? Ich meine: Das Beste für uns ist: Lassen wir uns aufrichten, um in dieser Haltung besser hören, sehen und lernen zu können! Hören – sehen – lernen und gehen. (…) ‚Denn der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen der nach ihm fragt‘ (Klagelieder Jeremias 3, Vers 25).“
Nicht nur Werner Schramm, auch der ehemalige Dekan von Ludwigshafen, Friedhelm Borggrefe, hatte vor den möglichen Folgen von militärischen Flugschauen gewarnt. Bei einer Andacht am 31. August für die Opfer, berichtete er in der Lukaskirche:
„Ich wurde Augenzeuge, als der Notarzt ein sechsjähriges Kind in unserer Unfallklinik auslud. Ich sprach mit den Krankenschwestern in unserem Klinikum in der Nacht vom Sonntag. Und ich bin bei den Menschen aus unserer Gemeinde gewesen, deren Kinder in Mannheim und in Lothringen liegen, während die Eltern hier um deren Leben bangen. (…) Gott will nicht die Machtdemonstration des Menschen. Gott will nicht, dass wir unsere Konflikte mit Gewalt lösen, er will dass wir mit unseren Konflikten leben. Gott will nicht, dass wir uns mit unserer Technik bedrohen, er will, dass allen Menschen geholfen werde, – auch mit der Technik. Weil Gott das Leben will und jedem Kind schon in der Taufe das Leben zusagt, darum können wir heute nicht nur beten sondern fordern: Wir brauchen keinen Flugtag: wir brauchen einen Tag ohne Flüge, wo die Schäfer im Landstuhler Bruch ihre Herden weiden, die Kinder ohne Fluglärm spielen können und viele Menschen aus allen Nationen ein großes Friedensfest feiern. Warum sollte das nicht möglich sein? Wir wollen leben!“
Die Flugkatastrophe hinterließ jedoch nicht nur Opfer mit körperlichen Schäden. Viele litten nach dem Unglück auch unter schweren seelischen Nachwirkungen. Hilfe in diesem Bereich gab es nur wenig. Der derzeitige landeskirchliche Beauftragte der Notfallseelsorge, Pfarrer Detlev Besier, erzählt:
„Am Tag des Flugunglücks hielt ich zusammen mit einem Arbeitskreis „Frieden“ und dem damaligen Vikar Wulf Pippart in der evangelischen Kirche in Ramstein einen Friedensgottesdienst, der unter anderem auch den Flugtag zum Thema hatte. Währenddessen stießen die Flieger am Himmel zusammen. Als Seelsorger war ich somit nicht vor Ort. Nach der Katastrophe habe ich mich allerdings mit vielen Helfern des Deutschen Roten Kreuz unterhalten und sie eine Wegstrecke bei der Bewältigung des Erlebten begleitet. Durch die Gespräche zeigte sich, dass es für solche Katastrophen dringend ein Konzept für die seelsorgerische Arbeit geben müsse. Deshalb kam mir zusammen mit Kollegen aus den Kirchenbezirken Otterbach und Kaiserslautern erstmals der Gedanke eines Notfallseelsorgesystems. Im Laufe der nächsten zehn Jahre konnten wir diese Idee realisieren. Dabei war die Flugkatastrophe von Ramstein der Auslöser für das Projekt und die gemachten Erfahrungen lieferten den Leitfaden unserer Arbeit. Heute stellt das Notfallseelsorgesystem im Gebiet der Evangelischen Kirche der Pfalz ein beinahe Flächendeckendes Netzwerk dar.“