In einer Gemeinde Dienst zu tun und jeden Sonntag auf derselben Orgelbank zu sitzen – für dieses „wunderbare Privileg“ ist Kirchenmusikdirektor (KMD) Gunther Martin Göttsche bis nach Israel-Palästina gereist. Seit Februar 2013 – und mindestens für die nächsten viereinhalb Jahre – versieht der in Speyer aufgewachsene Sohn des langjährigen pfälzischen Landeskirchenmusikdirektors Heinz Markus Göttsche die musikalischen Aufgaben in den beiden deutschen lutherischen Gotteshäusern von Jerusalem, der Erlöser- und der Himmelfahrtskirche.
Er habe sich nach seinem vorgezogenen Ruhestand, nach 21 Jahren als Leiter der kirchenmusikalischen Fortbildungsstätte Schlüchtern, eigentlich noch intensiver seiner Kompositionstätigkeit widmen wollen. Die Nachricht jedoch von der Vakanz der verlockenden Aufgabe als Titularorganist bei der deutschen lutherischen Gemeinde in Jerusalem ließ ihn ohne Zögern handeln. „Ich kannte die Stadt und die Kirchen mit ihren schönen, wenn auch ein wenig pflegebedürftigen Orgeln von einem vierwöchigen Urlaubsdienst 2007.“
Die Tatsache, dass ein gestandener A-Kirchenmusiker seine Dienste ehrenamtlich feilbot, ließ auch Probst Wolfgang Schmidt, mit dem Göttsche mittlerweile eine herzliche Freundschaft verbindet, umgehend handeln. Die gemütliche Wohnung im Dachgeschoss der Probstei, gleich bei der Erlöserkirche, ward prompt hergerichtet für den deutschen Kantor und seine Gattin Heidrun.
Schon einmal hatte die deutsche Gemeinde in Jerusalem eine mehrjährige musikalisch intensive Ära durchlebt. Die bislang einzige hauptamtliche Kantorin, Elisabeth Roloff, war 2008 verstorben und mit ihr kehrten die Zeiten der kurzfristigen Vertretungslösungen bei der seit Ende des 19. Jahrhunderts bestehenden lutherischen Gemeinde Jerusalems zurück. Auch die von ihr gegründete und mittlerweile „entschlafene“ Orgel-Klasse an der Musikakademie will KMD Göttsche wieder beleben.
Zuallererst aber schmückt er die allsonntäglichen Gottesdienste mit großer, schöner Orgel-Literatur, probt mit seinem kleinen, jedoch hochmotivierten Kirchenchor. „Wohl das variabelste Gebilde, dem ich jemals vorstand – die meisten Deutschen bleiben ja nur kurz in Jerusalem, dafür bereichern uns Gäste und Touristen, die spontan mitwirken.“ Dabei komme ihm die von seinem Vater geerbte Tradition des unbefangenen, aber fantasievollen kirchlichen Musizierens zugute, die stets mit den vorhandenen Menschen und ihren Möglichkeiten – vokal oder instrumental – das Optimum zu erreichen suche.
„Jeden Sonntag“, so berichtet Gunther Martin Göttsche weiter, „ sitzt eine interessierte Gemeinde von 60 bis 200 Menschen in der Kirche und wir schaffen es schon fast in jedem Gottesdienst, mit einer musikalischen Besonderheit aufzuwarten.“ Bald wolle er den Chor – eine Idee von Probst Schmidt – ökumenisch ausweiten. „Bei rund 40 in Jerusalem ansässigen christlichen Konfessionen scheint mir das gar nicht so schwierig.“
Auch eine attraktive, gutbesuchte Konzertreihe 2013/2014 weist die Homepage der Gemeinde mittlerweile aus. Dabei wirke sich sehr positiv aus, so Göttsche, dass er nach mehr als 40 Jahren Kirchenmusikerpraxis über vielfältige Kontakte verfüge, „so dass fast jede Woche neue Anfragen nach Konzerten, Gottesdienstmitwirkungen und Gastaufenthalten eintreffen“.
„Daneben ist das Leben in dieser faszinierenden Stadt so bunt und vielfältig, dass jeder Tag ein neues Abenteuer ist.“
Von den arabischen Märkten schwärmt Kantor Göttsche ebenso wie vom teils anstrengenden, aber auch wieder faszinierenden Völkergemisch der Stadt mit ihren zahllosen Ethnien und einmaligen konfessionellen Befindlichkeiten. „Schließlich: Welchem 60-Jährigen wird – wie mir – die Chance geboten, beruflich noch einmal völlig neu durchzustarten?“ Mal schauen, wenn die fünf Jahre vorbei sind, meint er. Auch eine Verlängerung könne er sich durchaus vorstellen.
Hinweis: Informationen über die Kirchenmusik in der Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache in Jerusalem gibt es unter www.redeemermusic.com