Vom 14. bis zum 16. Juni 2013 wird in der Speyerer Partnerstadt Chartres (Frankreich) mit einer umfangreichen Veranstaltung des katholischen Priesters Abbé Franz Stock gedacht.
Er hatte nach dem Krieg das so genannte „Stacheldrahtseminar von Chartres“ geleitet, ein in der Geschichte der Kirche einzigartiges Priesterseminar: Seminaristen und Priester in französischer Kriegsgefangenschaft konnten hier ihre Studien beginnen oder fortsetzen. Vor drei Jahren wurde das Seligsprechungsverfahren für Abbé Franz Stock eröffnet, der als ein Wegbereiter der deutsch-französischen Versöhnung gilt.
Anlass der Gedenkveranstaltung in Chartres ist die Überführung der Gebeine von Abbé Stock vom Pariser Friedhof Thiais in die Kirche St. Jean Baptiste in Chartres-Rechèvres vor 50 Jahren. Die Diözese Chartres gestaltet ein umfangreiches Programm mit Vorträgen, Konzerten, Theateraufführungen und Gebetsnachtwachen. Am Sonntag, den 16. Juni, findet in der Kathedrale Notre-Dame von Chartres ein Pontifikalamt mit Kardinal Paul Josef Cordes statt. Neben der Überführung der Gebeine gibt es einen weiteren historischen Bezug: Am 14. Juni 1963, dem Tag zwischen der Exhumierung und der Beisetzung in Chartres, billigte die französische Nationalversammlung den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag, oft auch Élysée-Vertrag genannt, den Adenauer und de Gaulle im Januar 1963 unterzeichnet hatten.
Weihbischof Otto Georgens nimmt an der dreitägigen Gedenkveranstaltung in Chartres teil. Er pflegt intensive Kontakte nach Frankreich und besonders nach Chartres. Als Delegierter vertritt er die Deutsche Bischofskonferenz bei der Vollversammlung der französischen Bischöfe. Zugleich besteht zwischen den Partnerstädten Chartres und Speyer auch im Verhältnis der beiden Diözesen zueinander eine enge Verbundenheit. Der Bischof von Chartres ist Ehrendomherr des Speyerer Doms, umgekehrt ist auch Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann Ehrendomherr der Kathedrale von Chartres.
Eine weitere Verbindung besteht in der Person des emeritierten Speyerer Domkapitulars Johannes Dörr: Er war einer der jungen deutschen Kriegsgefangenen, die sich in den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges in dem von Abbé Stock geleiteten Stacheldrahtseminar von Chartres auf den Priesterberuf vorbereiteten.
Abbé Franz Stock: ein Sämann der Liebe und Versöhnung
Franz Stock wurde 1904 als Kind einer Arbeiterfamilie im westfälischen Neheim geboren. Er studierte Theologie in Paderborn und Paris und wurde 1932 zum Priester geweiht. 1934 wurde er zum Rektor der deutschen Gemeinde von Paris ernannt. Nachdem Paris von der Deutschen Wehrmacht besetzt wurde, übernahm er die Betreuung der Häftlinge in den Pariser Wehrmachtsgefängnissen und die Vorbereitung der zum Tode Verurteilten. Vielen Menschen rettete Franz Stock das Leben indem er Warnungen aussprach und Informationen weiterleitete. Oftmals konnte er erreichen, dass Todesurteile abgemildert oder die Zahl der geplanten Geiselerschießungen reduziert wurde.
Nach dem Krieg wurde ihm die Leitung des Priesterseminars übertragen, das als „Stacheldrahtseminar von Chartres“ („Séminaire des barbelés“) in die Geschichte eingegangen ist. Es wurde auf Initiative der französischen Regierung und mit Unterstützung des Apostolischen Nuntius Roncalli, dem späteren Papst Johannes XXIII., gegründet. Unter Beibehaltung von Status und Funktionsweise eines Kriegsgefangenenlagers wurden dort alle in französischer Kriegsgefangenschaft befindlichen Priester und Seminaristen zusammengelegt. Die Universität Freiburg im Breisgau übernahm die Patenschaft für dieses Seminar, das über zwei Jahre bestand. Es war das bis dahin größte Seminar. Insgesamt 949 Dozenten, Priester, Brüder und Seminaristen aus Deutschland und Österreich waren im Verlauf der zwei Jahre dort.
Abbé Franz Stock ist 1948 im Alter von 44 Jahren in Paris gestorben. Die Franzosen gaben ihm die Bezeichnung „L’Aumônier de l’enfer“ („Der Seelsorger der Hölle“) und „L’Archange en enfer“ („Der Erzengel in der Hölle“). Viele Widerstandskämpfer haben ihm die Ehre erwiesen. Heute ist der Platz vor dem Mémorial de la France Combattante, das an den Widerstand der Franzosen gegen die deutsche Besatzungsmacht erinnert, nach Abbé Franz Stock benannt. Am 14. November 2009 eröffnete Hans-Josef Becker, der Erzbischof von Paderborn, das Seligsprechungsverfahren für Franz Stock.
Papst Johannes XXIII., damals noch Apostolischer Nuntius in Paris, sagte bei einem Besuch des Seminars von Chartres: „Franz Stock wird eines Tages zum Symbol der Verständigung und Versöhnung der beiden Länder werden.“ Als er die Einsegnung des Toten vornahm, würdigte er sein Leben mit den Worten: „Abbé Franz Stock ist nicht nur ein Name – er ist ein Programm!“
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