Wie können Kirche und Kunst zusammenkommen? Um diese Frage ging es beim Speyerer Dialog „Kirche und Kunst“ am Samstag im Kaisersaal des Speyerer Doms. Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann hatte Maler, Bildhauer und Vertreter anderer Kunstrichtungen, aber auch Priester und kirchliche Mitarbeiter zum Gespräch über Themen eingeladen, die Kirche und Kunst gemeinsam bewegen.
„Religion und Kunst sind uralte Verwandte“, erklärte Benediktinerpater Dr. Elmar Salmann, der über viele Jahre als Professor für Philosophie und Theologie an den Päpstlichen Universitäten Sant’Anselmo und Gregoriana in Rom gewirkt hat und die Promotion von Bischof Wiesemann als Doktorvater betreut hat. „In beiden Feldern geht es um Transzendenz und damit den Ausdruck von etwas, das eigentlich unsichtbar und unsagbar ist“, wies er auf zahlreiche Parallelen hin. Die traditionellen Formen seien zerbrochen. „Das ist einerseits befreiend, andererseits aber auch bedrängend.“ Es gebe in beiden Bereichen eine parallele Ratlosigkeit, wie es mit der Kunst und dem Sinn für Gott weitergehe.
„Das Leben in getrennten Welten hat beiden Partnern nicht gut getan“, stellte Salmann im Blick auf die Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten fest und bemängelte eine „Kunst, die nur noch in Museen und Galerien stattfindet, und Kirchenräume, die nicht mehr durch zeitgenössische Kunst inspiriert sind.“ Die Aufgabe liege heute für beide Seiten darin, aus den jeweiligen Binnenräumen herauszutreten. „Unsere Welt ist gegenwärtig quer durch alle Lebensbereiche in Wandlung begriffen. Kunst und Religion können Katalysatoren für diese Wandlungsprozesse sein.“ Seinen Vortrag hatte er dem Thema „Symbol – Metapher – Spur. Ausdrucksnot und Entdeckungsfreude zwischen Religion und Kunst“ gewidmet.
Die Bildhauerin Madeleine Dietz berichtete von ihrem Eindruck, dass viele Kirchen auf den Besucher etwas vernachlässigt wirken. „Menschen stoßen allzu oft auf einen Kirchenraum mit Wohnzimmercharakter, wo sie doch etwas Besonderes zu finden hoffen“, legte sie den Finger in die Wunde und kritisierte ein Zuviel an Kunsthandwerk und ein Zuwenig an echter Kunst. Ihre Forderung, der Kunst in der Ausbildung der Priester mehr Raum zu geben, verband sie mit der Frage, warum in vielen Kirchen eine dunkle, düstere Atmosphäre vorherrsche. „Als Christen glauben wir an die Auferstehung. Warum sehen wir in unseren Kirchen so oft Jesus am Kreuz, aber so selten Jesus als den Auferstandenen?“ Sie warb für mehr Licht und ein Umdenken in der Farbgebung.
In den Gesprächsrunden wurde betont, dass die Kirche für viele Menschen häufig die erste Begegnung mit der Kunst darstellt, gerade in ländlichen Gegenden. Nach dem zweiten vatikanischen Konzil seien viele Kirchen ausgeräumt und weiß gestrichen worden. Jetzt sei die Zeit gekommen, um diese Räume wieder mit Leben zu füllen. Moderne Kunst bewerteten viele als Chance, die Lebensfragen von heute wieder stärker in die Kirche zu holen und die Menschen für den Glauben neu zu entzünden. Dazu bedürfe es einer stärkeren Offenheit und der Sensibilität, dass eine Kirche kein normaler Ausstellungsraum oder gar ein Museum sei. „Das sakrale Moment muss in der künstlerischen Ausgestaltung spürbar sein“, so eine Teilnehmerin.
Viele Künstler äußerten sich positiv über die Veranstaltung. „Der Tag bietet Gelegenheit, die Kirche in ihrer Haltung zur zeitgenössischen Kunst mehr kennen zu lernen“, sagte der Künstler Klaus Fresenius aus Speyer. Gegenüber dem ersten Künstlertag vor einem Jahr stellte er eine Weiterentwicklung fest, vor allem durch die Impulse von Dr. Elmar Salmann und Madeleine Dietz. „Die Gemeinden sollten stärker ermutigt werden, moderne Kunst in ihre Kirche zu holen“, meinte Wilhelm Derix, der eine Glasmanufaktur im Taunus betreibt und an mehr als 30 Kirchengestaltungen im Bistum Speyer mitgewirkt hat. Deutschland sei auf dem Gebiet der Glaskunst führend. Durch neue Techniken wie zum Beispiel das Aufsprühen von Farbe seien neue Ausdrucksmöglichkeiten geschaffen worden. Unverständlich ist für ihn, dass Glaskunst vor allem in den USA verstärkt nachgefragt wird, während in Deutschland eine Berührungsangst zwischen Kunst und Kirche bestehe. „Und das, obwohl wir eine so reiche und bis ins Mittelalter zurückreichende Tradition haben, religiöse Inhalte über die Kunst auszudrücken.“
„Wir möchten den Dialog zwischen Kirche und Kunst zu einer festen Institution im Bistum Speyer machen“, kündigte Dombaumeister Mario Colletto an, der die Moderation des Tages übernommen hatte. In der Krypta des Domes versammelten sich die Teilnehmer zu einem Abendgebet in Form eines „Evensongs“, der von Domkapellmeister Markus Melchiori und der Capella Spirensis musikalisch gestaltet wurde.