In der Nacht zum 16. Mai 1940 deportierten die Nationalsozialisten 107 Mainzer Sinti, darunter 61 Säuglinge, Kinder und Jugendliche sowie 46 Frauen und Männer in das damals von deutschen Truppen besetzte Polen.
Die Mainzer Bürgerin Hildegard Coester und die Mitglieder des Ortsbeirats Mainz-Altstadt haben zur Erinnerung an die während der Zeit des Nationalsozialismus ins Konzentrationslager deportierten und ermordeten Mainzer Sinti und Roma die Aufstellung einer Gedenktafel in der ehemaligen Birnbaumsgasse initiiert und finanziert.
Am 73. Jahrestag der Deportation, dem 16. Mai 2013, fand in der Altenauergasse (ehemals Birnbaumsgasse) eine Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die deportierten und getöteten Mainzer Sinti und Roma statt. Aus diesem Anlass wurde im Beisein von Oberbürgermeister Michael Ebling eine Stele aus der Reihe „Gedenken – Mahnen – Handeln“ eingeweiht.
In seiner Ansprache erinnerte der OB an einen Satz der damals – im Mai 1940 – acht Jahre alten Augustine Stein-bach, geborene Reinhardt: „Wir waren eine große Familie, und jetzt ist keiner mehr da“. Aus diesem Satz sprechen nicht nur Schmerz und unendliches Leid, sondern auch fassungsloses Entsetzen über die systematische Entrechtung, Verfolgung und Ermordung von Millionen von Menschen in der NS-Zeit.
Viele dieser Opfer waren Sinti und Roma und Mainzer Bürgerinnen und Bürger. Mit deren Verhaftung begann ein langer Leidensweg, der für die meisten von ihnen in den deutschen Vernichtungslagern endete. Nur wenige überlebten. Erst 1982 – also fast 40 Jahre nach Kriegsende! – erkannte die damalige Bundesregierung unter Helmut Schmidt den Völkermord an den über 500.000 Sinti und Roma offiziell an. Und noch einmal 30 Jahre sollten vergehen, bis seit vergangenem Oktober in Berlin auch ein Denkmal an den „Porajmos“, den Völkermord an Sinti und Roma, erinnert – und in Mainz ab heute eine Stele in der Altenauergasse.
Der Oberbürgermeister dankte den Mitgliedern des Ortsbeirats Mainz-Altstadt, die sich von Hildegard Coester für die Idee einer Gedenktafel an die Deportation Mainzer Sinti und Roma gewinnen ließen: „Es ist ein Zeichen der Solidarität und des Mitgefühls. Hier haben sich Menschen berühren lassen vom Schicksal derjenigen, die vor den Augen und wohl vielfach auch mit Zustimmung der Öffentlichkeit aus dem Leben unserer Stadt gerissen wurden.
Es sind diese Menschen, die uns lehren, dass jeder von uns etwas gegen das Vergessen, gegen Unrecht und Diskriminierung tun kann“. Auch der Landesverband der Sinti in Rheinland-Pfalz unter Vorsitz von Jacques Delfeld habe durch sein beherztes und jahr¬zehntelanges Engagement bewiesen, dass Erinnerung nie nur rückwärts gewandt sei. Der Verband habe sich im Gegenteil immer wieder für die Rechte der Sinti, die heute bei uns leben, stark gemacht und wichtige Impulse gegeben.