Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen in Heidelberg fortgesetzt
Jüdische, christliche und muslimische Religionslehrkräfte trafen sich Ende Februar in Heidelberg, um sich über aktuelle Themen des Religionsunterrichts aus den Innenperspektiven der verschiedenen Religionen und Konfessionen auszu-tauschen. Unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und in Anwesenheit von Bilkay Öney, Ministerin für Integration des Landes Baden-Württemberg, wurde der interreligiöse Dialog gestärkt und die Zusammenarbeit im schulischen und außerschulischen Alltag in Baden-Württemberg verbessert.
Organisiert wurde die Fachtagung von Prof. Dr. Boehme (PH Heidelberg) und Prof. Dr. Krochmalnik von der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg.
Eröffnet wurde die Veranstaltung über das „Gebet im Religionsunterricht in interreligiöser Perspektive“ von Bilkay Öney. In ihrem Grußwort forderte die Ministerin insbesondere Respekt für unterschiedliche Lebensentwürfe und andere Religionen. Die Teilnehmer forderte sie auf, sich durch das gemeinsame Gespräch bereichern zu lassen. Dem schloss sich auch Prof. Dr. Wellensiek, Rektorin der Pädagogischen Hochschule in Heidelberg, an. Sie dankte den Teilnehmern außerdem für ihre Bereitschaft, sich mit einem solch „aktuellen, aber auch kritischen Thema“ auseinander zu setzen. Prof. Dr. Manfred Oeming (Vorstands-vorsitzender des Zentrums für interkulturelle Kommunikation) berichtete anschließend über die Aufgabe, der wachsenden gesellschaftlichen Entfremdung zwischen den Religionen zu begegnen.
Für die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden setzt sich auch die Buber-Rosenzweig-Stiftung ein: Daher sprach sich Prof. Dr. Berndt Schaller dafür aus, den praktizierenden Dialog zwischen den Religionen nachhaltig zu fördern.
In ihren anschließenden Statements sprachen Hochschullehrer der katholischen, jüdischen sowie der evangelischen Religionspädagogik über ihre jeweilige Perspektive auf das Gebet im Religionsunterricht: Prof. Dr. Krochmalnik forderte zum Beispiel bundesweit einheitliche Bildungs-standards für jüdische Religionslehrkräfte. Nur so könnten die Schülerinnen und Schüler Teilnahmekompetenzen statt reines Wissen vermittelt bekommen.
Auch Prof. Dr. Boehme stellte die Frage, wie das Gebet die jungen Menschen im Schullalltag überhaupt erreichen kann. Sie ging dabei auf die zahlreichen Formen und Aspekte des katholischen Gebets sowie auf die unterschiedlichen Lehrarten im Kontext der Zeit ein.
Dr. Bernd Schröder, Professor für Religionspädagogik an der Universität Göttingen, sprach insbesondere über die Berührungspunkte der Schülerinnen und Schüler mit dem evangelischen Gebet. Er sprach dabei den Wunsch an die teilnehmenden Religionslehrkräfte aus, dass sie durch die Tagung „Anstöße zum ‚Thema Gebet‘ in den Schulalltag mitnehmen“.
Rabbiner Baumel (Osnabrück) und Rabbiner Pawelczyk-Kissin (Heidelberg) unter-strichen in ihren Vorträgen für den jüdischen Religionsunterricht insbesondere die Aufgabe, zwischen der Beliebigkeit des freien Gebets und der geprägten Form der traditionellen Pflichtgebete im Unterricht zu vermitteln.
Als weiterer Problemkreis wurde die Religionsferne der Elternhäuser diskutiert. Der katholische Religions-pädagoge Reinhold Boschki, Professor an der Universität Bonn, zitierte gar das Wort von der „Glaubensverdunstung“ und „Gebetsverdunstung“. Er machte im Anschluss an Karl Rahner aber klar, dass für ihn jeder Mensch gottes- und somit gebetsbegabt sei. Die pädagogische Frage bleibe freilich, wie man diese Fähigkeit in den Schülerinnen und Schülern wecken könne.
Im Anschluss an die Vorträge tauschten sich die zahlreichen Teilnehmer zwei Tage lang über das Gebet im jüdischen, katholischen, evangelischen sowie islamischen Religionsunterricht aus. Die Fortbildung bot überdies reichlich Gelegenheit zur didaktischen Gruppenarbeit, in der Lehrkräfte aus den vier Religionsunterrichten Methodenfragen besprechen und Erfahrungsaustausch pflegen konnten.
Dr. André Ritter (Europäisches Institut für interkulturelle und interreligiöse Forschung) stellte in seinem Vortrag außerdem die Frage, ob anlässlich interreligiöser Feiern einer Schulgemeinschaft „Gemeinsam oder nebeneinander vor dem einen Gott?“ gebetet werden könne.
In den Diskussionsbeiträgen kamen ferner das Verhältnis von öffentlicher Schule und religiöser Gemeinde sowie die Gefahr der Grenzüberschreitung zur Sprache. Fragen der aktuellen Konzepte performativer Religionsdidaktik, die auch eine „Ritualkompetenz“ in den Blick nimmt, war das Thema des Vortrags von Prof. Dr. Ingrid Schoberth der Universität Heidelberg.
Anschaulich führte anschließend Prof. Dr. Harry Harun Behr (Universität Erlangen-Nürnberg) in die Gebetsformen ein, die im islamischen Religionsunterricht thematisiert werden können.
Für die Organisatoren Prof. Dr. Krochmalnik und Prof. Dr. Boehme war die Veranstaltung ein voller Erfolg: „Unser Ziel war es, den ReligionspädagogInnen ein Forum zu bieten, in dem sie sich interreligiös austauschen sowie fortbilden können. Und das haben wir erreicht!“, so Boehme. Und Krochmalnik ergänzt: „Die Anwesenden konnten für ihren eigenen Unterricht zahlreiche Anregungen aus den reichen religiösen Erziehungs- und Bildungstraditionen bzw. Lern- und Lehrtraditionen sowohl der jüdischen als auch der christlichen und der islamischen Religion schöpfen. Das freut uns sehr.“
Die Beiträge der Fortbildungstagung werden in der Reihe „Religionspädagogische Gespräche zwischen Juden, Christen und Muslimen“ publiziert.
Die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg (HfJS) existiert seit 1979. Sie wird vom Zentralrat der Juden in Deutschland getragen und durch Bund und Länder finanziert. Die HfJS ist eine staatlich anerkannte Hochschule.
Mit zehn Professuren und ebenso vielen Assistenzstellen ist die Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg heute das europäische Kompetenzzentrum in ihrem Fach: Nirgendwo sonst in Europa können Jüdische Studien in vergleichbarer Breite studiert werden. Dies erlaubt es der HfJS, ihren jüdischen und nichtjüdischen Studierenden die Vielschichtigkeit und Faszination des Judentums zu vermitteln und wissen-schaftliche Akzente zu setzen.
An der Pädagogischen Hochschule Heidelberg werden rund 4.600 Studierende von etwa 70 Professorinnen und Professoren sowie zahlreichen Dozenten unterrichtet. Kernaufgabe der Hochschule ist die Bildung von Lehrerinnen und Lehrern für das Lehramt an Grundschulen, Werkreal-/Haupt-/Realschulen sowie für das Lehramt Sonderpädagogik.
Als bildungswissenschaftliche Hochschule ist sie außerdem mit der Qualifikation anderer pädagogischer Berufsgruppen, insbesondere in den Bereichen Frühpädagogik, Gesundheitsförderung, Inklusion und Medienbildung, beauftragt. Ein weiterer Schwerpunkt ist die bildungswissenschaftliche Forschung sowie die Qualifizierung von Doktoranden und Postdoktoranden.