Kann man über Mundstuhl eine positive Kritik schreiben? Nur schwer. Kann man einen Verriss schreiben und darauf hinweisen, dass viele Witze alt sind wie der Wald, in weiten Teilen geschmacklos und noch dazu auf hilflose Randgruppen gezielt wird? Sicher, man rennt aber offene Scheunentore ein.
Was bleibt ist eine ausgewogene Betrachtung des gestrigen Unterhaltungsprogramms der beiden hessischen Krawallkomiker. Seit ca. 20 jahren hält das Duo ein recht beträchtliches Stammpublikum bei der Stange. Wie bei Erfolgen von längerer Dauer nötig und üblich spricht ihr Programm schlichtere Gemüter an, aber auch aufgeschlossene Zeitgenossen, die sich zum Zwecke der Abwechslung und abseits des politischen Kabaretts am Unreinen delektieren wollen. Beide Gruppen vereint die Lust am politisch Unkorrekten, am Ausscheren aus dem angepassten Verhalten des Alltags, kurz: die naive Lust an Muschi-und Schniedel-Witzen.
Im Vergleich zu älteren Programmen waren am vergangenen Donnerstagabend keine Veränderungen zu bemerken. Humor-Innovationen fanden nicht statt. Die bekannten Charaktere – allen voran „Dragan und Alder“ – betreten die Bühne und reden derben Unsinn, berichten über ihren ungesunden, illegalen und unvernünftigen Lebenswandel. Die schiere Quantität anstößiger Entgleisungen schafft aber – das kann man zugestehen – eine Qualität der eigenen Art. Dafür sind sie bekannt, darum mag sie das Publikum.
An einigen Stellen des Programms kommen Gags tatsächlich in die Nähe des Gravitationsfelds richtigen Kabaretts – sie werden aber ob ihrer Seltenheit leicht überhört oder zur Freude des Publikums sofort von einer Horde Geschmacklosigkeiten niedergeknüppelt.
Für alle, die leider nicht an Tourrette leiden, sich nicht trauen im Alltag laut „Arschlöchle“, „Scheissendreck“ oder „Hitler“ zu schreien, werfen sich Lars Niedereichholz und Ande Werner in die Bresche. Mundstuhl bieten eine ehrliche Show: Es steht Mundstuhl drauf und es ist Mundstuhl drin. Das hat seine Berechtigung, denn nur Humor-Unterricht von Dr. Eckart von Hirschhausen macht vielleicht sogar auf die Dauer krank.