Leserbrief von Guido Carl zur deutschen Energiepolitik
Guido Carl: "Fritz Richter kritisiert ganz zu Recht die massiven Preiserhöhungen bei der EEG-Umlage, denn sie sind überhöht und unsozial. Ein fataler Denkfehler ist jedoch der Schluss, die deutsche Energiewende sei ein Irrweg. Denn der Ausstieg aus fossiler und nuklearer Energie ist nichts weniger als notwendig, um eine Umwelt zu erhalten, die dem Menschen das Überleben erst erlaubt.
Es ist schon paradox, dass der Naturschützer Fritz Richter den globalen Irrweg der Energieerzeugung ignoriert, kein Wort über Tschernobyl, Fukushima und das Drama um die Atommülllagerung verliert und offenbar blind ist für massive Klimaveränderungen wie schmelzende Polarkappen, katastrophale Orkanschäden und Verluste ganzer Ökosysteme. Wer dann noch den Ökostromern goldene Nasen andichtet, redet gerade denjenigen Großkonzernen und Stromhändlern das Wort, die in den vergangenen Jahrzehnten die Strompreise in die Höhe getrieben und damit Rekordgewinne erzielt haben.
Um es klar zu sagen: 2/3 der Preissteigerungen zur Jahreswende haben nichts mit Ökostrom zu tun, sondern mit absurden, Preis treibenden Regelungen. Beispielsweise steigt die EEG-Umlage, wenn Ökostrom die Börsenpreise senkt. Von der Umlage befreit sind z.B. die Kohlegruben der Energiekonzerne RAG und Vattenfall, Schlachthöfe von Wiesenhof oder der Erdölmulti Exxon. Entsprechend höher fällt die Stromrechnung für Privatkunden und kleinere Unternehmen aus.
Aber damit nicht genug: Zwar führt die zunehmende Menge an Ökostrom zu sinkenden Großhandelspreisen, doch in der Vergangenheit wurden Strompreis-senkende Effekte nicht an die Verbraucher weitergegeben: sie landeten in den Gewinnmargen der Stromkonzerne. Der Netzausbau nutzt vor allem den Großkonzernen, die Offshore-Windanlagen bauen; mehr Windkraftanlagen an Land würden viele Nord-Süd-Stromautobahnen überflüssig machen und damit Kosten sparen. Die Netzbetreiber haben jahrelang nur wenig in die Instandhaltung der Stromnetze investiert und damit ihre Gewinnspannen erhöht. Die CO2-Emissionszertifikate wurden lange Zeit verschenkt, und trotzdem haben die Energieversorger dafür den Strompreis erhöht.
Die Vielzahl der unsinnigen, widersprüchlichen und oft auch unsozialen Regelungen muss tatsächlich überarbeitet werden: Neben der EEG-Umlage gehören Kohlesubventionen ebenso auf den Prüftisch wie überhöhte Preise und Steuerbegünstigungen. Aber es hat keinen Sinn, die Energiewende insgesamt abzublasen und also das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Freilich: Die Energiewende gibt es nicht umsonst. Ich verstehe aber die Kosten – soweit sie denn tatsächlich an die Ökostromer fließen – als Investition in den Umbau eines veralteten Energieparks. Denn tatsächlich sind viele Großkraftwerke schon so alt, dass sie in den nächsten Jahren ersetzt werden müssen. Noch stammen 75% des Stroms aus Kohle und Atomkraft und doch befindet sich der deutsche Strommarkt ganz offensichtlich in einem Umbruch. Die Energiewende ist eine reelle Chance auf eigenständige und ökologisch saubere Selbstversorgung. Nutzen wir unsere Chance."