Die kommunalen Spitzenverbände Rheinland-Pfalz mahnen eine zügige und mehr Ergebnis orientierte Debatte über die Reform der kommunalen Finanzen und die Weiterentwicklung
des kommunalen Finanzausgleichs – KFA – an. Damit die Vorgaben des VGH-Urteils vom 14. Februar 2012 frist- und sachgerecht umgesetzt werden können, halten sie es für notwendig, dass das Land sich umgehend und verbindlich zum Umfang der finanziellen Mittel äußert, die es nach dem VGH-Urteil zusätzlich für die Kommunen bereitstellen will.
Vor gut einem halben Jahr hat der VGH entschieden, dass die kommunale Finanzkrise „von Verfassungs wegen ein entschlossenes und zeitnahes Zusammenwirken aller Ebenen“ erfordert. Das Land müsse seine Zuweisungen an die Kommunen spürbar erhöhen und bis 1.1.2014 ein neues Landesfinanzausgleichsgesetz – LFAG – erlassen, das zukunftsfeste Lösungen für die Finanzierung insbesondere der weiter steigenden Kosten im Sozialbereich einschließlich der Kinder- und Jugendhilfe schafft. Insoweit trage es auch Mitverantwortung für bundesrechtliche Leistungsverpflichtungen der Kommunen. Der Vorsitzende des Landkreistages, Landrat Dr. Winfried Hirschberger, Landkreis Kusel, stellt fest, dass sich die dramatische Finanzsituation vieler Kommunen im Land trotz der unmissverständlichen Entscheidung des VGH weiter verschlechtert habe. „Die Kosten für die Eingliederungshilfe steigen weiter ungebremst und in den Kassen unserer Jugendämter verschlingt der Kita-Ausbau Millionen. Zudem sind die Zuweisungen des Landes für die Landkreise in 2012 auch noch gegenüber dem Vorjahr um gut 30 Mio. Euro rückläufig“.
„Die Liquiditätskredite wachsen weiterhin nahezu ungebremst an, insbesondere bei den kreisfreien Städten und Landkreisen“, ergänzt der Stellv. Vorsitzende des Städtetags, Oberbürgermeister Dr. Bernhard Matheis, Stadt Pirmasens. „Im letzten Jahr stieg diese Verschuldung tagtäglich(!) um rd. 1,5 Mio. Euro an, das ist weitaus mehr, als der Kommunale Entschuldungsfonds überhaupt abbauen kann. Damit gehören die rheinland-pfälzischen Kommunen weiterhin bei der vom Land zu verantwortenden Finanzausstattung zu den Schlusslichtern in Deutschland.“ Der VGH habe den Nagel auf den Kopf getroffen, wenn er feststellt, dass der Entschuldungsfonds allein das Problem nicht wird lösen können. „Dabei ist es ja nicht so, dass vor Ort die Hände in den Schoß gelegt wurden. Die Kommunen beteiligen sich beispielsweise umfassend am Entschuldungsfonds; sehr viele Gemeinden und Städte haben zudem“, darauf weist der Vorsitzende des Gemeinde- und Städtebundes, Bürgermeister Aloysius Söhngen, Verbandsgemeinde Prüm hin, „in den letzten zwei Jahren die Grundsteuer B entschlossen und z.T. massiv angehoben, teilweise gegen erheblichen Widerstand der Bevölkerung. Sie haben erreicht, dass die durchschnittlichen Hebesätze unseren Abfragen zufolge für 2012 gegenüber 2010 sehr deutlich angestiegen sind; landesweit gehen wir von einem Mehraufkommen in der Größenordnung über 30 Mio. Euro aus.“
Positiv bewerten die kommunalen Spitzenverbände, dass der Bund auf Druck der Länder im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt weitere Entlastungen zugesagt hat: Eine abrechnungsnahe und damit deutlich frühere Erstattung der vollen Grundsicherungsleistungen, zusätzliche Mittel für den Kita-Ausbau sowie die Ankündigung, die Eingliederungshilfe neu zu regeln. Aus Sicht von Bürgermeister Söhngen sei das auch anzuerkennen. „Nur: Auch das wird immer noch nicht ausreichen, um die kommunale Finanzkrise so, wie es der VGH einfordert, zu meistern. Was wir jetzt noch brauchen, sind die maßgeblichen Antworten des Landes in Bezug auf seine eigene verfassungsmäßige Pflicht zur angemessenen Finanzausstattung der Kommunen: Wie viele Mittel beabsichtigt das Land den Kommunen zusätzlich bereitzustellen? Welche Maßnahmen beabsichtigt das Land über die Reform des LFAG hinaus zu ergreifen?“ Landrat Dr. Hirschberger moniert, dass das Land mit dem Doppelhaushalt 2012/2013 die Chance vertan habe, über eine unmittelbare Erhöhung seiner Beteiligung an den Soziallasten selbst einen ersten Beitrag für die vom VGH geforderte spürbare Entlastung der Kreisebene zu leisten. „Das relativiert nicht nur die auf Bundesebene erzielten Erfolge, sondern läuft auch den Zielen des Entschuldungsfonds des Landes zuwider“.
Oberbürgermeister Dr. Matheis weist in diesem Zusammenhang auch auf die mangelnden Fortschritte beim Thema Aufgabenzuweisung und Finanzausstattung hin. „Wir kommen da seit nunmehr zwei Jahrzehnten – trotz VGH-Urteil – einfach nicht weiter, eher im Gegenteil: Nach wie vor werden den Kommunen neue Aufgaben übertragen, ohne dass eine auskömmliche Finanzierung sichergestellt ist. Nur einige Beispiele seien genannt: das Waffenrecht, das Betreuungsrecht, die Integrationshilfe an Schulen, der Ausbau der Kindertagesstätten sowie die Schulbuchausleihe.“ Die kommunalen Spitzenverbände vermissen auch deutliche Hinweise und Impulse aus der Enquete-Kommission „Kommunale Finanzen“ des Landtags Rheinland-Pfalz. Diese befinde sich nach wie vor in der Phase der Informations- und Materialsammlung. Auch soll noch ein beim ifo-Institut in Auftrag gegebenes Gutachten abgewartet und diskutiert werden, bevor man eigene Vorschläge entwickeln will. Um welche finanziellen Dimensionen es im Ganzen geht, zeige n die Einschätzungen von Prof. Dr. Junkernheinrich, TU Kaiserslautern. Er unterstützt die kommunalen Spitzenverbände verfahrensbegleitend dabei, die Belastungen im Bereich Soziales einschließlich Kinder- und Jugendhilfe genau zu analysieren und Vorschläge für die Finanzierung dieser Lasten zu erarbeiten. „Wie ich bereits in der Enquete-Kommission erläutert habe“, so Prof. Junkernheinrich, „wird die kumulierte Finanzierungslücke meinen überschlägigen Berechnungen zufolge bis 2020 auf insgesamt rund 8,5 Mrd. Euro anwachsen. Das beschreibt bereits sehr deutlich den dringenden Handlungsbedarf!“
Dass das Land vor diesem Hintergrund – über Änderungen im KFA hinaus – deutlich mehr Geld für die Kommunen bereitstellen muss, steht für die Vorsitzenden aller drei Spitzenverbände fest: „Der VGH hat dem Land – ohne Wenn und Aber – die Letztverantwortung für eine aufgabenangemessene kommunale Finanzausstattung attestiert. Wir brauchen im ersten Schritt das, was auch der Landesrechnungshof in seinem Kommunalbericht 2012 ausdrücklich gefordert hat, nämlich eine deutlich höhere Beteiligung des Landes an den ungedeckten Kosten des kompletten Sozialbereichs und zwar außerhalb des KFA. Erst auf dieser Basis können solide Entscheidungen über die notwendige Weiterentwicklung des LFAG getroffen werden.“