Der unerschrockenste Reporter der Metropolnews liess es sich nicht nehmen, Leib und Leben bei einer Paddeltour zu riskieren. Und zwar im Mannheimer Jungbusch. Letzte Bedenken gehen über Bord, noch bevor das Ufer des Verbindungskanals erreicht ist. Keine Zeit für Zweifel, wer ein wahrer „Metropole“ ist, muss da mit: „When the going gets tough, the tough get going“, da hatte Billy Ocean recht.
Die Aussicht auf Freiheit, Abenteuer und Bier (der Vater aller Dinge) zogen uns in unserer Jugend in den Jungbusch. Heute, in der verlängerten Jugend, ist es die Kultur und, sagen wir mal, Cuba Libre. Die Kunst und das Nachtleben haben am westlichen Rand der Mannheimer Innenstadt über die Jahre nicht gelitten. Im Gegenteil, immer mehr prächtige Blüten sprießen in der ehemals so verschmähten und verrufenen Gegend zwischen Rhein und Neckar. Eine dieser Blüten ist der „Kultur-Brücken e.V.“ mit seinem Loft in der ehemaligen Kauffmannsmühle.
Der Begegnungs- und Veranstaltungsort ist ein bedeutendes Steinchen im heutigen Jungbusch-Mosaik. Denn in Person des Spiritus Rector Hermann Rütermann verbindet sich hier Geschichte und Zukunft des Jungbuschs. Rütermann weiß, wie es früher war, was heute passiert, was sein wird und was sein sollte, damit der Jungbusch nicht seine Seele verliert.
„Kultur-Brücken“ versteht sich als soziokulturelles Begegnungszentrum. Mitarbeiter, kreative Köpfe und Sponsoren sind immer herzlich willkommen. Der Verein will die Überwindung von kulturellen Grenzen voran- und Menschen zusammenbringen. Das Loft bietet Kulturschaffenden und Besuchern ein unabhängiges Forum, auf dem das künstlerische Leben gefördert und mobilisiert werden soll.
Im 2. Stock der Hafenstraße 72 kann einem so ziemlich alles begegnen. Hauptsächlich Musik. Zum Zuhören, zum Mitmachen oder zum Mittanzen. Zum Sound von Busch- oder Balkan-DJs. Wer denkt, nicht tanzen zu können, kann es dort lernen. Wer nicht kochen kann, lernt dort kochen – aber natürlich interkulturell.
Eine besondere Offerte von Hermann Rütermann ist seine geführte Paddel-Tour durch den Hafen. Alles Notwendige wird gestellt. Boote, Schwimmwesten und Zubehör aller Art sind vor Ort im Jungbusch. Die Kosten beschränken sich auf eine freiwillige Spende. Tourführer Hermann gibt eine solide Einweisung: Wasser ist nass und hat keine Balken. Dann geht es los. Ohne viel Aufhebens, easy und entspannt – ganz nach Jungbuschart.
Die Wetteraussichten waren optimistisch und tatsächlich herrschten ideale Bedingungen während unserer Tour. Nicht zu windig und recht warm war es. Falls man baden gehen sollte, hat man es so eindeutig leichter, weiß der erfahrene Seemann. Hinter der legendären Jungbuschtanke wurden die Boote zu Wasser gelassen. 18 Teilnehmerinnen und Teilnehmer rechneten mit allem und hofften auf ein einmaliges Mannheimer Erlebnis.
Um es gleich zu erzählen: Ein paar Leute gingen tatsächlich baden. Natürlich unfreiwillig. Das kann die Freude an einer Kanutour beeinträchtigen. Verständlich also, dass drei Schiffbrüchige das Nachmittagsprogramm frühzeitig beendeten. Ein pudelnasser, unerschrockener Leichtmatrose setzte aber die Fahrt fort. Ganz im Geiste der alten Binnenschiffer, die im Jungbusch zuhause waren und deren Geist noch immer über das überraschend klare Wasser weht.
Da auch Kinder und völlig Ahnungslose die Tour am vergangenen Sonntag meisterten, besteht jedoch kein Grund allzu ängstlich zu sein. Wer zehn Kniebeugen machen kann und Abenteuerlust verspürt, ist körperlich und mental ausreichend gerüstet.
Knapp vier Kilometer Wasserweg galt es, zu bewältigen: durch den Handelshafen, ein Stück den Rhein runter, den Neckar rauf und durch den Verbindungskanal wieder zurück. Zwischen Rhein und Neckar wurde eine Pause samt Picknick eingelegt. Beides war nach der ersten Teilstrecke auch keine Zeitverschwendung.
Entlang der Wasserstraßen begegnete die Gruppe einem Kriegsschiff, der Polizei, Kranichen, Enten, Ausflüglern mit Jetski, der Feuerwehr und etwas, das "Hartz IV-Strand" heißt. Die Kulisse war beton- und stahlgewordene Industrieromantik. Und: Die Gegenwart einer (überschaubaren) Gefahr stärkte eindeutig das ästhetische Empfinden. So etwas kennen postmaterialistische Städter oft ja gar nicht mehr.
Nach vier Stunden war der Spaß vorbei. Die Boote wurden in einer letzten Anstrengung aufs Trockene verfrachtet. Die müden Knochen wurden in die Hafenstraße 72 geschleppt, wo mithilfe einer Erfrischung das Hafenabenteuer verarbeitet werden konnte.
Am nächsten Sonntag heißt es übrigens wieder: Jungbusch ahoi! Alle anderen Termine gibt es auf der Facebook-Seite von Kulturbrücken e.V.