Wenn in diesen Tagen die Mähdrescher das erste Getreide ernten, die späten Kartoffelsorten weiter wachsen und die Trauben in den Weinbergen sich zu färben beginnen, scheinen die jahrelang verkannten Arbeiten des „Erbsenzählers“ Gregor Mendel in Vergessenheit geraten und die Ernteerfolge unserer Zeit eine Selbstverständlichkeit zu sein. Dabei reifen heute auf den über 16 Millionen Hektar in Deutschland nahezu ausschließlich Pflanzensorten, die auf Basis der Vererbungslehre nach Gregor Mendel entwickelt wurden. Gregor Mendel ist es, der als Vater der Genetik noch heute die Arbeit der Pflanzenzüchter bestimmt. Er würde am 20. Juli seinen 190. Geburtstag feiern – Anlass auf die Bedeutung seiner Arbeit aufmerksam zu machen.
Mendel in der Züchtung heute
Trotz großer wissenschaftlicher Fortschritte: Bis heute prägen drei Phasen die Arbeit der Pflanzenzüchter – die Kreuzung (1), um Variation zu schaffen, die Auswahl (2) unter den Nachkommen mit den gewünschten Eigenschaften und schließlich die Erhaltung und Vermehrung (3), um Landwirten und Winzern leistungsstarke und beständige Sorten anbieten zu können. „Jahr für Jahr führen wir auf der Grundlage der Mendel´schen Regeln viele hundert Kreuzungen durch, damit sich das gesamte Erbgut der Kreuzungseltern neu vermischt auf die Nachkommenschaft verteilt“, erläutert Dr. Reinhard Töpfer vom Julius Kühn-Institut (JKI), Institutsleiter des Instituts für Rebenzüchtung Geilweilerhof.
Gesucht wird „Germany‘s Next Topsorte“, die nicht nur auf dem Cover gut aussieht, sondern auch innere Werte mit sich bringt und damit hält, was sie verspricht. Im Weinbau sind Qualität und Widerstandskraft gegen Schädlinge und Krankheiten besonders gefragt. „Wir stecken viel Energie und Herzblut in die Entwicklung neuer Rebsorten. Der Erfolg ist dabei keinesfalls garantiert. Wenn der Durchbruch geschafft ist und eine neue Sorte in Deutschlands Weinbergen wächst, ist das ein echter Glücksmoment und war eine Generationenaufgabe“, sagt Töpfer. Sicherlich wäre auch Gregor Mendel stolz – wenn er wüsste, dass der Grundstein dafür seine Forschungsanstrengungen waren.
Überhaupt wäre es spannend, mit Gregor Mendel eine Zeitreise vorzunehmen und zu erfahren, welche innovativen und kreativen Ansätze er wohl aus heutiger Sicht entwickeln würde. Gregor Mendel glaubte, dass ein Organismus als ein Mosaik von einzelnen Merkmalen aufgefasst werden könnte und brachte den Nachweis für ihre gesetzmäßige Vererbung. „Bedauerlich, dass er den Ruhm seiner Arbeit nicht mehr erleben konnte. Er war bis an die Grenze der damals möglichen Erkenntnisse gestoßen und wandte sich deshalb anderen Fragen in der Forschung zu“, so Töpfer.
Gregor Mendels später Erfolg muss auch heute jeden Forschergeist beflügeln und zum Durchhalten motivieren. „Wir brauchen dringlicher denn je Innovationen. Pflanzenzüchtung übernimmt eine unverzichtbare gesellschaftliche Aufgabe bei der Bewältigung der weltweiten Herausforderungen wie Sicherung der Welternährung, Klimawandel und Bereitstellung nachwachsender Rohstoffe“, so Töpfer abschließend.
Über Mendel
Mendel wurde als Bauernsohn am 20. Juli 1822 in Nordmähren geboren. Er besuchte das Gymnasium in Troppau und Olmütz (Olmuc). Krankheiten und wirtschaftliche Not zwangen ihn, in der Augustinerabtei St. Thomas in Alt Brünn (Brno) um Aufnahme zu suchen. Hier widmete er sich schon bald biologischen Untersuchungen. 1856 begann Mendel seine berühmten Erbsenversuche. Er las reinerbige Erbsen aus und führte mit diesen über 10.000 Kreuzungen durch. Dabei stellte er die drei wesentlichen Regeln der Vererbung auf, die beschreiben, wie die Vererbung abläuft, deren Ausprägung von (nur) einem Gen bestimmt wird. 1865 trug Mendel die Uniformitätsregel, die Spaltungsregel und die Unabhängigkeits- oder Neukombinationsregel im naturwissenschaftlichen Verein vor. Er wurde damals nicht verstanden und gab die Forschung in diesem Bereich auf. 1868 wurde er Abt in der Abtei Alt Brünn. 1883 erkrankte Mendel schwer und verstarb am 6. Januar 1884 in Brünn. Erst im Jahr 1900 wurden seine Vererbungsregeln wiederentdeckt und ihre Tragweite erkannt.
Über das Julius Kühn-Institut:
Das Julius Kühn-Institut (JKI) ist das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen in Deutschland und eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV).
Im Zentrum seiner Aktivitäten steht die gesunde und leistungsfähige Kulturpflanze in der Landwirtschaft, im Wein- und Gartenbau, im Wald und Forst, im urbanen Raum und in der Kulturlandschaft insgesamt. An 10 Standorten im Bundesgebiet arbeiten mehr als 1000 Personen mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Spannungsfeld von grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung und der Einführung von Forschungsergebnissen in die Praxis.
Im JKI-Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof ist Weinbau der Focus mit dem Ziel, neue Rebsorten mit hoher Resistenz gegenüber Schaderregern der Rebe, witterungsbedingten Stressfaktoren und gleichzeitig hoher Weinqualität zu züchten. Rebsorten, die diesen Zielen entsprechen erfordern deutlich geringere Pflanzenschutzmaßnahmen und werden durch Kreuzung geeigneter Elternsorten und anschließender Selektion auf gewünschte Merkmalskombinationen in der Nachkommenschaft gewonnen. Flankierend unterstützt werden diese Selektionsarbeiten durch die Erforschung der Gen-Merkmalsbeziehungen. Geeignete Sortenkandidaten werden vor der Sortenanmeldung in mehrjährigen Anbauversuchen geprüft. Die bedeutendste pilzwiderstandsfähige Sorte des Instituts ist die Rotweinsorte ‘Regent‘. Mit ‘Felicia‘ steht nun eine neue Weißweinsorte mit Weinen von angenehme Bukett floraler und dezent fruchtiger Noten vor der Markteinführung. Sie und andere Weine neuer Sorten können im Institut verkostet werden.
Termin:
Interessierte sollten sich den 22. und 23. August vormerken. An diesen beiden Tagen findet jeweils von 10 bis 16 Uhr eine offene Weinprobe statt.
Ort: JKI-Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof, Siebeldingen