Eine besondere Perle unter den Veranstaltungen des Ludwigshafener Kultursommers fand am Samstagabend im Gläsernen Foyer des Pfalzbaus statt. Alle Sinne, Vernunft und Verstand wurden durch das Zusammenspiel mehrerer Kunstformen auf das Angenehmste angeregt. Der Themenabend „Hellas – was nun?“ verband die antike griechische Tragödie „Ödipus auf Kolonos“ mit der aktuellen Finanzkrise.
Schon das Wort ist griechischen Ursprungs: Krise (krísis). Es bedeutet aber nicht etwa „Katastrophe“ oder „zwangsläufiger Untergang“. Die Krise ist vielmehr ein Wendepunkt oder die Zeit wichtiger Entscheidungen. So liegt jeder Krise eine Chance und noch mehr Verantwortung inne. Hansgünther Heyme betonte in seiner Eröffnungsrede, dass gerade schwere Zeiten gute Zeiten für die Kunst sein können.
Wie wird man ein Freund der Griechen? Sicher nicht, indem man die gegenwärtigen Schlagzeilen der Bildzeitung für bare Münze nimmt. Ökonomisch und politisch hat Griechenland in der öffentlichen Wahrnehmung einen schweren Stand. In Griechenland selbst sind die Lebensumstände zunehmend besorgniserregend, wie die Fotografien des Atheners Nikos Voutos und die Gemälde der Kölnerin Maria Rigoutsou je auf ihre Art deutlich zum Ausdruck brachten.
Voutos präsentierte einen realistischen Einblick in den griechischen Alltag: Protestierende im Angesicht hochgerüsteter Polizisten, Armut und die Angst vor dem Ungewissen. Selbst die Kanaldeckel werden zurzeit entwendet, um am Schrottpreis etwas verdienen zu können.
Die Bildserie „Ikonen der Krise“ von Rigoutsou ist ebenfalls anlässlich der Wirtschaftskrise entstanden, hinter der sich jedoch eine tiefere Wertekrise verstecke, so die Künsterin. Es handelt sich um Werke, deren Grundierung auf alte byzantinische Ikonen verweist. Im Vordergrund sind aber keine Heiligen dargestellt, sondern Dinge, die uns heute heilig sind: Geld, Banken, Ratingagenturen.
Der Internationale Kulturverein Orpheus und das Theater im Pfalzbau wollten sich der „griechischen Krise“ aber nicht nur über volkswirtschaftliche Aspekte, sondern insbesondere über die Pfade der Hochkultur nähern.
Herzstück des Abends war Hansgünther Heymes Lesung aus Sophokles‘ zweiter Tragödie über den unglücklichen König von Theben. Zwischen den Szenen bot das „Melos Ensemble“ Vertonungen der Tragödie von Mendelssohn, Rossini und Sacchini. Zudem wurden die Szenen vom Komponisten Panos Iliopoulos mit elektronisch verfremdeten Texten der Tragödie unterlegt. Die Projektion von Bild-Schlagzeilen steigerte die Theatralik der Darbietung. Das Publikum war zwischen dem Glanz des üppigen antiken Stils und boulevardesker Polemik gefangen.
Hilfe beim Ausbruch aus den Gegensätzen zwischen Vergangenheit und Moderne versprach eine abschließende Podiumsdiskussion. Neben Heyme nahmen daran teil: der Politikwissenschaftler Christos Mantzios, Ingenieur und Griechenlandkenner Gerhard Friedemann, die Malerin und Journalistin Maria Rigoutsou sowie Dr. Jan Schellenbach, Privatdozent für VWL an der Uni Heidelberg.
Griechenland, was nun? Wie der einführende Vortrag von Musikwissenschaftlerin Christine Faist an diesem Abend verdeutlichte, wurde in der Vergangenheit bei Krisen und einer darauf folgenden Neubesinnung oft und gerne auf die Philosophie und Kunst der griechischen Antike verwiesen. Nicht bloß ans liebe Geld sollte man also denken, wenn das Wort „Griechenland“ fällt – sondern auch an Dankbarkeit. Das moderne Griechenland mag seine Schwächen haben. Das antike hat die Welt mit lebensnotwendigen und unsterblichen Idealen versorgt. Diese geistige Nahrung kräftigt immer dann, wenn die Zeiten schwer werden.