Die Industriestadt Ludwigshafen am Rhein ist ein Schmelztiegel der Nationen. Über 30 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner haben einen Migrationshintergrund, im Stadtteil Hemshof sind es mehr als 50 Prozent. Die heutigen Jugendlichen sehen sich ganz neuen Herausforderungen und Identitätsfragen gegenüber als noch die Generation ihrer Eltern: Welches Land ist meine Heimat? Welcher Nationalität fühle ich mich verbunden? Welche Werte sind mir wichtig und wie stelle ich mir mein zukünftiges Leben vor? Diese und viele andere Fragen stellte die Künstlerin Tatjana Utz siebzehn Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft.
Sie kommen aus den Ländern Türkei, Togo, Irak, Afghanistan, USA, Ägypten, Italien, Guatemala und Griechenland und leben alle in Ludwigshafen. In ausführlichen Interviews erzählten sie von ihren Erfahrungen als Migrantinnen und Migranten in Deutschland und wurden Teil des gattungs- und medienübergreifenden Projekts "CheckUp in LU". Neben den Interviews hat die Künstlerin Tatjana Utz von allen Jugendlichen lebensgroße Portraits gemalt. Diese sind nach fotografischen Vorlagen entstanden und zeigen lebensnahe, äußerst realistische Portraits. Das Medium Malerei wird seit Jahrhunderten traditionellerweise zur Darstellung von Portraits genutzt. Tatjana Utz, Malerin und Meisterschülerin von Sean Scully, sprengt jedoch die klassische Form eines auf Leinwand gemalten Bildes und stellte siebzehn Jugendliche als Figuren mitten in eine raumgreifende Ausstellungsarchitektur.
Umgeben von großflächigen Fotowänden, die mit Straßenszenen aus Ludwigshafen gleichfalls ein Stück urbanes Leben in Ludwigshafen simulieren, standen sie als Hauptakteure im Rahmen der Ausstellung "CheckUp in LU" vom 7. Mai bis 3. Juni 2011 in der Halle des Kunstvereins Ludwigshafen. Das Projekt wurde als eines der sozio-kulturellen Projekte im Rahmen des Stadtumbaus finanziert aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung "EFRE" im Rahmen des rheinland-pfälzischen Programms "Wachstum durch Innovation".
Die Künstlerin hat alle 17 Portraits nun dem Wilhelm-Hack-Museum geschenkt. Als Dauerleihgabe werden sie ab Anfang Mai auf den verschiedenen Etagen des Jugendamtes der Stadt Ludwigshafen im Stadthaus Westendstraße gezeigt. Mit dem Jugendamt wurde ein Ort gefunden, um Geist und Botschaft dieser Rauminstallation dort zu präsentieren, wo die Gedanken und Gefühle gerade dieser jungen Mitbürgerinnen und Mitbürger auf vielerlei Weise präsent sind.
Ob Kindertagesstätten und Horte, Jugendförderung, Jugendberufshilfe oder Erziehungsberatung, Straßen-sozialarbeit, Schüler-Bafög oder regionale Familiendienste, Schulsozialarbeit oder Hilfen zur Erziehung: Die Angebote, Unterstützung und Leistungen des Jugendamtes werden intensiv auch von vielen Kindern, Eltern und Jugendlichen dieser Stadt genutzt, die einen Migrationshintergrund haben, und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Arbeitsfeldern brauchen ein besonderes Gespür und Wissen, um sich auf diese Familien passend ein zu stellen.
"Die Präsentation der lebensgroßen Portraits, die durch eine gelungene Plexiglasverkleidung noch an räumlicher Kraft gewonnen haben, hebt diese globale Dimension künstlerisch ins Bewusstsein der Nutzerinnen und Nutzer des Gebäudes. So ist den sozialen Plastiken von Tatjana Utz kein museales Schicksal beschieden, sondern ihre Kraft und Energie kann im Sinne interkultureller Kompetenz und Sensibilität mitten im Leben wirken", so Jugenddezernentin Prof. Dr. Cornelia Reifenberg bei der offiziellen Übergabe am 11. Mai. Reifenberg bedankte sich bei Tatjana Utz für die großzügige Schenkung. "Es ist schön, dass diese Porträts dauerhaft in Ludwigshafen bleiben und hier nun auch gezeigt werden können. Ich freue mich sehr über dieses weitere Beispiel einer gelungenen Zusammenarbeit zwischen dem Kunstverein, dem Wilhelm-Hack-Museum und den Jugendbereichen der Stadt. Damit intensivieren wir Netzwerke, mit denen wir im Hinblick auf die Unterstützung der Bewerbung Mannheims als europäische Kulturhauptstadt unsere Position deutlich machen wollen", erklärte die Beigeordnete.
Die Geschäftsführerin des Kunstvereins Ludwigshafen, Barbara Auer zeigte sich zufrieden: "Ich freue mich sehr, dass wir nach einer intensiven Suche nach einem geeigneten Ort zur Präsentation der Figuren mit dem Jugendamt den idealen Ort gefunden haben, der auch den Vorstellungen der Künstlerin absolut entspricht. Es war mir und auch Tatjana Utz sehr wichtig, dass die Portraits in Ludwigshafen bleiben und weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich sind. Von Seiten der Künstlerin ist es eine außerordentliche Geste, der Stadt diese 17 Kunstwerke zu schenken, dafür gilt auch mein großer Dank."
Zur Künstlerin:
Tatjana Utz, geboren 1975 in Starnberg, lebt und arbeitet heute in München. Nach ihrem Studium der italienischen und englischen Philologie, Germanistik, Kunstgeschichte und Kunstpädagogik studierte sie von 2001 bis 2006 an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Prof. Fridhelm Klein und Prof. Sean Scully als Meisterschülerin. Seit sieben Jahren arbeitet sie in Projekten mit Jugendlichen unter dem Schwerpunkt Migrationshintergrund zusammen. Tatjana Utz erarbeitete unter anderem Projekte wie "Über Grenzen", ein eigenwilliges Portrait deutsch-polnischer Geschichte und "Geschichte und Geschichten", ein Projekt in der ehemaligen Synagoge in Odenbach a. Glan (Rheinland-Pfalz).