Oberbürgermeister Kissels Ansprache gegen die NPD Kundgebung vom 07.01.2012.
"Dieser Tag heute ist überschattet von Kundgebungen der rechtsextremen NPD in den Städten Ludwigshafen, Frankenthal und Worms. Gegen unsere Verbotsverfügung hat sich die NPD erwartungsgemäß an das Verwaltungsgericht gewandt. Das zuständige Verwaltungsgericht in Mainz hat entschieden, dass die für den heutigen Samstag angemeldete NPD-Kundgebung auf dem Ludwigsplatz durchgeführt werden darf. Ich bedauere zwar diese richterliche Entscheidung, die aus rein rechtlichen Gründen getroffen wurde und zu respektieren ist. Gleichwohl ist es umso wichtiger, dass wir politisch klar und unmissverständlich Position beziehen.
Die NPD-Kundgebung steht unter dem Schutz des Rechts auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit und die Rechten wollen auf unserem städtischen Platz ihre antidemokratischen Parolen unter die Menschen bringen. Dem stellen wir uns entgegen und beziehen ebenso Position – politisch und friedlich, aber auch klar und unmissverständlich! Dabei machen wir unserer Polizei keine unnötige Arbeit, wir respektieren ihren Auftrag, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Dabei unterstützen wir unsere Frauen und Männer der Polizei.
Heute sprechen sich die Rechten gegen den Euro aus, gewiss mit nationalistischem Unterton – wie wir das von der NPD leidlich gewohnt sind. Aber ich darf an den September des vergangenen Jahres erinnern, als Hetzparolen gegen unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger durch unser Worms hallten. Solche menschenverachtenden Angriffe auf die Ehre und Würde unserer ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger werden wir nicht noch ein einziges Mal tolerieren und dulden!
Durch die in unserer Stadt lebenden 130 Nationalitäten wird Worms bunt und lebendig. Wir haben vor einigen Jahrzehnten viele Ausländer aus Südeuropa als sog. Gastarbeiter nach Deutschland geholt, damit sie unserem Land und auch unserer Stadt – zusammen mit uns – zur wirtschaftlichen Blüte verhalfen. Nun schon seit Generationen arbeiten und leben unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Worms und nehmen am gesellschaftlichen Leben in unserer Stadt teil. Sie sind uns willkommen und sie gehören in unsere Mitte. Und wir werden nicht dulden, dass sie diskriminiert und in ihrer Ehre verletzt werden.
Wir wissen: es ist Worms immer dann gut gegangen, wenn die verschiedenen Kulturen ein friedliches Miteinander gepflegt haben, wenn es gelungen ist, den Reichtum unterschiedlicher Kulturen in einen kreativen Dialog zu bringen, ganz im Sinne Europäischer Ziele.
Denn Europa findet zuerst in den Städten statt! Und dieses vereinte Europa steht für Frieden und Demokratie! Die rechtsextremistische NPD steht jedoch mit ihrer Ideologie im völligen Widerspruch zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und damit auch im Widerspruch zum Wertesystem unserer Verfassung!
Die Weltanschauung der Rechten ist rassistisch, antisemitisch, nationalistisch und demokratiefeindlich. Ihre von Vorurteilen geprägte Hetze richtet sich gegen Menschen mit Migrationshintergrund, gegen Minderheiten wie Juden, Sinti, Roma und Muslime, gegen Menschen mit Behinderungen, Homosexuelle und politisch Andersdenkende. Derart Menschen entwürdigende Weltanschauungen haben keinen Platz in unserem Staat und nicht in unserer Stadt!
Solche fanatisch-ideologischen Verirrungen haben auch Mörderbanden erzeugt. Wir haben auf tragische und brutale Weise erleben müssen, dass rechtsradikale Gewaltbereitschaft auch nicht vor Mord zurückschreckt. Diesem rechten Terror gilt es entschieden Einhalt zu gebieten. Es ist für unseren Staat und für unser Land eine beschämende Entwicklung, dass der rechtsextreme Terror über Jahre hinweg eine ganze Mordserie an Mitbürgern ausländischer Herkunft verüben konnte, ohne dass die Strafverfolgungsbehörden und Staatsschutzorgane dies verhindern konnten.
Die Menschen, die bei uns leben, müssen sich darauf verlassen können, dass sie hier sicher sind und sie müssen die Gewissheit haben, dass wir zu ihnen stehen. Zwei der Gewalttäter waren 1996 bei einer NPD-Kundgebung in Worms anwesend. Das erhärtet den Verdacht konkreter Verbindungen von Mördern und anderen Gewalttätern zur NPD!
Lassen Sie uns in Gedenken an die Opfer, unter denen auch eine Polizistin war, eine Schweigeminute einlegen…..
Erschreckend ist auch die Tatsache, dass in Rheinland-Pfalz 2011 insgesamt 575 Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund verübt wurden, wie ich der jüngsten Polizeistatistik entnehmen musste. Diese Zahlen belegen eine erschreckende Entwicklung.
Es gibt noch immer Menschen, die aus der Vergangenheit keine Lehren gezogen haben. Ich darf an die Zeit der Nazidiktatur erinnern mit ihrer Gewaltherrschaft, die großes Leid über unzählige Menschen gebracht hat. Der Zweite Weltkrieg forderte über 50 Millionen Menschenopfer und halb Europa lag zum Ende in Schutt und Asche. Unter dem Gewaltregime der Nazis wurden unbeschreibliche Verbrechen begangen, für die man nur schwer Worte findet. Der Völkermord an den Juden, Sinti und Roma ist unverzeihbar.
Die Nazidiktatur ist als dunkelstes Kapitel in die deutsche Geschichte eingegangen. Doch nicht alle Menschen, so auch die Anhänger der NPD, haben daraus gelernt und halten an abscheulichen, verachtenswerten Ideologien fest. Doch unsere Demokratie stützt sich auf die große Mehrheit der Bevölkerung, die für Frieden, Freiheit, Solidarität und Demokratie steht. Und für diese Demokratie stehen wir heute alle hier und setzen ein Zeichen gegen rechte Gewalt – und die Hetzparolen der NPD! Und ich sage deshalb: Es darf nie wieder Raum für das Gedankengut der Rechten geben – nie wieder! Die NPD gehört endlich verboten!
Politik und Gesellschaft müssen es sich zur Aufgabe machen, den Rechtsextremismus dauerhaft und nachhaltig zu bekämpfen. Dazu leistet z. B. die Gedenkarbeit der Stadt einen Beitrag. Vor allem gilt es aber, den Rechten den geistigen Nährboden zu entziehen. Und dies fängt bereits im Elternhaus an und setzt sich fort über den Kindergarten und die Schule. Daher ist es immens wichtig, frühzeitig auf die Gefahren rechtsextremer Strömungen hinzuweisen und Aufklärungsarbeit zu betreiben. Die Ursachen dieser volksverhetzenden rechten Propaganda werden wir erfolgreich bekämpfen können, indem wir in Bildung und Ausbildung investieren und gesicherte Arbeitsplätze schaffen.
Seitens der Stadt und der demokratischen Parteien haben wir klar Position bezogen, indem wir mehrfach gemeinsame Resolutionen gegen rechte Gewalt und Rechtsextremismus im Stadtrat verabschiedet haben.
Die heutige Kundgebung gegen Rechts ist ein beeindruckendes Signal für unsere Stadt, die Region und unser Land! Darauf bin ich sehr stolz.
Worms wehrt sich – in Worms ist kein Platz für die NPD oder anderes rechtsextremes Gedankengut!
Ich danke den Organisatoren der heutigen Gegen-Kundgebung, namentlich und stellvertretend Herrn Heiner Boegler und Sylvia Schall, sowie den heute anwesenden Vertretern der Kirchen, karitativen Einrichtungen, demokratischen Parteien und besonders den heute Flagge zeigenden Wormser Mitbürgerinnen und Mitbürgern sehr herzlich, dass sie so zahlreich hier erschienen sind, um den rechtsextremen NPD-Anhängern Paroli zu bieten."