Weinheim – Die Stadtverwaltung Weinheim hatte der Partei 'Alternative für Deutschland' (AfD) den Mietvertrag für eine Veranstaltung am 3. März 2016 gekündigt und hat sich auf einen Gemeinderatsbeschluss vom Dezember 2015 berufen.
Hintergrund war, dass die Stadt Weinheim den Bundesparteitagen der NPD Einhalt gebieten will und deshalb eine Benutzungsordnung für Tagungsorte, z.B. die Stadthalle und das Rolf-Engelbrecht-Haus, geändert hat.
"In der geltenden Benutzungsordnung heißt es, dass das Rolf-Engelbrecht-Haus für Veranstaltungen von Parteien im Sinne des Parteiengesetzes, Wählervereinigungen oder Wählergruppen nur zur Verfügung gestellt wird, wenn es sich um Veranstaltungen handelt, die von deren Gebietsverbänden auf Orts- und Kreisebene durchgeführt werden und die einen konkreten orts- oder kreispolitischen Bezug zur Stadt Weinheim oder zum Rhein-Neckar-Kreis aufweisen.",
so die Stadtverwaltung Weinheim.
Die AfD hatte jedoch vor dem Gemeinderatbeschluss einen Mietvertrag abgeschlossen. Die Stadt Weinheim versuchte mit der Kündigung des Mietvertrags, die Parteiveranstaltung zu verhindern. Die AfD Kreisverband Rhein-Neckar wandte sich daraufhin an das Verwaltungsgericht Karlsruhe.
Verwaltungsgericht: Stadt muss der AfD das Rolf-Engelbrecht-Haus zur Verfügung stellen
Mit Beschluss vom 01.03.2016 hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe die Stadt Weinheim im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Kreisverband Rhein-Neckar der Partei Alternative für Deutschland – AfD – das Rolf-Engelbrecht-Haus, eine öffentliche Einrichtung der Stadt, für eine am 03.03.2016 vorgesehene Veranstaltung zur Verfügung zu stellen. Bei dieser Vortragsveranstaltung soll Frau Dr. Frauke Petry, Mitglied des Bundesvorstands der AfD, auftreten. Bereits am 25.11.2015 hatten der Kreisverband der Partei und die Stadt einen Mietvertrag zur Überlassung des Rolf-Engelbrecht-Hauses für diese Veranstaltung geschlossen. Am 09.12.2015 beschloss der Gemeinderat mit sofortiger Wirkung eine Änderung der Benutzungsordnung für das Rolf-Engelbrecht-Haus. Während die bisherige Benutzungsordnung auch eine Vermietung für überörtliche Veranstaltungen vorsah, soll das Haus nunmehr nur noch dann für Parteiveranstaltungen zur Verfügung gestellt werden, wenn diese von Gebietsverbänden der Parteien auf Orts- oder Kreisebene durchgeführt werden und einen konkreten orts- oder kreispolitischen Bezug zur Stadt oder zum Rhein-Neckar-Kreis haben. Mit Schreiben ihres Ersten Beigeordneten vom 10.02.2016 erklärte die Stadt unter Bezugnahme auf die geänderte Benutzungsordnung ihren Rücktritt von dem Mietvertrag und widerrief mit weiterem Schreiben vom 17.02.2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ihre Vergabeentscheidung. Bereits am 12.02.2016 ersuchte der Kreisverband der Partei das Amtsgericht Weinheim um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Dieses verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Während die AfD sich im gerichtlichen Verfahren darauf berief, die nachträgliche Änderung der Benutzungsordnung berechtige die Stadt weder zum Rücktritt vom Vertrag noch zum Widerruf ihrer Vergabeentscheidung, machte die Stadt geltend, die geplante Veranstaltung habe nicht den nach der Benutzungsordnung in der aktuellen Fassung notwendigen Orts- oder Kreisbezug. Der Gemeinderat habe mit Blick auf die Auseinandersetzungen im Zuge des NPD-Bundesparteitags am 21./22.11.2015 in Weinheim die Nutzung des Rolf-Engelbrecht-Hauses für politische Veranstaltungen ganz generell einschränken wollen.
Zur Begründung ihres dem Antrag der AfD stattgebenden Beschlusses hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts ausgeführt: Ein Anspruch der AfD auf Überlassung des Rolf-Engelbrecht-Hauses folge aus dem verfassungsrechtlichen Gebot, politische Parteien gleich zu behandeln, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien kommunale Einrichtungen zur Nutzung zur Verfügung stelle. Nach der Benutzungsordnung in der geänderten Fassung seien die Räumlichkeiten einer Nutzung durch politische Parteien nicht entzogen. Vom Widmungszweck umfasst seien ausdrücklich Veranstaltungen von Gebietsverbänden der Parteien auf Orts- und Kreisebene. Der in Walldorf ansässige Kreisverband der AfD sei ein solcher Gebietsverband. Es handele sich auch um eine Veranstaltung mit „konkretem orts- oder kreispolitischem Bezug“. Dieser Bezug folge schon daraus, dass nicht die Bundespartei, sondern der Kreisverband der AfD als Veranstalter auftrete. Dass ein Mitglied des Bundesvorstands – Frau Dr. Frauke Petry – auftrete, nehme der Veranstaltung nicht ihren orts- und kreispolitischen Bezug. Eine von der Stadt mit der Änderung der Benutzungsordnung möglicherweise beabsichtigte thematische Eingrenzung auf ausschließlich kommunale Themen oder Kreisthemen dürfte in der Praxis kaum funktionieren, weil bundespolitische beziehungsweise landespolitische Themen – zumal im nahen Vorfeld einer Landtagswahl – immer auch einen regionalen beziehungsweise örtlichen Bezug zu den Wahlkreiskandidaten hätten. Eine solche thematische Eingrenzung komme in den Nutzungsbedingungen auch nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit zum Ausdruck. Unabhängig davon könnte der AfD die Einschränkung des Widmungszwecks infolge der Neufassung der Benutzungsordnung nicht entgegengehalten werden. Dies dürfte schon deshalb nicht möglich sein, weil die Stadt zivilrechtlich nicht zum Vertragsrücktritt berechtigt gewesen sei. Die im Zeitpunkt des Eingangs des Antrags einer Partei auf Überlassung einer gemeindlichen Einrichtung gegebene Rechtslage sei im Übrigen auch deshalb maßgeblich, weil bereits der „böse Schein“ einer politisch motivierten Einflussnahme von vornherein ausgeschlossen werden müsse. Dies gelte erst recht dann, wenn – wie hier – eine bereits gewährte und durch den Abschluss eines Mietvertrages umgesetzte Zulassung in Abrede gestellt werde. Im Hinblick darauf komme es nicht mehr entscheidend darauf an, dass die Stadt nachvollziehbar dargelegt habe, dass eigentlicher Beweggrund für die Änderung der Benutzungsordnung die Vorkommnisse in Zusammenhang mit der Durchführung des NPD-Parteitages gewesen seien und dass die AfD zu keiner Zeit im Fokus ihrer Überlegungen gestanden habe.
Der Beschluss vom 01.03.2016 – 10 K 803/16 – ist nicht rechtskräftig. Die Stadt Weinheim kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.
Stadt unterlegen – AfD verzichtet wegen Protesten
"Obwohl die AfD mit der NPD nichts gemein hat, ist bedauerlicherweise auch bei unserer Veranstaltung nicht nur mit Protesten, sondern erneut mit Ausschreitungen zu rechnen. Unsere ursprüngliche Planung, die Veranstaltung deshalb erst eine Woche vor der Veranstaltung zu bewerben, ist daher schon seit Wochen obsolet. Bereits jetzt haben verschiedene Organisationen für den 3. März Protestveranstaltungen vor dem Rolf-Engelbrecht-Haus angekündigt. Es bedarf keiner großen Phantasie, sich vorzustellen, das dies, ähnlich wie im vergangenen November, wieder eskalieren wird. Unser demokratischer Anspruch und Stil, sowie unsere strikte Ablehnung jeder Form von Gewalt, verbietet es uns, die Anwohner und Bürger der Stadt Weinheim dieser Gefahr auszusetzen. Wir verzichten daher auf die Nutzung des Rolf-Engelbrecht-Hauses am 3. März 2016. Es ist außerordentlich bedauerlich, dass sich die Weinheimer Bürger nun kein persönliches Bild vor Ort von unserer Partei, unserem Wahlkreiskandidaten und unserer Bundessprecherin machen können. Die Verantwortung hierfür trägt allein die Verwaltung der Stadt Weinheim, die durch den Versuch einer rein politisch motivierten Vertragskündigung die vernünftige Planung eines sicheren Ablaufs des Abends zunichtegemacht hat."
Die Veranstaltung wird nun ungeachtet dessen an einem anderen Ort stattfinden. Da dieser Ersatzveranstaltungsort auf Wunsch des Vermieters nicht öffentlich beworben werden darf, wird der Ort den Teilnehmern mit dem Versand der Eintrittskarten bekannt gemacht.