Frankfurt am Main – Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung von 1891 machte erstmals für alle Frankfurter die Bedeutung von Strom und elektrischen Lampen für das urbane Leben sichtbar. Zwischen dem 16. Mai und dem 19. Oktober 1891 faszinierten Lichtspiele Tausende von Menschen. Die aktuelle Luminale, ein Festival der Lichtkultur, nimmt diese Tradition auf.
Elektrisches Licht und Lampen gab es lange bevor die Internationale Elektrotechnische Ausstellung am 16. Mai 1891 Frankfurt erleuchtete: In Paris setzen seit 1844 Bogenlampen die Place de la Concorde in Szene, in Nürnberg gab es 1882 eine elektrisch betriebene Straßenbeleuchtung. Elektrizität bedeutete nicht nur Fortschritt und Mobilität, sondern beeinflusste auch die Stadtentwicklung. Ausbau des Nahverkehrssystems und Sicherheit für die Bürger lauteten wichtige Stichworte. „Die Urbanisierung und das Bevölkerungswachstum in den Städten und die damit einhergehenden Probleme wie die zunehmende Kriminalität verlangten nach neuen Lösungsansätzen“, fasst der Historiker und Journalist Marcel Renz zusammen, der seine Magisterarbeit an der Universität Heidelberg zur Ausstellung von 1891 verfasste. Strom und Licht boten die Lösung, die Frankfurter Leistungsschau führte es den Bürgern vor Augen.
Geheimnisvolle Lichtspiele
Sie öffnete am 16. Mai 1891 ihre Tore in der Nähe des heutigen Hauptbahnhofs. Zu den Impulsgebern und Organisatoren gehörten der Publizist Leopold Sonnemann und der Bauingenieur Oskar von Miller. Der spätere Begründer des Deutschen Museums in München leitete die Ausstellung, die Quellen zufolge etwa 1,2 Millionen Besucher anzog. Besuchermagnet waren geheimnisvoll anmutende Lichtspiele in einer riesigen Maschinenhalle. In deren Kuppel erstrahlte die für die damalige Zeit unerhört hohe Zahl von 1.500 Glühbirnen. Ein Wasserfall faszinierte, weil er „das eine Mal als pures Gold, das andere Mal als helles Silber, das dritte und vierte Mal als ein roter, grüner oder bläulicher Strom über den Felsen sich stürzte“, zitiert der Historiker Jörg Lesczenzski in seinem 2015 erschienen Aufsatz „Frankfurts Weg zu Millionen Lichtern“ aus einem Bericht der Rheinisch-Westfälischen Zeitung vom 11. Juni 1891.
Licht lebt
Das kreative Element Licht zeigt auch die Luminale. In mehr als 200 Projekten werden noch bis Ende dieser Woche in Frankfurt und Offenbach Gebäude und Straßen illuminiert. “Licht macht sichtbar. Es braucht Materie wie Fassaden, Wände, Oberflächen“, sagt der Architekt Wolfgang Rang. Die Wirkung von Licht für den Stadtraum als Gesamtkunstwerk vergleicht Rang mit einem Catwalk: „Jeder zeigt sein Dekolleté.“ Während der Luminale beleuchtet Rang den Messeturm. Dazu nutzt er breit strahlende Phosphorscheinwerfer, um Emotionen auszulösen. „Partikel in der Luft bewegen sich. Licht lebt, als würde es atmen“, beschreibt er die Faszination. Im Unterschied dazu lasse der scharfe Strahl eines Laserlichts „Stadt als riesigen Fernseher erscheinen“. Beim Betrachter löst dieser Effekt ein abstraktes, eher kühles Gefühl aus.
Architektur akzentuieren
Im modernen Stadtraum dient Licht als Sicherheits- und Gestaltungselement. Wahrnehmbar wird das zum Beispiel am Main. Die Baumalleen an seinem Ufer sind in der Dunkelheit beleuchtet, die denkmalgeschützten Uferanlagen nicht nur durch Treppen, Rampen und Bastionen gegliedert, sondern auch durch Lampen. Die Museen auf der Sachsenhäuser Seite werden akzentuiert. „Seitdem wird das Ufer bis spät in die Nacht genutzt“, freut sich Michael Hootz, der im städtischen Planungsamt für die Gestaltung öffentlicher Räume verantwortlich ist. Bei der markanten Skyline wird die Architektur betont. Wichtig für die Lichtkonzeption war „dass die Erinnerung an das Tagleben auch nachts erkennbar ist“, sagt Hootz. Deshalb schweben die strahlenden Spitzen der Hochhäuser „nicht wie Ufos am Nachthimmel, sondern die Gebäude werden bis zum Boden geerdet."
Licht als Phänomen
Künstlich erzeugte Helligkeit beeinflusst zwei wesentliche Kennzeichen modernen urbanen Lebens: das Flanieren und Konsumieren. Bereits 1899 wurden in Frankfurt Geschäftsstraßen elektrisch beleuchtet – „Konsumtempel“ locken wenig später mit flirrender Lichtreklame. Und noch etwas änderte sich mit der Verbreitung von Licht im öffentlichen Raum grundlegend: Die Menschen gehen seitdem auch bei Dunkelheit freiwillig aus dem Haus. Sie besuchen Kinos, Theater, Oper, kaufen ein, bummeln entlang der Schaufenster oder spielen Fußball. „Auch das Freizeitverhalten der Großstädter stand zunehmend unter dem Eindruck von Lichtinszenierungen“, konstatiert Lesczenski rückblickend ein bis in die Gegenwart andauerndes Phänomen.
Elektrizität für alle
Für Frankfurt stand die Elektrotechnische Ausstellung vor 125 Jahren nicht nur am Anfang des Wegs hin zu einem großstädtischen Beleuchtungssystem, sondern sie markiert auch das Ende eines Richtungsstreits – Gleichstrom oder Wechselstrom? Entscheidend war ein Experiment, mit dem Oskar von Miller zusammen mit den Ingenieuren Marcel Deprez und Michael von Dolivo-Dobrowolsky das Publikum zum Staunen brachte. Den dreien gelang die Übertragung von Drehstrom über 15.000 Volt-Leitungen aus einem 175 Kilometer von Frankfurt entfernt liegenden Wasserkraftwerk auf das Ausstellungsgelände. Dem Wechselstrom verhalf das Experiment zum Durchbruch. Am 25. August 1891 leuchteten mit dem Strom 1.000 Glühbirnen am Eingang der Ausstellung.
Zwei Jahre danach plädierten die Frankfurter Stadtverordneten für den Bau eines Kraftwerks, das „Einphasen-Wechselstrom mit Hoch- und Niederspannung 2850/123 Volt“ erzeugen sollte. Ziel war, Straßen zu beleuchten und Haushalte zu versorgen, so Jörg Lesczenski. Damit blieb die Absicht von Leopold Sonnemann, mit der Ausstellung das Streben nach Strom und Elektrizität für alle zu befördern „kein frommer Wunsch“ mehr. An die Bedeutung Frankfurts für die Elektrobranche erinnern heute noch der Technologieverband VDE und der Zentralverband der deutschen Elektrotechnik- und Elektronikindustrie. Beide haben ihren Sitz am Main. Nach Oskar von Miller und Leopold Sonnemann sind Frankfurter Straßen benannt.