Philippsburg – Umwelt- und Energieminister Franz Untersteller hat zum zweiten Mal als Gast der Informationskommission zum Kernkraftwerk Philippsburg zu Fragen der aktuellen Atompolitik Stellung genommen.
In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte Untersteller die Endlagersuche und die aktuellen Ereignisse im Kernkraftwerk Philippsburg 2, wo vor zwei Wochen vorgetäuschte Sicherheitsüberprüfungen entdeckt wurden, nachdem die Atomaufsicht Zweifel an der Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung hatte.
Vorgetäuschte Sicherheitsprüfungen KKP 2
„Wir verlangen von EnBW, die Analyse dieser gravierenden Vorfälle weiter mit Nachdruck voranzutreiben“, erklärte Untersteller. „Die EnBW als Betreiberin und das Umweltministerium als Atomaufsicht sind sich vollkommen einig darin, dass vorgetäuschte Sicherheitsprüfungen inakzeptabel sind und dass wirksame Vorkehrungen getroffen werden müssen. Es darf zu solchen Täuschungen künftig nicht mehr kommen.“
Ausdruck der Bedeutung, die die Atomaufsicht den Vorkommnissen mit Blick auf den sicheren Betrieb von KKP 2 beimesse, sei eine aufsichtliche Anordnung, mit der das Wiederanfahren des Reaktors an geeignete Maßnahmen geknüpft sei, mit denen die Wiederholung der Täuschungen ausgeschlossen werde.
Insgesamt, führte Untersteller aus, sei es in Philippsburg nach den bisherigen Erkenntnissen zu neun vorgetäuschten Prüfungen und 15 zusätzlichen Fällen mit nicht korrekt datierten Prüfprotokollen gekommen. Obwohl es keine Hinweise auf ähnliche Verstöße gibt, hat EnBW in Absprache mit der Atomaufsicht ihre Untersuchungen auch auf das Kernkraftwerk in Neckarwestheim und den stillgelegten Reaktor in Obrigheim ausgedehnt, wo aber bisher keine Täuschungen entdeckt wurden. Auch die WAK GmbH (Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe Rückbau- und Entsorgungs GmbH) hat – ohne entsprechende Verdachtsmomente – eine Untersuchung der letzten Sicherheitsüberprüfungen veranlasst.
Wann KKP 2 wieder ans Netz gehe, hänge davon ab, wie rasch und konsequent jetzt die EnBW mit den Ereignissen umgehe, sagte Untersteller. Er betonte, dass es künftig auch darauf ankomme, dass das so genannte Vier-Augen-Prinzip bei Prüfungen sorgfältig eingehalten werde:
„Weder ein Prüfer allein noch immer dasselbe Team an Prüfern dürfen verantwortlich sein. Innerhalb des Teams muss es eine wirksame Selbstkontrolle geben, das ist die Voraussetzung.“
Sachstand Endlagerstandortsuche
Die Arbeit der bundesweiten „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“, die den Prozess der Endlagersuche vorbereiten soll, bezeichnete Umweltminister Franz Untersteller als
„insgesamt nicht einfach, aber konstruktiv. Ich habe das Gefühl, dass die Kommissionsmitglieder die historisch wohl einmalige Chance, die Endlagerstandortsuche zu organisieren, tatsächlich nutzen wollen. Der radioaktive Abfall wird sich nicht in Luft auflösen, wir sind miteinander zum Erfolg verdammt.“
Konsens habe die Kommission zum Beispiel bei der Frage der künftigen Behördenstruktur erzielt, sagte Untersteller. Sie schlage vor, als Vorhabenträger und Betreiber für das Endlager eine Bundes-Gesellschaft für kerntechnische Entsorgung zu gründen. Diese Bundes-Gesellschaft solle privatwirtschaftlich organisiert und zu 100 Prozent in öffentlicher Hand sein. Als Regulierungsbehörde fungiere dann das 2014 gegründete Bundesamt für Entsorgung, BfE. Sowohl die Bundes-Gesellschaft für kerntechnische Entsorgung als auch das BfE sollen beim Bundesumweltministerium angegliedert sein, aber wegen der notwendigen Trennung von Betrieb und Aufsicht unabhängig voneinander agieren.
Einig seien sich die Kommissionsmitglieder auch darin, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit auf Augenhöhe im Endlagersuchprozess einen sehr hohen Stellenwert bekommen müsse. Franz Untersteller:
„Die Beteiligung der Öffentlichkeit soll dabei keinesfalls nur punktuell in den einzelnen Phasen der Suche stattfinden, sondern einen kontinuierlichen Prozess darstellen. Bürgerinnen und Bürger müssen lokal die Möglichkeit haben, sich bei der Standortsuche einzubringen.“
So sei in jeder Phase der Standortsuche geplant, auf lokaler Ebene sogenannte Regionalkonferenzen einzuberufen.
Bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers werde es allerdings noch ein paar Jahrzehnte dauern – länger als ursprünglich gehofft, räumte Untersteller ein. Unter günstigsten Voraussetzungen sei das Jahr 2050 möglich. Damit stelle sich die Frage der Zwischenlagerung des Atommülls neu:
„Das Zwischenlager in Philippsburg ist nur bis 2047 genehmigt. Das bedeutet, dass die längere Lagerung beantragt und genehmigt werden müsste, oder dass der hier gelagerte radioaktive Abfall woanders hin transportiert wird; zum Beispiel in ein zentrales Eingangslager an dem Ort, an dem das Endlager entstehen soll. In beiden Fällen jedoch wird der Abfall mindestens bis 2047 hier in Philippsburg bleiben.“
Informationskommissionen an den Kernkraftwerksstandorten
Die Informationskommissionen an den Kernkraftwerksstandorten Philippsburg und Neckarwestheim haben das Ziel, die Bürgerinnen und Bürger vor Ort regelmäßig über die Sicherheit der Anlagen zu informieren. Zudem will das Umweltministerium seine Arbeit als Aufsichtsbehörde transparent darstellen und sich Nachfragen stellen.
Die Arbeit der Kommission erfolgt auf der Grundlage einer Geschäftsordnung. Die Sitzungen sind öffentlich. Die konstituierende Sitzung war im Juli 2012.