Frankfurt am Main – Sie haben eine weite Reise hinter sich, die fünf Fensterscheiben die von 1430 bis 1792 die Kirche St. Leonhard im Herzen Frankfurts schmückten. Nun sollen sie an ihren Ursprungsplatz zurückkehren.
Auf einer der Scheiben ist der Namenspatron der Kirche, der Heilige Leonhard, abgebildet. Kirchendezernent Uwe Becker dankte den beteiligten, die gemeinsam mit der Stadt Frankfurt am Main die Fenster den beabsichtigten Rückkauf der Fenster möglich machen.
„Die St. Leonhardskirche ist eine der bedeutendsten Kirchen in unserem Stadtzentrum. Sie liegt mir, wie vielen Frankfurterinnen und Frankfurtern sehr am Herzen. Daher freue ich mich, dass wir es in einer Kooperation von Stadt, Bistum Limburg und Cronstett- und Hynspergische evangelische Stiftung ermöglichen konnten, die historischen Fenster wieder in die Kirche zu holen“,
sagt Becker. Ein entsprechender Letter of Intent wurde im Frühjahr unterzeichnet. Für den Rückkauf ist die Zustimmung des Magistrats erforderlich, das Gremium befasst sich voraussichtlich Anfang Juni damit.
Die mittelalterliche Verglasung der Kirche soll im Rahmen der seit 2011 laufenden Sanierungsarbeiten im Inneren rekonstruiert und vervollständigt werden. Dafür werden fünf Scheiben, die sich im Besitz des Stiftes Neuburg in Heidelberg befinden, angekauft. Diese Scheiben könnten zusätzlich durch zwei Gläser, das eine im Besitz des Historischen Museums in Frankfurt am Main, das andere im Eigentum des Bistums Limburg, ergänzt werden. Die Zustimmungen hierfür liegen vor.
Gefertigt wurden die fünf Fensterscheiben um 1430 in Frankfurt am Main für St. Leonhard. Im Jahr 1605 zerstörte ein Unwetter einige der Kirchenfenster. Nachdem die Kirche 1792 im Zuge der Besetzung Frankfurts durch französische Revolutionsgruppen als Vorratsmagazin genutzt wurde, wurden große Teile der zu diesem Zeitpunkt noch erhaltenen Glasmalereien veräußert. Nach der Säkularisation und der Wiederherstellung der Kirche wurden Anfang des 19. Jahrhunderts an deren Stelle neue, klare Gläser eingebaut.
Fünf Scheiben der alten Fensterzyklen erwarb der Frankfurter Ratsherr Hieronymus Peter Schlosser für seine umfangreichen Sammlungen. Nach dessen Tod gelangten sie in den Besitz seines Sohnes, des Frankfurter Ratsmitglieds, Privatgelehrten und Schriftstellers Johann Friedrich Heinrich Schlossern. 1825 kaufte dieser die im Jahr 1804 in Privatbesitz übergegangene ehemalige Abtei Neuburg in Heidelberg als Sommersitz an, und ließ die Frankfurter Leonhardsscheiben dort einsetzen. Zu diesem Zweck wurden diese nicht nur instand gesetzt, sondern auch beschnitten, um die Maße an den neuen Standort anzupassen. Seit 1926 befindet sich das Stift Neuburg im Besitz der Erzabtei Beuron. Als der Orden die Kirche 1949/50 nach Osten erweitern ließ, wurden die demontierten Frankfurter Scheiben zunächst auf dem Speicher aufbewahrt bis sie 1966/67 restauriert und als Schmuck aufgehängt wurden.
„Nach über 200 Jahren könnten die Gläser wieder in das Herz unserer Stadt, quasi zu ihren Wurzeln, zurückkehren. Sie sind Teil der bewegten Geschichte der St. Leonhardskirche und ich würde mich freuen wenn die Bürgerinnen und Bürger diese wieder an dem Ort betrachten können, für den die Fensterscheiben angefertigt wurden“,
sagt Becker.
Die fünf Scheiben befinden sich in einem grundsätzlich guten Zustand. Die überkommenen Glasmalereien wurden im Laufe der Zeit offensichtlich mehrfach repariert beziehungsweise restauriert. Bevor die Scheiben in die Fensteröffnungen von St. Leonhard zurückgeführt werden, müssen kleinere Reinigungs- und Anpassungsarbeiten durchgeführt werden. Platz ist genug in der Kirche, der Fußboden wurde im Rahmen der Sanierung auf das ursprüngliche spätgotische Bodenniveau abgesenkt, wodurch zusätzliche Fenster frei wurden. Nach dem Erwerb der Kirchenfenster ist zu prüfen, wie die sieben Scheiben in den aktuellen Verglasungsbestand sinnvoll integriert werden können und ob diese neu geordnet werden. Bereits im 19. Jahrhundert, als die Kirche im Zuge der neugotischen Neueinrichtung einen neuen Hochaltar und zwei Seitenaltäre erhielt, konnte ein Großteil der erhaltenen mittelalterlichen Verglasungen zurückgewonnen werden.
„Mit den nun hinzukommenden Scheiben wird das Gesamtbild wie bei einem Mosaik um weitere Steine ergänzt. Sie sind eine Bereicherung für die Kirche und unsere Stadt. Besucherinnen und Besucher werden so noch tiefergehende Einblicke in die unterschiedlichen Epochen erhalten, die unsere Stadt geprägt haben“,
so Becker.
Für den Ankauf der fünf Glasscheiben wurden jeweils 30.000 Euro von der Cronstett- und Hynspergische evangelische Stiftung zu Frankfurt am Main, vom Bistum Limburg und der Stadt Frankfurt am Main zur Verfügung gestellt.
„Ich bin allen Beteiligten für die Zusammenarbeit bei diesem kulturgeschichtlich bedeutenden Schritt sehr dankbar“,
betont Becker. Die Renovierungsarbeiten in St. Leonhard sollen voraussichtlich Anfang des Jahres 2018 abgeschlossen sein. Dann wird die St. Leonhardskirche ihre Türen wieder für Besucherinnen und Besucher öffnen.