Wiesbaden – „So bunt wie unsere Gesellschaft, so vielfältig sind die Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen. Schulische Heterogenität erkennt die Beeinträchtigung eines jungen Menschen ebenso an wie die Hochbegabung seines Mitschülers. Der Umgang mit heterogenen Gruppen ist für Bildungseinrichtungen eine stete Herausforderung und alltägliche Lebenswirklichkeit. Zugleich ist diese Vielfalt wertvoll und bereichernd“, mit diesen Worten eröffnete Stadträtin Rose-Lore Scholz die Bildungsmesse „Zeit für Heterogenität“ im Großen Festsaal des Wiesbadener Rathauses.
Das Schuldezernat hatte zu einem Nachmittag der Information und des Austauschs eingeladen. Offen stand die Bildungsmesse allen an Bildung interessierten Bürgerinnen und Bürgern; insbesondere Lehrkräfte, Eltern sowie Vertreterinnen und Vertreter außerschulischer Bildungseinrichtungen waren der Einladung gefolgt.
Höhepunkt der Bildungsmesse war der offizielle Startschuss für die „Wiesbadener Akademie für Kinder und Jugendliche mit besonderen Begabungen und Hochbegabung“. Die Begabtenakademie Wiesbaden ist ein gemeinsames Projekt des Schuldezernates, der Hochschule RheinMain und der vhs Wiesbaden. Seit längerem befasst sich das Schuldezernat gemeinsam mit dem Netzwerk Hochbegabung mit der Frage, wie die außerschulische Begabtenförderung in Wiesbaden weiterentwickelt werden kann. Derzeit wird eine Organisationsform analog der Akademie für Ältere vorbereitet, also eigenständig unter dem Dach der vhs. Unterstützt wird die Begabtenakademie unter anderem von Kiwanis Wiesbaden Rhein-Main.
Das Konzept und die Zielsetzung der Begabtenakademie wurden im Rahmen einer Talkrunde von den Projektpartnern gemeinsam mit Eltern und Schulvertretern vorgestellt. Die Moderation übernahm Prof. Dr. Michael Schmidt von der Hochschule RheinMain. Interviewt wurden auch Jugendliche, die souverän und eindrucksvoll die speziellen Interessen und Neigungsfelder hochbegabter Kinder und Jugendlicher darstellten.
„Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen mit besonderer Begabung und Wissbegierde Angebote zur außerschulischen Förderung zu machen. Solche Angebote werden von Familien mit hochbegabten Kindern in Wiesbaden vermisst; häufig wird auf Angebote in Frankfurt zurückgegriffen“,
weiß die stellvertretende Direktorin der vhs Wiesbaden, Annette Groth, zu berichten.
„Wir möchten mit dieser Akademie nun ein ansprechendes Programm für interessierte und wissbegierige Kinder und Jugendliche hier vor Ort schaffen.“
Das Kursangebot beginnt nach den hessischen Sommerferien und richtet sich zunächst insbesondere an Jugendliche ab 13 Jahren. In Kürze wird eine Broschüre mit allen Angeboten vorliegen und über die Homepage der vhs sowie unter www.wiesbaden.de/hochbegabung verfügbar sein. Geplant sind u. a. Themen wie „Philosophie und Mathematik mit den Simpsons“ oder „Konstruktion der Wirklichkeit“.
„Die Förderung Hochbegabter ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher freut es mich sehr, dass im Sommer die ,Wiesbadener Akademie für Kinder und Jugendliche mit besonderen Begabungen und Hochbegabung‘ mit einem breiten außerschulischen Programm startet. Die Hochschule RheinMain wirkt bei der Entwicklung von Kursangeboten mit und stellt Seminarräume zur Verfügung“,
sagte die Vizepräsidentin der Hochschule RheinMain, Prof. Dr. Christiane Jost, im Rahmen der Wiesbadener Bildungsmesse.
Am Anfang sowie zum Ausklang des Nachmittags konnten sich die Besucherinnen und Besucher an zehn Ständen auf dem Marktplatz der Bildungsmesse im Großen Festsaal über Themen und Projekte rund um die inklusive Bildung informieren.
„Geleitet vom Grundgedanken der Heterogenität hat sich das Bildungsbüro im Schuldezernat in den vergangenen Jahren verschiedenen Themen und Projekten gewidmet. Für unsere erste Bildungsmesse haben wir alle Akteure zur Teilnahme auf dem Marktplatz eingeladen, mit denen wir in den vergangenen Jahren Ideen angestoßen und Projekte durchgeführt haben. Gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern möchten wir heute den breiten Bogen der Inklusion spannen“,
so Ingeborg Groebel und Barbara Rüßmann vom Büro für Kommunale Bildungsprojekte im Schuldezernat.
Neben dem Staatlichen Schulamt, dem Städtischen Schulamt und dem Amt für Soziale Arbeit waren das Medienzentrum und das Grundbildungszentrum der vhs ebenso vertreten wie das Netzwerk Hochbegabung Wiesbaden, die AG „Leseförderung“ oder FokusNeugier, das Schülerforschungszentrum der Hochschule RheinMain.
„Unser Wunsch ist es, Ihnen eine Plattform für ein Netzwerk zu bieten, dessen verbindendes Element der inklusive Gedanke ist. Ich bin überzeugt, dass Sie mehr Berührungspunkte miteinander haben, als man auf den ersten Blick annehmen würde“,
ermunterte Stadträtin Scholz die Besucherinnen und Besucher.
Die Wertschätzung von Heterogenität, ihre schulischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen sowie Herausforderungen stellte auch Dr. Dr. Caspar Söling, Geschäftsführer des Sankt Vincenzstifts, in den Mittelpunkt seines Vortrages. Er war auf Einladung des Schuldezernates nach Wiesbaden gekommen und konnte im Stadtverordnetensitzungssaal seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit dem Thema „Paulus und die Pinguine. Heterogenität als Herausforderung an Mensch, Bürokratie und Politik“ für sich gewinnen.
„Der Umgang mit Verschiedenheit ist uns nicht in die Wiege gelegt, er ist nicht in unseren Genen. Er ist eine kulturelle Leistung, die jede Generation neu erlernen muss. Das ist harte, wichtige Arbeit. Deshalb haben Schulen nicht allein die Aufgabe, Wissen zu vermitteln, sondern auch die eigene Identität als Teil einer vielfältigen Welt zu vermitteln. Nur dann lernt man, den Reichtum der Vielfalt zu schätzen“,
so Dr. Dr. Söling in seinem Vortrag.
Dr. Dr. Söling ist seit dem Jahr 2006 Geschäftsführer des Sankt Vincenzstifts. Das Sankt Vincenzstift ist unter anderem Träger der Vincenzschule in Aulhausen, hessenweit die erste inklusiv arbeitende Grundschule innerhalb einer Förderschule. Dr. Dr. Söling hat Katholische Theologie und Biologie studiert.
Viele kleine Kreisel schmückten die Tische auf der Bildungsmesse. Studierende der Hochschule RheinMain hatten Logovorschläge für das Netzwerk Hochbegabung Wiesbaden entwickelt. Für das Logo in Form eines dynamischen Kreisels hatte sich das Netzwerk schließlich entschieden.
„Anders als der Kreisel drehen wir uns nicht um uns selbst. Das zeigt die Vielfalt unserer Partnerinnen und Partner, die ihre Angebote heute auf dem Marktplatz der Bildungsmesse präsentieren. Ihnen gilt mein herzlicher Dank“,
so Rose-Lore Scholz. „Eines haben wir mit dem Kreisel aber gemeinsam: Wir sind in steter Bewegung, um Wiesbaden als kommunale Bildungslandschaft mitzugestalten.“ Aktuell haben sich das Schuldezernat gemeinsam mit dem Sozialdezernat erfolgreich um das Bundesprogramm „Bildung integriert“ beworben. Viele, auch inklusive, Projektideen wolle man im Rahmen dieses integrierten Bildungsmanagements in den nächsten Jahren gemeinsam mit der Sozialverwaltung umsetzen.
Weitere Informationen zur Begabtenakademie Wiesbaden und zur Bildungsmesse gibt es im Internet unter www.wiesbaden.de/hochbegabung.