Frankfurt: Die smarte Tram der VGF

Wegweisende Mobilität

Frankfurt am Main – Neue Straßenbahnen sind üblicherweise 30 und mehr Jahre im Fahrgastbetrieb. Während dieser Zeit schreitet die technische Entwicklung vieler Systeme aber fort, die Entwicklung neuer Standards bleibt nicht stehen. Damit ist jedes Verkehrsunternehmen früher oder später mit der Notwendigkeit konfrontiert, die Fahrzeuge zu ersetzen oder zu modernisieren, um so die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und seine Konkurrenzfähigkeit mit anderen Verkehrsträgern sicher zu stellen.

Die Straßenbahn, die die VGF und der Fahrzeug-Hersteller Siemens als Ergebnis eines gemeinsamen Projekts am 4. Juli im Betriebshof Gutleut vorgestellt haben, ist ein Beispiel für die gezielte Teilmodernisierung eines älteren Fahrzeugs. Die Partner haben bei dieser Bahn besonderen Wert darauf gelegt, Fahrgästen die Möglichkeiten der modernen, digitalen Medien zugänglich zu machen. Damit steht dem ÖPNV in Frankfurt ein langjährig erfolgreiches Fahrzeug mit modernsten Einrichtungen zur Verfügung.

Die smarte Tram der VGF

Im Sommer 2015 beschlossen die VGF und die Firma Siemens ein Fahrzeug der in Frankfurt als Typ „R“ bezeichneten Serie zu einem Prototyp für die Nachrüstung mit innovativen Systemen zu machen. Diese Straßenbahn wird für ca. ein Jahr im regulären Einsatz stehen und dabei erprobt. Die VGF erhält mit ihr – im Blick auf eine Flottennachrüstung beziehungsweise für spätere Neufahrzeug-Beschaffungen – die Möglichkeit, neue Systeme zu testen und Rückmeldungen zu Interesse beziehungsweise Akzeptanz der Fahrgäste zu bekommen. Diesen wiederum steht ein Fahrzeug mit neuen Komfortmerkmalen wie Internetzugang und verbesserter Fahrgastinformation zur Verfügung, das durch die technischen Optimierungen auch für mehr Sicherheit steht.

„VGF 4.0“

„Die Kooperation von VGF und Siemens ist ein Schritt in die Zukunft und folgt dem aktuellen Trend, ein modernes und leistungsfähiges Angebot für den Fahrgast zu entwickeln“, lobte der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Norbert Barthle. Das Angebot, so Barthle weiter, mache „Busse und Bahnen auch für junge Menschen immer attraktiver“. Uwe Becker, Stadtkämmerer und Aufsichtsratsvorsitzender der VGF, erinnerte daran, dass der ÖPNV im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern steht: Die Innovation der „VGF 4.0“ mache den ÖPNV nicht nur attraktiver, sondern sichere dadurch, dass mehr Fahrgäste die Busse und Bahnen nutzten, auch Arbeitsplätze. Becker abschließend: „Das ist ein guter Tag für die städtische Infrastruktur und für die städtischen Unternehmen.“

Sicherheit, Modernität, Komfort und Nachhaltigkeit machen heute moderne Mobilität in Bussen und Bahnen aus. In Neu-Fahrzeugen dürfen Verkehrsbetriebe und Fahrgäste die damit verbundene Ausstattung erwarten, angefangen bei der inzwischen üblichen Niederflur-Technik. Mehr als 20 Jahre alte Bahnen stammen aber aus einer anderen Fahrzeug-Generation, die die technischen Voraussetzungen für moderne Fahrgastinformations-Systeme oder Fahrzeug-Sicherheit noch nicht hatte – wie die Siemens-Straßenbahnen des Typs „R“, die zwischen 1993 und 1997 angeschafft wurden.

Modernität – das bedeutet zwei doppelseitige Monitore im Wagen-Inneren, die den Fahrgästen übersichtlich den aktuellen Standort der Bahn, ihren weiteren Fahrtverlauf und mögliche Anschlüsse an den folgenden Haltestellen zeigen. Angeboten werden außerdem Wetterinformationen des Providers 2yr.no, einem Internetwetterdienst, der vom norwegischen Rundfunk und dem Norwegischen Meteorologischen Institut in Kooperation betrieben wird, und gegebenenfalls Werbung. Eine Ausweitung des Informations-oder Unterhaltungs-Angebots auf den Monitoren ist möglich, wobei die regelmäßige Nutzung von mobilen Telefongeräte durch die Fahrgäste zu eben diesen Zwecken während der Fahrt bedacht werden muss.

Vor diesem Hintergrund eine der wichtigsten Neuerungen: ein kostenloses WLAN-Angebot. Eine Innenraum-Antenne, eine Außen-Antenne mit GPS-Signal sowie die Mobilfunknetze entlang der Strecke ermöglichen den Fahrgästen Zugang zum Internet mit den eigenen Geräten. Das WLAN in der Bahn bietet darüber hinaus nicht nur Zugriff auf die vielfältigen Service-Angebote der VGF – diese stammen von der Homepage http://www.vgf-ffm.de – sondern auch auf aktuelle Informationen über die Belegung des Mehrzweckbereichs. Diese Information ist für die Reiseplanung von Personen mit besonderem Platzbedarf hilfreich, zum Beispiel wenn Fahrgäste mit Gepäck, Kinderwagen oder Rollstuhl unterwegs sind.
Komfort – das heißt, dass dem Fahrpersonal ein Tablet-PC mit diversen Funktionalitäten zur Verfügung steht. Dieses Gerät wird von einem GPS-Signal ausgeschaltet, sobald die Bahn fährt. Steht sie, beispielsweise an einer Haltestelle, kann der Fahrer mit seinem Tablet den Innenraum während des Fahrgastwechsels einsehen, was durch drei Kameras im Fahrgastraum möglich wird. Wie auch in anderen Fahrzeugtypen der VGF werden die Bilder dieser Kameras nicht unbegrenzt gespeichert, sondern nach 72 Stunden automatisch überspielt. Die Videoüberwachung liefert nicht nur dem Fahrer Informationen, sie steigert auch nachgewiesenermaßen das subjektive Sicherheitsgefühl der Fahrgäste und führt zu einem Rückgang von Vandalismus und anderen Straftaten im Fahrzeug.

Über ihr verbessertes Sicherheitsgefühl hinaus profitieren Fahrgäste von den eingebauten Innovationen: Bewegungsmelder für automatische Öffnung der Türen beim Mehrzweckbereich erleichtern Fahrgästen mit Kinderwagen oder im Rollstuhl den Einstieg in die Bahn. Außerdem reisen und surfen sie bequem und nutzen das WLAN-Angebot kostenfrei. Und sollte dem Endgerät der Saft ausgehen: An zwei Stellen im Fahrzeug befinden sich Ladestationen mit jeweils zwei USB Anschlüssen, um das Handy, Smartphone etc. wieder zu laden.
Auch für die VGF und ihre Fahrer bringen die Tablets eine Reihe von Vorteilen: Die über das WLAN zugänglichen Informationen für die Fahrgäste stehen auf den Geräten auch dem Fahrer zur Verfügung. So zeigt das Tablet auch ihm die Belegung der Mehrzweckbereiche; neun Innenkameras liefern dazu Bilder der Abteile aus unterschiedlichen Winkeln. Außerdem sind wichtige betriebliche Dokumente auf den Geräten hinterlegt, die Mitnahme in Papierform entfällt. Updates von Informationen sind auf dem Tablet via WLAN oder Internet möglich.

Sicherheit umfasst in der smarten Tram nicht nur die genannten 360-Grad-Kameras im Fahrgastraum, sondern auch die vier seitlich am Fahrzeug befestigten Außenkameras, die wie eine Art elektronische Rückspiegel funktionieren und Bilder an zwei im Fahrerstand montierte Bildschirme liefern. Anders als bei den Tablets kann der Fahrer mit einem Blick nach oben diese Bilder auch während der Fahrt kontrollieren – die Rückspiegel-Funktion wäre sonst nicht gegeben. An Haltestellen wiederum ermöglichen diese Bilder dem Fahrer durch große Detailtiefe einen noch besseren Überblick über das Geschehen auf dem Bahnsteig.

Natürlich ist auch dieser „R“-Wagen mit einem innovativen Fahrer-Assistenzsystem (FAS) zur Vermeidung von Kollisionen ausgestattet. Mit Hilfe einer Kombination aus Videokamera und Radarsensor warnt das FAS vor im Fahrweg auftauchenden Hindernissen wie Autos oder andere Bahnen und löst bei Nichtbeachtung eine automatische Bremse aus. Notwendig ist hierfür die Installation von Videokamera, Radarsensor und einem Steuergerät aus dem Automotive-Bereich. Vorteile für Fahrgäste und andere Verkehrsteilnehmer: höhere Sicherheit. Vorteil für die VGF: eine Unterstützung des Fahrers sowie eine höhere Betriebssicherheit.

Auch die Beleuchtung der Bahn wurde modifiziert: Sie wurde mit Innenbeleuchtung und Frontscheinwerfern in LED-Technik ausgerüstet. Die neuen Scheinwerfereinsätze beinhalten Abblendlicht, Fernlicht, Tagfahrlicht, Standlicht, Blinker, Bremsleuchten und Schlussleuchten. Die Einsätze wurden in speziell konstruierten Haltern angeliefert, so dass am Fahrzeug keine mechanischen Änderungen notwendig waren. Die elektrischen Änderungen beschränkten sich auf den Anschluss der Scheinwerfer mit den erweiterten Schaltungsmöglichkeiten.

LED-Technik auch in den Seitenblinkern: Die LEDs sind komplett in Epoxidharz eingegossen. Für die VGF heißt das: Die Blinker sind praktisch unzerbrechlich und wasserdicht. Sie sind damit deutlich robuster und besser gegen Beschädigung durch Einwirkungen im Straßenverkehr geschützt. Die Blinker können ohne Änderung in der Elektrik auf die gleiche mechanische Befestigung gebaut werden, der Austausch ist damit sehr kostengünstig. Durch Verwendung langlebiger LEDs entfällt der regelmäßige Wechsel von Glühbirnen.
Nachhaltigkeit – das bedeutet, dass ältere Fahrzeuge zu einem wirtschaftlichen Preis ertüchtigt und modernisiert werden, statt sie mit einer teureren Neuanschaffung zu ersetzen. Sie zeigt sich aber auch in der genannten Ausstattung mit den LED-Leuchten. Die Vorteile für die VGF: Durch den Einsatz von langlebigen LEDs entfällt der regelmäßige Wechsel der H4-Glübirnen, die Ausfallquote der Scheinwerfer wird erheblich reduziert. Dies wiederum erhöht die Verfügbarkeit der Fahrzeuge für den Betrieb. Als Folge der Langlebigkeit der LEDs ergeben sich deutlich reduzierte Wartungs- und Reparaturarbeiten.

Durch die neuen, innovativen Features in der smarten Tram wird die Attraktivität des ÖPNV deutlich gesteigert, wodurch letztlich wiederum ein großer Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit und Umwelt geleistet wird.

Kein altes Eisen

Das gemeinsame Projekt von VGF und Siemens zeigt: Ein 20 Jahre alter „R“-Wagen gehört noch lange nicht zum „alten Eisen“. Modernität und Nachhaltigkeit schließen sich nicht nur keineswegs gegenseitig aus, sondern bilden eine Einheit. Von ihrer Verbindung profitieren Fahrgäste und Fahrer gleichermaßen, denn die Innovationen, die Siemens und die VGF in Wagen 033 verbaut haben, machen den ÖPNV attraktiv und smart.