Weinheim: Das Stadtarchiv bekommt endlich angemessene Räume für seine Aufgaben

Die in Kisten verpackten Dokumente (Foto: Stadtverwaltung Weinheim)
Die in Kisten verpackten Dokumente (Foto: Stadtverwaltung Weinheim)

Weinheim. Vieles wirkt profan. Akten eben. Meterlang, kilometerlang. Zweieinhalb Kilometer lang mit Regalmeter-Luft nach oben. Aber wenn ein Stadtarchiv umzieht, merkt man, warum man eine solche Einrichtung auch das „Gedächtnis der Stadt“ nennt: weil es nämlich nichts vergisst. Jedenfalls nichts Wichtiges.

Seit etwa einer Woche räumen Weinheims Stadtarchivarin Andrea Rößler und ihre Mitarbeiterinnen Sybille Rummert und Silvia Wagner Archivalien, die zuvor an zehn Orten im ganzen Stadtgebiet verteilt waren – darunter auch nur schlecht geeignete – ins neue Stadtarchiv, das im neuen Karrillon-Haus untergebracht ist. Am Samstag, 16. Juli, ist um 11 Uhr offizielle Einweihung, danach Tag der offenen Tür. Archivarin Andrea Rößler wird drei Führungen durch das neue Archiv anbieten: Jeweils um 13 Uhr, um 14 Uhr und um 15 Uhr.
Aber vieles, was die Stadt im Laufe ihrer Geschichte hinterlassen hat, ist eben nicht profan – und es sind eben nicht nur Akten. Obgleich auch darunter Raritäten sind, wie die alten Ratsprotokolle aus früheren Jahrhunderten, opulent in Leder gebunden. Handgeschrieben, versteht sich. Andrea Rößler kann die alten Schriften lesen. Die meisten Menschen freuen sich nur an den Schnörkeln der Schrift. Noch liegt das meiste in Kartons eingepackt, aber die Stadtarchivarin bewegt sich jetzt schon mit großer Sicherheit zwischen den Schieberegalen; sie weiß gleich, wo alles steht. Sie kann sogar Anekdoten erzählen zu einer Karteikarte, die sie aus einem unscheinbaren Schuhkarton zieht.

Mitarbeiterin mit einem Dokument (Foto: Stadtverwaltung Weinheim)
Mitarbeiterin mit einem Dokument (Foto: Stadtverwaltung Weinheim)

Von 1368 stammt die älteste Urkunde im Archiv, sie liegt ausgebreitet in einem Spezialschrank. Eine Bestätigung, dass Weinheim damals Teil der Kurpfalz war. Am wertvollsten ist wohl die (einzige) Königsurkunde, in der König Ruprecht, ein Kurpfälzer, im Jahr 1410 Weinheims Stadtrechte bestätigt hat.

Noch im Karton befand sich dieser Tage ein echtes Schmuckstück: Das Hochzeitsbild der Fußball-Trainer-Legende Sepp Herberger und seiner Frau Ev aus dem Jahr 1921. Nach dem Krieg wurde der in Mannheim geborene „Wundermann“ von Bern Weinheimer Ehrenbürger.
Nach langen Jahren hat das Weinheimer Stadtarchiv, wie es dem Pflichtaufgabenkatalog einer Kommune entspricht, nun im Karrillon-Haus eine angemessene Bleibe gefunden. Es bietet nicht nur den Mitarbeiterinnen lange vermisste professionelle Arbeitsbedingungen, sondern auch einen geordneten Besucherbetrieb mit Arbeits- und Leseräumen für Hobby- und Profi-Historiker. Denn zu allen Archivalien führt das Archiv auch eine regionalgeschichtliche Bibliothek von rund 6000 Büchern.

Es gibt einen „Schmutzraum“, in dem die (extra in einem ebenerdig angelegten Zugang angelieferten) Dokumente gereinigt werden. Sie wandern dann in einen „Erschließungsraum“, in dem jedes Dokument katalogisiert wird. Von dort wird es verwahrt.

In den klimatisierten Räumen herrscht ganzjährig eine Raumtemperatur von 18 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 55 Prozent. Nur im Fotomagazin ist es kälter: 11 Grad Celsius, dadurch hält sich das Fotopapier besser. Die ältesten Negative befinden sich übrigens auf Glasplatten – teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert.

Im gesamten Archivgebäude wurde eine Brandschutzanlage installiert, die im Brandfall mit feinem Nebel sehr punktgenau am Brandherd reagiert: Denn für alte Papiere wäre Wasser ein Spiel mit dem Feuer.