Hannover – Die Olympischen Spiele in Rio stehen vor der Tür und das weltweite Interesse an Rugby wächst spürbar an. Es wird erwartet, dass die schnelle, abgespeckte Siebener Rugby-Variante das Publikum begeistern wird. Experten prognostizieren bereits, das Olympische Rugby-Endspiel werde dem Leichtathletik-Finale der 100 Meter Läufer bald ebenbürtig. Sportlich und wirtschaftlich ist der deutsche Markt für den Weltverband World Rugby ein schlafender Riese. Mit internationaler Unterstützung leitet der Deutsche Ruby-Verband (DRV) strukturelle Maßnahmen zu dessen Erweckung an.
Die Amerikaner schicken ein interessantes Team ins Rennen bei den Spielen in Rio. Und die traditionellen Kräfte, wie beispielsweise Neuseeland und Fidschi gehören ohnehin zu den Besten der Siebener-Branche. Wie ist ihre Prognose: wer wird Olympiasieger 2016 in Rio?
Klaus Blank: Das wird natürlich sehr spannend und ich freue mich sehr auf die Olympischen Wettkämpfe. Man muss sehen, wie sich der leicht geänderte Modus beim Ablauf der Spiele auf die Mannschaften auswirken wird. Aber generell erwarte ich bei den Männern die Mannschaften aus Neuseeland und Fidschi vorne. Die sind einfach bärenstark und bereits etabliert. Bei den Frauen wird zwar auch Neuseeland in der Spitze landen, aber mein Tipp lautet, die Australierinnen setzen sich durch und holen sich Olympisches Gold.
Herr Blank, das Jahr 2016 war das beste Rugby-Jahr für deutsche Nationalteams überhaupt: Die Qualifikation für die Olympischen Spiele im Siebener Rugby hauchdünn verpasst. Und mit dem Fünfzehner-Team gegen Spanien in Köln den Klassenerhalt in der Europameisterschafts-Division 1A geschafft. Wo liegen die kommenden Ziele ihrer Nationalmannschaften?
Beim Fünfzehner Männer-Team haben wir uns in der European Championship, wie der Wettbewerb mittlerweile heißt, sehr gut geschlagen. Wir wollen uns weiter verbessern und haben als Perspektive die Qualifikation für die WM 2019 in Japan ausgegeben. Dazu müssen wir zumindest vor den Teams aus Russland oder Rumänien landen. Das wird sicherlich eine große Herausforderung. Doch alle Kräfte, d.h. Spieler, Trainer und die Verantwortliche, arbeiten hart an diesen Zielen. Und wir freuen uns besonders, dass wir im weiblichen Bereich endlich wieder eine offizielle Deutsche Frauen Fünfzehner-Nationalmannschaft aufbauen und hier ganz konkret einen Neuanfang starten. Das Team wird im Übrigen am 21. August gegen die Schweiz das erste Länderspiel bestreiten.
Bei der mittlerweile Olympischen Disziplin Siebener Rugby haben wir die brutal schwierige Qualifikation für Rio nur ganz knapp verpasst. Dennoch hat unser Team dabei unter Beweis gestellt, dass es auf ganz hohem Leven mithalten kann. Unser nächstes Ziel ist die World Series. Den ersten Schritt haben wir dafür bereits erreicht und uns für das dafür entscheidende Ausscheidungsturnier in Hong Kong qualifiziert. Darüber hinaus werden wir auch alles versuchen, an der Siebener WM 2018 und den nächsten Olympischen Spiele im Jahr 2020 teilzunehmen.
Man ist also bereits auf dem Sprung zu den besten Siebenern Ruby-Teams der Welt aufzuschließen. Bei den Fünfzehnern wollen sie sich in Europa etablieren. Um dorthin zu gelangen ist im Hintergrund intensive Arbeit notwendig. Dabei ist viel von der Einführung neuer, professioneller Strukturen die Rede. Wo liegt das größte Potenzial noch näher an die Besten heranzurücken?
Im Leistungssportbereich sind wir bei beiden Teams schon recht gut aufgestellt. Aber wir müssen darauf achten, die Basis sowie unseren Nationalkader Kader in der Tiefe zu stärken. Das wurde insbesondere bei den Deutschen Siebener Rugby-Meisterschaften deutlich, die kürzlich in Heidelberg stattgefunden haben. Dort trafen Teams ganz unterschiedlicher Leistungsstärken aufeinander. Der Unterschied zwischen professionell trainierenden Athleten und den Teams, die ein – bis zweimal die Woche trainieren, wurde sehr deutlich. Insgesamt heben unsere Nationalspieler natürlich insgesamt das Niveau. Sie sind Vorbilder aus dem eigenen Land, an denen sich viele orientieren können. Bislang kamen die ja fast ausschließlich aus fernen Ländern. Aber es ist immer noch so, dass unsere Teams weitestgehend aus unbezahlten Spielern bestehen, die studieren oder einem Beruf nachgehen. Da spielt die Unterstützung des Bundes, der Sporthilfe und unseres Premiumsponsors „Capri Sonne“ eine große Rolle. In dieser Hinsicht wird der zunehmende sportliche Erfolg in Zukunft sicherlich auch Fragen aufwerfen, denn wenn die Teams monatelang internationale Turniere spielen, muss hierfür eine belastbare Basis gefunden werden.
Trotz großer Sympathien und guter Perspektiven hat es Rugby bislang schwer, sich bei der Vermarktung gegen andere Sportarten durchzusetzen. Bei Olympia wird erwartet, dass Rugby die Welt in seinen Bann ziehen wird. Was erwartet der DRV für die Entwicklung in Deutschland nach den Spielen?
Also wir werden sicherlich nicht direkt nach den Spielen von neuen Rugbyinteressierten überrannt werden. Das wäre zwar schön, ist aber unrealistisch und würde uns auch vor große logistische Herausforderungen stellen. Was wir aber erhoffen ist eine noch stärkere Aufmerksamkeit und damit verbunden, ein größeres Interesse an unserer Sportart. Ein größeres Medieninteresse führt automatisch zu einer erhöhten Attraktivität für Sponsoren. Das ist dann wie ein „Sesam öffne dich“: Das beginnt im übrigen schon ganz oben beim Bundesinnenministerium, der für die Spitzenförderung verantwortlich ist und geht schließlich bis hinunter zu den Kommunen, mit denen die Vereine an der Basis ganz konkret über Unterstützung verhandeln.
Vom Deutschen Olympischen Sportbund gibt es für den 7er-Rugbysport als Olympische Sportart neue, zusätzliche Fördermaßnahmen. Einige befürchten nun, dass sich Fünfzehner- und Siebener-Rugby in die Quere kommen könnten? Muss man befürchten, dass eine Seite leidet?
Wir werden vom DOSB und vom Bund schon recht gut unterstützt. Dass wir noch mehr Unterstützung, vor allem im Personellen Bereich benötigen ist allen Beteiligten klar. Ob und wann wir zusätzliche Förderungen tatsächlich bekommen werden, wird sich nach den Struktur- und Zielvereinbarungsgesprächen im Herbst zeigen. Das ist aber nicht nur vom „Goodwill“ der Beteiligten abhängig, sondern auch von der generellen Neuausrichtung der Förderungen durch den Bund. Wir sind an der Stelle aber sehr optimistisch. Für weitere Mittel, insbesondere auch für den Fünfzehner-Bereich, sind wir mit Herrn Dr. Wild und seiner Stiftung in Verhandlungen zur Fortsetzung des auslaufenden Sponsorenvertrages.
Ob sich Siebener und Fünfzehner Rugby in die Quere kommen könnten, weiß ich nicht. Wir stehen aber vor der Herausforderung, dass wir derzeit nur ein begrenztes Spielerpotenzial zur Verfügung haben, die auf dem Niveau spielen können, das unsere beiden Nationalmannschaften jetzt erreicht haben. Wir werden es daher wieder so halten müssen, wie in diesem Jahr, dass wir die Spieler, die beide Disziplinen auf höchstem Niveau spielen, zielgerichtet für die anstehenden Spiele und Maßnahmen vorbereiten. Die zuständigen Personen im Leistungssportbereich des DRV und der Wild Rugby Akademie sind hier in ständigem Kontakt.