Die vom Chefarzt der „Villa Medica“ in Edenkoben praktizierte Behandlung von Menschen mit tiefgefrorenen Frischzellen (sog. Gefrierzellentherapie) darf vorläufig weiter angewendet werden, jedoch nur unter zusätzlichen strengen Auflagen. Der Chefarzt ist insbesondere zu einer wesentlich umfangreicheren Aufklärung seiner Patienten verpflichtet. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz in einem Eilrechtsschutzverfahren.
Der Antragsteller, Chefarzt der „Villa Medica“ in Edenkoben, ist spezialisiert auf die Behandlung von Menschen mit Zellen tierischen Ursprungs, die aus Schafsföten gewonnen werden (sog. Frischzellentherapie). Diese werden den Patienten mit der Absicht injiziert, eine revitalisierende Wirkung zu erzielen. Seit einiger Zeit verwendet der Antragsteller nur noch eingefrorene Zellen (sog. Gefrierzellen).
Im Dezember 2015 untersagte das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung dem Antragsteller die weitere Herstellung und Anwendung von Gefrierzellen bei Menschen und ordnete die sofortige Vollziehung des Verbots an. Bei den vom Antragsteller hergestellten Gefrierzellen handele es sich um bedenkliche Arzneimittel, weil dem nach derzeitigem Sachstand nicht nachweisbaren Nutzen bedeutende Risiken gegenüberstünden, insbesondere die Gefahr der Übertragung von tierischen Erregern und von massiven immunallergischen Reaktionen.
Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und suchte beim Verwaltungsgericht um Eilrechtsschutz nach, weil aus seiner Sicht die von ihm hergestellten Gefrierzellen ein unbedenkliches Arzneimittel darstellten. Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße gab dem Eilantrag mit bestimmten Maßgaben statt, weil die Frage, ob es sich bei den vom Antragsteller hergestellten Gefrierzellen um bedenkliche Arzneimittel handele, weiterer Aufklärung im Hauptsacheverfahren bedürfe.
Die hiergegen vom Land Rheinland-Pfalz beim Oberverwaltungsgericht eingelegte Beschwerde hatte nur teilweise Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht ergänzte die bereits vom Verwaltungsgericht dem Antragsteller gemachten Auflagen um umfangreiche zusätzliche Verpflichtungen zur Aufklärung seiner Patienten, wies aber die Beschwerde im Übrigen zurück.
Zur Begründung führte das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes könne noch nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, ob die angegriffene Verfügung rechtmäßig sei. Zwar sei die Behörde zum Erlass der Verfügung zuständig und verfüge auch über eine Ermächtigungsgrundlage im Arzneimittelgesetz. Ob es sich bei den vom Antragsteller angewendeten Gefrierzellpräparaten aber tatsächlich um bedenkliche Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes handele, bedürfe – wie vom Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt – weiterer Aufklärung im Hauptsacheverfahren. Hierzu sei die Einholung von ergänzenden Stellungnahmen des Paul-Ehrlich-Instituts sowie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erforderlich, zum einen zur Einschätzung des Risikos der Übertragung von Krankheitserregern tierischen Ursprungs, zum anderen zu der Frage, ob bei der vom Antragsteller konkret durchgeführten Gefrierzellentherapie ein bedenkliches Risiko allergischer sowie immunologischer Reaktionen bestehe. Die bei einer derartig offenen Sach- und Rechtslage im Eilverfahren vorzunehmende Interessenabwägung falle – unter der Voraussetzung zusätzlicher Aufklärungspflichten des Antragstellers gegenüber seinen Patienten – zu dessen Gunsten aus. Denn sein Interesse daran, die Therapie vorläufig weiter durchführen zu können, habe mit Rücksicht auf sein Grundrecht der Berufsfreiheit erhebliches Gewicht, weil er sich auf die Frisch- bzw. Gefrierzellentherapie spezialisiert habe und anderenfalls die Schließung der „Villa Medica“ drohe, mit mutmaßlich irreversiblen Folgen auch für die dort beschäftigten Arbeitnehmer. Über die vom Verwaltungsgericht dem Antragsteller zur Qualitätssicherung des verwendeten Zellenmaterials bereits gemachten Auflagen hinaus sei es jedoch erforderlich, die Therapie zur weiteren Verringerung der vom Land Rheinland-Pfalz angenommenen Gefahrenlage nur bei umfassend informierten Patienten zuzulassen. Hierzu wurde der Antragsteller verpflichtet, seine Patienten mindestens 18 Stunden vor Beginn der Behandlung im Rahmen des allgemeinen Aufklärungsgesprächs auch über die fachlichen Einschätzungen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie über das anhängige Hauptsacheverfahren zu informieren. Zudem habe er den Inhalt der erfolgten Aufklärung schriftlich zu dokumentieren.
Beschluss vom 10. August 2016, Aktenzeichen: 6 B 10500/16.OVG