Speyer – Ein leiser Orgelton durchdringt die historische Liller Halle des TECHNIK MUSEUM SPEYER, in der sonst Oldtimer, Flugzeuge und andere Zeitzeugen der motorisierten Technikgeschichte den Ton angeben. Erst ganz leise, dann immer mächtiger bis ein gewaltiges Fortissimo die Halle zum Beben und das Publikum zum Applaudieren bringt. Ein Orgelkonzert in einem Technikmuseum, passt das zusammen? Es passt, denn es ist eine ganz besondere Orgel, die im TECHNIK MUSEUM SPEYER ihren großen Auftritt hat.
Seit dem Jahr 2002 ist im TECHNIK MUSEUM SPEYER eine Welte Philharmonie Großorgel zu sehen. Das einzigartige Instrument wurde 1916 von der amerikanischen Niederlassung der in Freiburg im Breisgau ansässigen Firma Welte gebaut und feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. Anlässlich des runden Geburtstages findet am Samstag, 3. September 2016 ab 19.00 Uhr ein Jubiläumskonzert der Welte Orgel statt. Tickets gibt es zu 15,00 € unter www.technikmuseum-shop.de und an der Kasse des TECHNIK MUSEUM SPEYER.
Als Organistin für die live gespielten Stücke konnte das Museum die britische Künstlerin Jean Martyn gewinnen. Jean wurde in eine musikalische Familie hineingeboren. Mit 21 Jahren hatte sie bereits alle Klassen für Klavier bestanden und zwei Abschlüsse erhalten. Sie ist Mitarbeiterin des Trinity College London für Klavier und Lizenziatin der Guildhall School of Music. Wenn ihre Finger die Tasten berühren ist es als ob Musik durch ihre Adern fließt. Dies konnte Jean Martyn unter anderem in der TV Show Britain’s Got Talent unter Beweis stellen. Mit ihren Auftritten am Keyboard schaffte es Jean Martyn in die Herzen der britischen Öffentlichkeit und ins Finale.
Zwischen den live gespielten Stücken wird Renovatorin und Klangtistin Sina Hildebrand verschiedene Rollen vorführen und Einblick in die Geschichte der Welte Philharmonie Orgel geben.
Welte Philharmonie Orgel
Die Firma Welte war neben automatischen Klavieren und Orchestrien auch für Orgeln bekannt. Die im Museum ausgestellte Welte Philharmonie ist das größte Instrument das je von Welte hergestellt wurde. Das Instrument bewarb man damals als ein „wahrhaft ideales Hausinstrument für besitzende Kreise“. Wohlhabend musste man in der Tat sein und ausreichend Platz musste man ebenfalls haben, denn zum Aufbau wurde ein Raum von ca. 6 m Länge, 5 m Breite und 4 m Höhe benötigt. Dies erforderte selbst bei herrschaftlichen Häusern oft einen Anbau um das Instrument aufbauen zu können. Musikalisches Talent war dagegen keine Voraussetzung für den Musikgenuss. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Orgeln verfügt die Welte Orgel neben dem Spieltisch für den manuellen Betrieb auch über eine raffinierte Automatik, die mit einer gelochten Papierrolle gesteuert wird. Man legt eine Rolle ein, startet den Abtastvorgang und schon spielt das Instrument mit 2.592 Pfeifen und einem Schlagwerk völlig selbsttätig. Als außergewöhnliche Besonderheit ist die Orgel sogar mit einem Rollenwechsler ausgestattet, mit dem bis zu 10 Rollen hintereinander abgespielt werden können.
Bei der Ankunft in Speyer 1994 befand sich das einmalige Instrument in einem sehr schlechten Zustand. Zahlreiche wichtige Teile fehlten, die Windkanäle waren verschollen, viele Metallteile wiesen Korrosionen auf und die Verkabelung war weitgehend unbrauchbar geworden. Gotthard Arnold, Sina Hildebrand und ihr Team, mit Unterstützung der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, stellten sich der Herausforderung die Fragmente wieder zu einem voll funktionsfähigen Instrument zusammenzufügen. Die Orgel musste praktisch von Grund auf Stück für Stück renoviert werden. Angefangen von dem englischen Compton-Parkinson Gebläse, über die notwendigen leise laufenden Elektromotoren, oder die zum Teil sehr porösen Bälge. Aber auch die alten Kabel erbrachten nur noch geringe Leitfähigkeit und der Spieltisch und sein Innenleben machten einen jämmerlichen Eindruck.
Am 23. Oktober 2002 konnte die Welte Philharmonie Orgel bei einem Einweihungskonzert endlich der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Seiter erklingt das Instrument bei Konzerten oder bei der Kultournacht Speyer. Besonders stolz ist man auf eine Sammlung von ca. 600 Musikrollen, zumeist Originalmusik von 1914 – 1916. Diese Rollen wurden damals von bekannten Organisten wie Prof. Enrico M. Bossi, E.H. Lemare, F.J. Breitenbach, Prof. Dr. Max Reger, Prof. Josef Bonnet, Prof. Samuel A. Baldwin oder Prof. Eugen d’Albert eingespielt.